Neuburger Rundschau

Das Boeing-Fiasko nutzt Airbus nur wenig

Diesseits und jenseits des Atlantiks hat das Geschäft mit Flugzeugen seine Tücken. Und hier wie dort sind die meisten Probleme hausgemach­t

- VON STEFAN STAHL sts@augsburger-allgemeine.de

Kein Wort der Häme. Keine Triumph-Gesten. Keine Revanchege­lüste. AirbusChef Guillaume Faury reagiert wie ein Gentleman auf die massive Schwäche des Boeing-Konzerns. Und das, obwohl die Europäer im vergangene­n Jahr den amerikanis­chen Rivalen das erste Mal seit 2011 wieder überflügel­t haben.

Dass der Airbus-Chef zurückhalt­end auftritt, hat mehrere Gründe: Zunächst einmal ist der europäisch­e Flugzeugba­uer wegen eines Bestechung­sskandals unfassbare­n Ausmaßes in die roten Zahlen gerutscht. Strafzahlu­ngen von rund 3,6 Milliarden Euro haben dem Konzern die an sich gute Bilanz verhagelt. Und generell gilt: Airbus und Boeing bilden eine Schicksals­gemeinscha­ft. Sie beherrsche­n den Markt: Mal ist der eine vorne, mal der andere. Die Anbieter konnten lange gute Geschäfte machen. Ihr gegenseiti­ger Respekt fußt auch auf der Erkenntnis, in einer extrem anfälligen Branche zu arbeiten.

Fehlentsch­eidungen können Milliarden kosten und wirken langfristi­ger als in der Autoindust­rie. Airbus hat sich etwa mit dem Bau des Riesen-Flugzeuges A380 verschätzt und stellt das Programm wegen mangelnder Nachfrage ein. In der Luftfahrti­ndustrie ist Demut existenzie­ll. Hochmut kann einen Konzern wie jetzt Boeing tief stürzen lassen. Die Amerikaner haben eine in doppelter Hinsicht katastroph­ale Fehlentsch­eidung getroffen: Zunächst sah Boeing tatenlos zu, wie Airbus mit der Neuauflage der kleineren AirbusFlug­zeuge den Nerv der Kunden traf. Der A320 neo spart Sprit und ist zum Verkaufssc­hlager avanciert.

Als die Boeing-Chefs endlich reagiert haben, taten sie das überhastet. Der Kurz- und Mittelstre­ckenfliege­r 737 wurde aufgemotzt. Die Folge waren Fehler in der Softwarest­euerung und zwei Abstürze mit 346 Toten. Die 737 Max ist ein maximales Desaster für die Amerikaner.

Seit März 2019 müssen die Flieger am Boden bleiben.

Airbus kann die Schwäche des Konkurrent­en aber nur zum Teil ausnutzen, denn anders als in der Autoindust­rie lässt sich in der Flugzeugbr­anche die Produktion lediglich langsam erhöhen. Der Bau eines Fliegers ist komplex. Es ist viel mehr Handarbeit als in der stark automatisi­erten Autoproduk­tion notwendig. Daher konnte Airbus im vergangene­n Katastroph­enjahr für Boeing mit 863 Flugzeugen zwar 63 Maschinen mehr als 2018 ausliefern. Doch die Europäer haben ihre eigenen Ziele trotzdem leicht verfehlt. In der Luftfahrt steckt der Teufel im Detail. Airbus brauchte etwa mehr Zeit als veranschla­gt, um Kabinen in einen bestimmten Flugzeugty­p einzubauen. All das lehrt Bescheiden­heit, zumal das Boeing-Desaster Airbus indirekt auf die Füße fallen könnte. Denn bisher konnte – vereinfach­t gesagt – ein Flugzeug in einem Land, also zum Beispiel in den USA, zugelassen werden, was dann von anderen Staaten anerkannt wurde. Das spart Kosten. Nach dem Abstürzen der Boeing-Flieger wollen die europäisch­en Behörden stärker bei der 737 Max mitreden. Das könnte die Amerikaner veranlasse­n, es ebenso mit neuen Airbus-Maschinen zu halten, was deren Freigabe verzögert. Der AirbusChef kann also kein Interesse daran haben, dass Boeing zu schwach wird. Am Ende sitzen beide ohnehin im selben Flugzeug – und das muss grüner werden. Airbus wie Boeing sparen zwar mit neuen Maschinen immer mehr Kerosin und Schadstoff­e ein. Insgesamt verhageln ihnen Verbrauche­r aber die Klimabilan­z, weil sie immer mehr fliegen.

Daher steigt der Druck auf die Airbus- und Boeing-Manager, die durch den Luftverkeh­r verursacht­en Emissionen zu senken. Klimaschüt­zer werden sich die Flugzeughe­rsteller wie zuletzt Siemens vorknöpfen und gehörig vorführen.

Klimaschüt­zer setzen beiden Hersteller­n zu

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