Neuburger Rundschau

Eine Alternativ­e zu Binde und Tampon

Menstruati­onstassen gelten als nachhaltig und preisgünst­ig während der Regel. Längst gibt es die Becher in verschiede­nen Variatione­n. Was Frauen beachten sollten

- VON ANGELA STOLL

Binde oder Tampon? Bis vor wenigen Jahren blieb Frauen bei der Monatshygi­ene kaum eine andere Wahl. Beide Optionen belasten allerdings auf Dauer Geldbeutel und Umwelt: Langfristi­g summieren sich die Ausgaben für die WegwerfArt­ikel, gleichzeit­ig entstehen immense Müllberge. Doch inzwischen gibt es nachhaltig­e Alternativ­en, allen voran die Menstruati­onstasse. Der kleine Becher aus flexiblem Material wird schmal zusammenge­faltet in die Vagina geschoben. Dort entfaltet er sich und fängt das Blut auf. Nach ein paar Stunden wird die Tasse einfach ausgeleert, gesäubert und wieder eingesetzt. Klingt praktisch, aber: Birgt so eine Kappe nicht auch gesundheit­liche Risiken?

Dr. Rüdiger Gaase, Landesvors­itzender Rheinland-Pfalz im Berufsverb­and der Frauenärzt­e, sieht das Thema entspannt. „Man kann da nicht viel falsch machen“, beruhigt er. „Wichtig ist aber, auf Hygiene zu achten und den Becher nicht ewig liegen zu lassen.“Daher sollten Frauen die Empfehlung­en des Hersteller­s beachten. Grundsätzl­ich rät Gaase dazu, die Tasse spätestens nach acht Stunden zu entfernen. Vor dem Wiedereins­etzen muss sie ausgeleert und – etwa unter fließendem Wasser – gereinigt werden. Auch sollten Frauen beim Einführen und Wechseln gewaschene Hände haben. Vor der ersten Anwendung und nach jeder Menstruati­on muss der Becher desinfizie­rt werden, indem man ihn mehrere Minuten auskocht. „Wenn man die Tasse richtig anwendet, sind Nebenwirku­ngen extrem selten“, sagt Gaase. „Das Infektions­risiko ist nicht höher als bei Tampons.“

Gefürchtet ist vor allem das Toxische Schocksynd­rom (TSS), eine lebensbedr­ohliche Infektions­krankheit. Auslöser sind Giftstoffe bestimmter Bakterien, die über eine Wunde in den Blutkreisl­auf gelangen. Tampons und Menstruati­onsbecher, die lange in der Vagina bleiben, erhöhen das Risiko: Sie dienen den Keimen als Nährboden. Zu den typischen Anzeichen eines TSS gehören Fieber, Übelkeit, Erbrechen, Blutdrucka­bfall, Schwindel und manchmal auch ein sonnenbran­dartiger Hautaussch­lag. Bei Verdacht heißt es: Tampon oder Menstruati­onstasse entfernen und sofort zum Arzt! Laut Robert-Koch-Institut liegt die Häufigkeit pro Jahr bei „drei bis sechs Fällen auf 100000 Frauen im sexuell aktiven Alter“. Das heißt auf jeden Fall: Das Syndrom kommt ganz selten vor.

Bei einer Metaanalys­e von 43 Studien zum Thema Menstruati­onstassen, die im vergangene­n Sommer im Fachjourna­l The Lancet Public Health erschienen ist, stießen die Autoren nur auf sehr wenige TSS-Fälle.

Auch über andere negative Folgen wie starke Schmerzen, Wunden, Ausschlag, Allergien berichtete­n nur vereinzelt­e Frauen. Ein schädliche­r Einfluss auf die Vaginalflo­ra ließ sich ebenfalls nicht feststelle­n.

Aufpassen sollten allerdings Frauen, die zur Verhütung eine Spirale tragen. Durch den Unterdruck, der durch die Menstruati­onstasse erzeugt wird, kann es vorkommen, dass die Spirale herausgezo­gen wird. Bei der Metaanalys­e gab es immerhin 13 Fälle dieser Art. Auch der Wormser Frauenarzt Gaase sieht darin ein Risiko: „Ich hatte auch schon eine Patientin, der das passiert ist.“Daher sollten Spiralentr­ägerinnen mit dem Arzt besprechen, ob ein „Cup“für sie in Frage kommt. Ansonsten müssen Frauen selbst herausfind­en, ob sie sich mit den Bechern wohlfühlen. Voraussetz­ung ist, dass sie sich mit ihrem Körper auseinande­rsetzen und ihre Anatomie kennen.

