Kopfkino bei Tim Baker
Der kanadische Sänger und Songwriter spielte in der Neuburger Musikschule. Wie er die Zuhörer fantasievoll begeisterte
Neuburg Ob man Neuburg für den Nabel der Welt oder für ein unbedeutendes Provinznest hält, hängt wohl vom Blickwinkel ab und vom dort Erlebten. An manchen Tagen könnte man Neuburg tatsächlich für einen wichtigen Dreh- und Angelpunkt halten – zwischen Hamburg, Wien und Berlin beispielsweise – denn dort gastiert Tim Baker demnächst. „Neuburg, wo um Himmels Willen soll denn das sein?“, fragte sich Sarah aus Ulm, die am Freitagabend Gast in der Musikschule „Più Piano“von Olivia Friemel-Hurley und James Hurley war. Dort trat der kanadische Sänger Tim Baker auf.
Sarah ist Fan des Sängers, auch Kanadierin und arbeitet an der Universität Ulm als Englischdozentin. „Als ich noch in Kanada lebte, waren die Konzerte der Indieband ,Hey Rosetta!’ immer ausverkauft“, erzählt sie. Jetzt kann sie den Frontmann der Gruppe hautnah erleben, Tim Baker ist jetzt alleine unterwegs. Der Songwriter probiert seine neuen Werke aus, dafür gastiert er auch mal in einem Wohnzimmer oder eben bei Più Piano, wo sein Freund James Hurley und seine Frau Olivia normalerweise Klavierunterricht geben. James Hurley und er haben viel Zeit in St. John’s in Neufundland verbracht. Davon handelt auch eines von Bakers Liedern „Spirit“– eine gefühlvolle, poetische Liebeserklärung an das immer kalte und verschneite St. John’s und die Menschen, die dort leben. „I want to dance with you“– unterstützt Tim Baker temperamentvoll am Flügel, mit dem er sich im Laufe des Abends anfreundet – immer öfter entscheidet er sich für die Tasten und gegen die Gitarre. „I came from the forest“, singt er und startet mit jedem neuen Song ein kurzes Kopfkino, das immer von starken Gefühlen handelt und als Kulisse die unendlichen Wälder und Seen Neufundlands erscheinen lässt.
Ein Stimmungsbild voller Sehnsucht ist in einem neuen Lied verarbeitet, das entstand, so erzählt Tim Baker, als er sich längere Zeit in einem fremden Haus aufhielt. Der Abschied von seiner Band animierte ihn wohl zu „Don‘t let me go yet“, Träume von der warmen Westküste. Einen Song über Verzweiflung und Gefühlschaos begleitet er mit starkem Anschlag am Piano – immer das Publikum nachfragend, ob es denn nicht zu laut wäre. Ist es nicht, das Publikum will mehr von den emotionalen Liebesliedern und den fantasievollen Bildern, die er mit den Tasten zaubernd begleitet.
Mit seiner portugiesischen Freundin Nico, die den Abend mit meditativen Liedern einleitete, singt er am Ende noch zweistimmig und nach begeistertem Applaus „Harriet“, einen „Hey Rosetta!“-Song aus früheren Zeiten. Dann ist die Party zu Ende. Und Neuburg wieder Provinznest, oder?