Sind Kamine dreckiger als Laster?
Feinstaub gilt als ziemlich gefährlich für die Gesundheit. Vor allem Autos und Lastwagen stoßen die winzigen Partikel aus. Aber auch Holzöfen. Eine Spurensuche in unserer Region
Donauwörth Es ist kalt an diesem Abend, der Wind hat abgeflaut, der Himmel ist sternenklar. Ideale Messbedingungen für Thomas Frey. Der schwäbische Vorsitzende des Bund Naturschutz Bayern steht an einem Kreisverkehr in Donauwörth und hält ein rotes Kästchen in der Hand. Es ist kurz nach 18 Uhr. Ein Großteil des Feierabendverkehrs ist schon vorbei. Und doch stauen sich die Autos an dem Kreisel im Gewerbegebiet. Ein guter Ort, um herauszufinden, wie viel Feinstaub durch die Luft wirbelt.
Das rote Gerät, das Frey in der Hand hält, ist ein Feinstaubmessgerät. Am oberen Ende ist ein metallisches Rohr befestigt, das ein wenig an einen Auspuff erinnert. Darüber strömt Luft in das Gerät, das dann misst, wie viele Feinstaubpartikel sich in ihr befinden. Auf dem Display leuchten dann zwei Zahlen auf.
Die obere zeigt die Menge der Partikel, die 2,5 Mikrometer oder kleiner sind, pro Kubikmeter Luft an (PM 2,5). Die untere gibt an, wie viele Partikel, die zehn Mikrometer oder kleiner sind, auf einen Kubikmeter Luft kommen (PM 10). Für beide Größen hat die EU Grenzwerte festgelegt: Bei 2,5 Mikrometern dürfen es im Jahresmittelwert nicht mehr als 25 Partikel auf einen Kubikmeter Luft sein. Bei den größeren Teilen im Jahresmittel nicht mehr als 40 Partikel auf einen Kubikmeter Luft. „Die kleineren Teile dringen tiefer in die Lunge ein“, begründet Frey den Unterschied. Und er fügt hinzu: Eigentlich seien beide Werte willkürlich festgelegt. Je weniger Feinstaub in der Luft sei, desto besser.
Also: Wie ist die Lage hier am Donauwörther Kreisverkehr? Gar nicht so schlecht, findet Thomas Frey. Hin und wieder steigen die Zahlen zwar leicht, etwa als ein Auto beim Anfahren schnell beschleunigt. Doch im Schnitt zeigt das Gerät oben etwa 6 und unten etwa 12 Partikel pro Kubikmeter Luft an. Dabei riecht es so nahe an der Straße sehr rußig. „Das, was man riecht, sind die Stickoxide“, erklärt Frey. Die standen in der Debatte um saubere Luft in der jüngsten Vergangenheit im Fokus. Der Grund war VW mit seinem Abgasskandal. Der Konzern hatte – wie andere Autohersteller – die Stickoxidwerte seiner Dieselautos im echten Straßenverkehr beschönigt. Dass durch die StickoxidDebatte der Feinstaub vergessen wurde, bedauert Frey. Denn Feinstaub habe für die Gesundheit weitaus drastischere Folgen, sagt der Experte und zitiert eine Studie der Weltgesundheitsorganisation. Die hat verschiedene Studien zum Thema Luftverschmutzung und Feinstaub zusammengetragen und ausgewertet. Ein Ergebnis: Die durchschnittliche Lebenserwartung der Menschen in Europa verkürzt sich wegen Feinstaub der Kategorie PM 2,5 um 8,6 Monate.
Die gute Nachricht: In den vergangenen Jahren ist die Feinstaubmenge, die durch Verkehr erzeugt wird, immer weiter gesunken. Die Werte in den Abgasen sind inzwischen sehr niedrig. Im Verkehrssektor schiebt sich deshalb ein anderer Punkt ins Zentrum der Aufmerksamkeit: Der Feinstaub, der durch
Reifenabrieb entsteht. Denn der bleibt immer gleich hoch, selbst wenn alle Menschen mit E-Autos fahren würden.
Gerade im Winter kommt aber noch etwas anderes zum Tragen: Der Feinstaub, der durch Holzfeueranlagen – also Kaminöfen – entsteht. Eine Auswertung des bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz hat ergeben, dass Kamine in Bayern etwa für 16 Prozent des Feinstaubs verantwortlich sind. Der Verkehr – also die Abgase – kommen auf 24 Prozent. Doch gerade im Winter, wenn es draußen kalt ist und viele Menschen einschüren, kann der Anteil der Holzöfen zur Feinstaubbelastung auf 25 Prozent steigen.