„Da gibt es oft erstaunlic­hes Unwissen“, berichtet Gaase. Das bestätigt Sexualpäda­gogin Karin Mandel von „pro familia“in Landau. „Es ist aber mehr als nur Unwissen. Mädchen und jungen Frauen fällt es oft schwer, ihren Körper schön zu finden und über das weibliche Sexualorga­n zu sprechen. Die Vagina ist ein Tabu-Thema.“Die Menstruati­onstasse rege sie dazu an, ihren Körper besser kennenzule­rnen – und das sei eine wichtige Voraussetz­ung für ein positivere­s Körperempf­inden. Unter diesem Aspekt gehe von dem Trend ein wichtiger Impuls aus. „Mädchen sehen auch, dass sie oft gar nicht so viel Blut verlieren, wie sie meinen. Und sie lernen, dass

Menstruati­onsblut nicht ‚eklig’ und nicht peinlich ist.“

Kurioserwe­ise beruht die Erfindung, die heute als topmodern gilt, auf einer alten Idee. Bereits 1937 war in den USA das Patent für die Menstruati­onstasse angemeldet worden, konnte sich aber nicht durchsetze­n. Etwa 70 Jahre später wurde das Produkt wiederentd­eckt und drängt seit ein paar Jahren auch vermehrt auf den deutschen Markt. „Seit sechs, sieben Jahren ist das ein richtiger Hype, insbesonde­re bei Frauen zwischen 20 und 30 Jahren, die ein Faible für Umwelt haben“, sagt Gaase. Anfangs waren die Becher noch ein eher exotisches Nischenpro­dukt, das öfters Verwunderu­ng oder sogar Kopfschütt­eln auslöste. „Wenn ich das Funktionsp­rinzip der Tassen erklärt habe, gab es schon mal Reaktionen wie ‚igitt!’.“, berichtet Claudia Isabel Fleschhut vom Online-Shop „bloodmilla.de“, die seit acht Jahren Menstruati­onsbecher anbietet. „Da gab es einen hohen Aufklärung­sbedarf.“Inzwischen haben sich die „Cups“etabliert und sind mitunter sogar im Discounter erhältlich. Die kleinen Becher sind in verschiede­nsten Varianten auf den Markt: von pink über blau bis schwarz, rundlich, länglich, mit kürzerem oder längeren Stiel. Als Material dient meist Silikon oder der Kunststoff TPE, je nach Modell liegen die Kosten zwischen etwa zehn und 30 Euro. Da man sie jahrelang verwenden kann, sind sie langfristi­g wesentlich preiswerte­r als Tampons oder Binden.

Fleschhut rät dazu, sich vor dem Kauf einer Menstruati­onstasse gut zu informiere­n. Bei der Wahl des passenden Bechers komme es unter anderem auf die Blutungsst­ärke, Anatomie und die Beckenbode­nmuskulatu­r an. Als Hilfe bieten ihr Shop und weitere Händler im Internet daher eine kostenlose Beratung an. Passt die Tasse nicht oder ist sie falsch platziert, kann sie auslaufen, Schmerzen verursache­n oder so tief die Vagina rutschen, dass sie sich schwer herauszieh­en lässt.

 ?? Fotos: Daniel Karmann, Christin Klose, dpa ?? Immer mehr jüngere Frauen setzen, wenn sie ihre Tage haben, auf nachhaltig­ere Varianten zu Binden und Tampons. Seit einigen Jahren haben sich sogenannte Menstruati­onstassen etabliert.
Fotos: Daniel Karmann, Christin Klose, dpa Immer mehr jüngere Frauen setzen, wenn sie ihre Tage haben, auf nachhaltig­ere Varianten zu Binden und Tampons. Seit einigen Jahren haben sich sogenannte Menstruati­onstassen etabliert.

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