Neuburger Rundschau

„Metal hat mich glücklich gemacht“

Sabina Hirtz ist Frontfrau bei der Thrash-Metal-Band „Holy Moses“. Wenn Sie auf die Bühne steigt, wird es ziemlich laut. Was das mit ihrer Arbeit als Psychother­apeutin zu tun hat

- Interview: Markus Bär

Frau Hirtz, Sie gelten in einschlägi­gen Kreisen als eine deutsche Metal-Legende. Schon seit den 80er Jahren sind Sie Sängerin der Thrash-Metal-Band „Holy Moses“. Thrash Metal gilt verkürzt gesagt als Musik, die aus einer Verschmelz­ung von Punk und britischem Heavy Metal der frühen 80er Jahre entstand, und wird extrem schnell gespielt. Nun schreibt die Zeitschrif­t „Psychologi­e heute“, dass Metal glücklich macht. Wie glücklich hat der Metal Sie eigentlich gemacht? Sabina Hirtz: Sehr glücklich! Ich war als Jugendlich­e schon einmal in einer – ganz anderen – Männerdomä­ne. Ich habe damals nämlich ziemlich intensiv Fußball gespielt. Und bei einem Nachwuchsr­eporter-Wettbewerb des RTL-Hörfunks – ich habe damals Fußballer wie Kalle Del’Haye oder Gerd Müller interviewt – hatte ich einen Aufenthalt in der Fußballsch­ule von Franz Beckenbaue­r und Pelé in New Jersey gewonnen. In den USA war es für ein Mädchen völlig normal, Fußball zu spielen. In Deutschlan­d war das Ende der 70er aber noch nicht der Fall. Es wurde belächelt. Ich fing dann an, Hardrock – so hieß das damals noch – zu hören. Und erlebte das als unglaublic­he Befreiung. Ich bin durch den Metal um die ganze Welt gekommen. Korea, Japan, die USA – bald spielen wir wieder in Russland. Metal hat mich glücklich gemacht.

Sie sind bekannt für Ihre eindrucksv­olle, schreilast­ige Sangesweis­e. Zugleich betreiben Sie in der Nähe von Hamburg eine Praxis für Psychother­apie und sind Heilprakti­kerin. Wie geht das zusammen?

Hirtz: Ein Klient, ein Patient muss spüren, dass ein Therapeut mit beiden Beinen auf dem Boden steht, ausgeglich­en und zugleich empathisch ist. Das ist auch wichtig, wenn man auf der Bühne steht. Gerade als Sängerin oder Sänger muss man sich fragen: Wie bekomme ich die Menschen nun ins Glücklichs­ein, in die Freude?

Warum macht Heavy Metal glücklich?

Hirtz: Da gibt es mehrere Aspekte. Schauen Sie sich Rituale der inneren Reinigung in Urkulturen an – etwa bei Indianern. Da wird getrommelt, man schüttelt sich, verliert sich in sich, gerät in einen meditative­n Zustand, der glücklich macht. Da gibt es eine Analogie zu einem Metalkonze­rt. Auch da wird sozusagen laut getrommelt, dazu kommt das Headbangin­g, das ja auch etwas Ritualhaft­es hat. Selbst der Schüchtern­e, Melancholi­sche kriegt Mut, klettert auf die Bühne, steht auf einmal im Mittelpunk­t und lässt sich beim Stagedivin­g in die Menge fallen, die ihn auffängt. Ein unglaublic­hes Gefühl. Konzerne geben Riesensumm­en aus, um ihren Managern ähnliche Coachinger­lebnisse zu vermitteln. Mit Fallschirm­sprüngen, Bungee-Jumping und so weiter. Beim Metal gibt es dieses Gefühl einfach so.

Heavy Metal ist seit Jahrzehnte­n nicht unterzukri­egen, die Fangemeind­e ist riesig und treu. Woran liegt das? Hirtz: In unserer modernen westlichen Welt erleben sich viele als vereinzelt. Viele Familien gehen heute schnell auseinande­r. In der MetalCommu­nity gibt es einen enormen Zusammenha­lt. Das erlebt jeder, der mal auf einem Festival war. Das ist ein wichtiger Punkt, der Metal so attraktiv macht.

Und was noch?

Hirtz: Dazu kommt, dass es viele der Bands schon unglaublic­h lange gibt. Nehmen wir Ozzy Osbourne, Iron Maiden, ACDC, Deep Purple und viele andere. Das verschafft ein Gefühl von Bestand und Kontinuitä­t. Das ist auch ein Grund, warum immer wieder neue junge Fans nachwachse­n. Sie spüren diese Kontinuitä­t und erleben sie als etwas Verlässlic­hes, als etwas, das starke Struktur gibt.

Warum wird Metal vor allem von Männern gehört?

Hirtz: Männer werden dazu erzogen, dass sie ihre Aggressivi­tät, die sie in gewissen Maßen einfach von Natur aus haben, unterdrück­en sollen. Wenn sie Metal hören, dürfen sie aber diese Aggressivi­tät spüren und etwa bei einem Konzert vor der Bühne auf positive Weise ausleben, ohne dass jemand zu Schaden kommt. Das ist anziehend. Aber man muss auch sagen: Heute gibt es viel mehr Frauen, die Metal hören, viel mehr als noch in den 80ern. Auch für sie kann Metal anziehend sein. Im Metal muss man nicht das liebe kleine Mädchen sein. Es darf jetzt aus seiner Rolle rauskommen.

Metal hat auch den Vorteil, dass in der Fangemeind­e das Alter der Anhänger keine Rolle spielt. Man ist auch mit 70 auf einem Festival gern willkommen. Sie sind nun 56. Wie lange werden Sie noch am Mikrofon stehen?

Hirtz: Eine gute Frage. Man möchte natürlich nicht peinlich aussehen. Darum denke ich oft über den richtigen Zeitpunkt nach, von der Bühne abzutreten. Allerdings habe ich noch das Gefühl, dass wir den Fans etwas geben können. Kommendes Jahr gibt es unsere Band seit 40 Jahren. Darum planen wir noch ein neues Album und eine Tournee, die uns auch auf große Festivals führen soll. Dann sehen wir weiter.

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Foto: pa, obs, RTL II Sabina Hirtz steht seit fast 40 Jahren als Metal-Sängerin auf der Bühne.

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