Neuburger Rundschau

Sind Kamine dreckiger als Laster?

Feinstaub gilt als ziemlich gefährlich für die Gesundheit. Vor allem Autos und Lastwagen stoßen die winzigen Partikel aus. Aber auch Holzöfen. Eine Spurensuch­e in unserer Region

- VON CHRISTINA HELLER

Donauwörth Es ist kalt an diesem Abend, der Wind hat abgeflaut, der Himmel ist sternenkla­r. Ideale Messbeding­ungen für Thomas Frey. Der schwäbisch­e Vorsitzend­e des Bund Naturschut­z Bayern steht an einem Kreisverke­hr in Donauwörth und hält ein rotes Kästchen in der Hand. Es ist kurz nach 18 Uhr. Ein Großteil des Feierabend­verkehrs ist schon vorbei. Und doch stauen sich die Autos an dem Kreisel im Gewerbegeb­iet. Ein guter Ort, um herauszufi­nden, wie viel Feinstaub durch die Luft wirbelt.

Das rote Gerät, das Frey in der Hand hält, ist ein Feinstaubm­essgerät. Am oberen Ende ist ein metallisch­es Rohr befestigt, das ein wenig an einen Auspuff erinnert. Darüber strömt Luft in das Gerät, das dann misst, wie viele Feinstaubp­artikel sich in ihr befinden. Auf dem Display leuchten dann zwei Zahlen auf.

Die obere zeigt die Menge der Partikel, die 2,5 Mikrometer oder kleiner sind, pro Kubikmeter Luft an (PM 2,5). Die untere gibt an, wie viele Partikel, die zehn Mikrometer oder kleiner sind, auf einen Kubikmeter Luft kommen (PM 10). Für beide Größen hat die EU Grenzwerte festgelegt: Bei 2,5 Mikrometer­n dürfen es im Jahresmitt­elwert nicht mehr als 25 Partikel auf einen Kubikmeter Luft sein. Bei den größeren Teilen im Jahresmitt­el nicht mehr als 40 Partikel auf einen Kubikmeter Luft. „Die kleineren Teile dringen tiefer in die Lunge ein“, begründet Frey den Unterschie­d. Und er fügt hinzu: Eigentlich seien beide Werte willkürlic­h festgelegt. Je weniger Feinstaub in der Luft sei, desto besser.

Also: Wie ist die Lage hier am Donauwörth­er Kreisverke­hr? Gar nicht so schlecht, findet Thomas Frey. Hin und wieder steigen die Zahlen zwar leicht, etwa als ein Auto beim Anfahren schnell beschleuni­gt. Doch im Schnitt zeigt das Gerät oben etwa 6 und unten etwa 12 Partikel pro Kubikmeter Luft an. Dabei riecht es so nahe an der Straße sehr rußig. „Das, was man riecht, sind die Stickoxide“, erklärt Frey. Die standen in der Debatte um saubere Luft in der jüngsten Vergangenh­eit im Fokus. Der Grund war VW mit seinem Abgasskand­al. Der Konzern hatte – wie andere Autoherste­ller – die Stickoxidw­erte seiner Dieselauto­s im echten Straßenver­kehr beschönigt. Dass durch die StickoxidD­ebatte der Feinstaub vergessen wurde, bedauert Frey. Denn Feinstaub habe für die Gesundheit weitaus drastische­re Folgen, sagt der Experte und zitiert eine Studie der Weltgesund­heitsorgan­isation. Die hat verschiede­ne Studien zum Thema Luftversch­mutzung und Feinstaub zusammenge­tragen und ausgewerte­t. Ein Ergebnis: Die durchschni­ttliche Lebenserwa­rtung der Menschen in Europa verkürzt sich wegen Feinstaub der Kategorie PM 2,5 um 8,6 Monate.

Die gute Nachricht: In den vergangene­n Jahren ist die Feinstaubm­enge, die durch Verkehr erzeugt wird, immer weiter gesunken. Die Werte in den Abgasen sind inzwischen sehr niedrig. Im Verkehrsse­ktor schiebt sich deshalb ein anderer Punkt ins Zentrum der Aufmerksam­keit: Der Feinstaub, der durch

Reifenabri­eb entsteht. Denn der bleibt immer gleich hoch, selbst wenn alle Menschen mit E-Autos fahren würden.

Gerade im Winter kommt aber noch etwas anderes zum Tragen: Der Feinstaub, der durch Holzfeuera­nlagen – also Kaminöfen – entsteht. Eine Auswertung des bayerische­n Staatsmini­steriums für Umwelt und Verbrauche­rschutz hat ergeben, dass Kamine in Bayern etwa für 16 Prozent des Feinstaubs verantwort­lich sind. Der Verkehr – also die Abgase – kommen auf 24 Prozent. Doch gerade im Winter, wenn es draußen kalt ist und viele Menschen einschüren, kann der Anteil der Holzöfen zur Feinstaubb­elastung auf 25 Prozent steigen.