Wie sehr sich Kamine auf die Feinstaubbelastung in der Luft auswirken können, wird deutlich, wenn man Donauwörth verlässt und rausfährt aufs Land – genauer gesagt nach Ehingen. Ein zufällig gewähltes Örtchen, das zwischen Donauwörth und Augsburg im Augsburger
Land liegt. 1000 Menschen wohnen in der Ortschaft. Am Rathaus zeigt Freys Messgerät noch sehr niedrige Werte an. Oben (PM 2,5) blinkt die Zahl 9, unten (PM 10) eine 16. Doch das ändert sich schlagartig, als Frey die Straße hinunterläuft, um eine Ecke biegt und hinter einem Haus stehen bleibt. Der Rauch der aus dem Kamin steigt, zeichnet sich weiß gegen den schwarzen Nachthimmel ab. Es riecht nach Lagerfeuer. Frey steigt einen kleinen Hang hinauf und auf einmal beginnt das Messgerät in seiner Hand zu piepsen. Die Werte auf dem Display steigen immer weiter an. Erklimmen die Höhe von 77 (PM 2,5) und 148 (PM 10). Das Piepsen signalisiert: Die zulässigen Grenzwerte sind überschritten, und zwar um Längen. Dann dreht der Wind. Der Feuerholzgeruch verschwindet und mit ihm die Feinstaubpartikel. Die Erkenntnis: Bei den Messungen kommt es sehr darauf an, wo der Messende steht, wie der Wind gerade bläst, wie das Wetter ist. Das kann Elias Pfeiffer bestätigen. Er macht gerade seinen Bundesfreiwilligendienst beim Bund Naturschutz und ist an diesem Abend mit bei der Suche nach Feinstaub dabei. In den Tagen zuvor ist er mit dem Messgerät schon über die Dörfer gefahren, hat in München am Stachus gemessen und in einem Wald. Den höchsten Wert fand er in Siegertshofen, einem Ortsteil der Gemeinde Fischach im Landkreis Augsburg. Rund um den Ort ist Wald. Die nächste größere Straße, die B300, ist sieben Kilometer Luftlinie entfernt. Und dennoch. Die Feinstaubwerte in dem Örtchen waren extrem. „Als das Gerät über 500 Partikel pro Kubikmeter Luft angezeigt hat, haben wir es ausgeschaltet“, sagt Pfeiffer. Der Grund: Ein Kaminofen.
Natürlich gelten diese Werte nicht für ganz Siegertshofen und nicht jederzeit – genau wie die Werte in Ehingen. Sie zeigen nur: Kamine pusten nicht wenig Feinstaub in
Die durchschnittliche Lebenserwartung sinkt
Ein Partikelfilter kommt jetzt auch für Öfen
die Luft. Doch nicht nur Holzöfen haben diesen Effekt. Er lässt sich auch bei einer Messung in der Karlstraße in Augsburg beobachten. Die Straße ist vierspurig, links und rechts säumen fünfstöckige Häuser die Fahrbahn. Eine klassische Häuserschlucht – und damit ein Ort, an dem besonders hohe Feinstaubwerte auftreten können, sagt Frey. Auch das Landesamt für Umweltschutz kontrolliert hier die Feinstaubund Stickoxidbelastung. Die Werte reißen regelmäßig die zulässigen Grenzwerte. Bei einer spontanen Messung im morgendlichen Berufsverkehr sind die Werte in Ordnung – liegen weit unter den Grenzwerten. Bis ein Lkw die Straße entlangfährt. Sprunghaft schnellen die Zahlen nach oben, erreichen einen Spitzenwert von 62 (PM 2,5) und 117 (PM 10). Kurz nachdem der Laster weggefahren ist, sinken die Werte wieder ab. „Man merkt wirklich jeden Emitenten“, sagt Frey.
Die kurze Feinstaub-Tour zeigt vor allem eins: Feinstaub ist überall. Doch man kann etwas dagegen tun, wie sich an den sinkenden Werten im Verkehrssektor ablesen lässt. Denn Autos und Lkw haben inzwischen funktionierende Partikelfilter eingebaut. Und die sollen nun auch bei Holzöfen kommen.