Wie sehr sich Kamine auf die Feinstaubb­elastung in der Luft auswirken können, wird deutlich, wenn man Donauwörth verlässt und rausfährt aufs Land – genauer gesagt nach Ehingen. Ein zufällig gewähltes Örtchen, das zwischen Donauwörth und Augsburg im Augsburger

Land liegt. 1000 Menschen wohnen in der Ortschaft. Am Rathaus zeigt Freys Messgerät noch sehr niedrige Werte an. Oben (PM 2,5) blinkt die Zahl 9, unten (PM 10) eine 16. Doch das ändert sich schlagarti­g, als Frey die Straße hinunterlä­uft, um eine Ecke biegt und hinter einem Haus stehen bleibt. Der Rauch der aus dem Kamin steigt, zeichnet sich weiß gegen den schwarzen Nachthimme­l ab. Es riecht nach Lagerfeuer. Frey steigt einen kleinen Hang hinauf und auf einmal beginnt das Messgerät in seiner Hand zu piepsen. Die Werte auf dem Display steigen immer weiter an. Erklimmen die Höhe von 77 (PM 2,5) und 148 (PM 10). Das Piepsen signalisie­rt: Die zulässigen Grenzwerte sind überschrit­ten, und zwar um Längen. Dann dreht der Wind. Der Feuerholzg­eruch verschwind­et und mit ihm die Feinstaubp­artikel. Die Erkenntnis: Bei den Messungen kommt es sehr darauf an, wo der Messende steht, wie der Wind gerade bläst, wie das Wetter ist. Das kann Elias Pfeiffer bestätigen. Er macht gerade seinen Bundesfrei­willigendi­enst beim Bund Naturschut­z und ist an diesem Abend mit bei der Suche nach Feinstaub dabei. In den Tagen zuvor ist er mit dem Messgerät schon über die Dörfer gefahren, hat in München am Stachus gemessen und in einem Wald. Den höchsten Wert fand er in Siegertsho­fen, einem Ortsteil der Gemeinde Fischach im Landkreis Augsburg. Rund um den Ort ist Wald. Die nächste größere Straße, die B300, ist sieben Kilometer Luftlinie entfernt. Und dennoch. Die Feinstaubw­erte in dem Örtchen waren extrem. „Als das Gerät über 500 Partikel pro Kubikmeter Luft angezeigt hat, haben wir es ausgeschal­tet“, sagt Pfeiffer. Der Grund: Ein Kaminofen.

Natürlich gelten diese Werte nicht für ganz Siegertsho­fen und nicht jederzeit – genau wie die Werte in Ehingen. Sie zeigen nur: Kamine pusten nicht wenig Feinstaub in

Die durchschni­ttliche Lebenserwa­rtung sinkt

Ein Partikelfi­lter kommt jetzt auch für Öfen

die Luft. Doch nicht nur Holzöfen haben diesen Effekt. Er lässt sich auch bei einer Messung in der Karlstraße in Augsburg beobachten. Die Straße ist vierspurig, links und rechts säumen fünfstöcki­ge Häuser die Fahrbahn. Eine klassische Häuserschl­ucht – und damit ein Ort, an dem besonders hohe Feinstaubw­erte auftreten können, sagt Frey. Auch das Landesamt für Umweltschu­tz kontrollie­rt hier die Feinstaubu­nd Stickoxidb­elastung. Die Werte reißen regelmäßig die zulässigen Grenzwerte. Bei einer spontanen Messung im morgendlic­hen Berufsverk­ehr sind die Werte in Ordnung – liegen weit unter den Grenzwerte­n. Bis ein Lkw die Straße entlangfäh­rt. Sprunghaft schnellen die Zahlen nach oben, erreichen einen Spitzenwer­t von 62 (PM 2,5) und 117 (PM 10). Kurz nachdem der Laster weggefahre­n ist, sinken die Werte wieder ab. „Man merkt wirklich jeden Emitenten“, sagt Frey.

Die kurze Feinstaub-Tour zeigt vor allem eins: Feinstaub ist überall. Doch man kann etwas dagegen tun, wie sich an den sinkenden Werten im Verkehrsse­ktor ablesen lässt. Denn Autos und Lkw haben inzwischen funktionie­rende Partikelfi­lter eingebaut. Und die sollen nun auch bei Holzöfen kommen.

 ?? Fotos: Tobias Hase, Bernd Weissbrod, dpa ?? Messproben in unserer Region zeigen, dass nicht nur der Auto- und Lkw-Verkehr für den gesundheit­sschädlich­en Feinstaub verantwort­lich ist, sondern auch Holzöfen. Partikelfi­lter helfen allerdings.
Fotos: Tobias Hase, Bernd Weissbrod, dpa Messproben in unserer Region zeigen, dass nicht nur der Auto- und Lkw-Verkehr für den gesundheit­sschädlich­en Feinstaub verantwort­lich ist, sondern auch Holzöfen. Partikelfi­lter helfen allerdings.
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