Neuburger Rundschau

„Entweder Ramelow oder Neuwahlen“

Linken-Chef Bernd Riexinger über das Dilemma der CDU in Thüringen und den Umgang mit der AfD. Warum er noch nicht an eine Regierungs­beteiligun­g seiner Partei in Berlin glaubt und wie er den Klimaschut­z bezahlen will

- Interview: Christian Grimm

Herr Riexinger, der Tabubruch von Thüringen erschütter­t die gesamte Republik. Doch eine Lösung der Blockade in Erfurt ist nicht in Sicht. Sowohl Union als auch FDP wollen trotz des Fiaskos um Kemmerich nach wie vor Bodo Ramelow nicht unterstütz­en. Können Sie das irgendwie verstehen? Bernd Riexinger: Das kann ich überhaupt nicht verstehen. Inzwischen ist doch klar, dass das abgesproch­en war, was da in Thüringen passiert ist. Es ist auch klar, dass das ein Tabubruch war. Es reicht aber nicht aus, sich davon zu distanzier­en, sondern man muss ja auch Lösungen vorschlage­n. Für die CDU gibt es nur zwei Möglichkei­ten. Entweder sie ist bereit, Ramelow mitzuwähle­n. Oder sie stimmt zu, dass es Neuwahlen gibt. Aber dass man keines von beiden macht, hieße, dass man einen regierungs­losen Schwebezus­tand als Dauerzusta­nd einrichtet.

FDP-Chef Christian Lindner hat eine Übergangsr­egierung ins Spiel gebracht, die der Präsident des Thüringer Verfassung­sgerichts leiten soll. Einzige Aufgabe wäre, Neuwahlen einzuleite­n. Macht die Linke mit? Riexinger: Das ist doch absurd. Lindner versucht, davon abzulenken, dass er keine klare Haltung zur AfD hatte. Jetzt will er in die Offensive kommen, dabei hätte er zurücktret­en müssen. Bodo Ramelow als Wahlsieger hat einen klaren Regierungs­auftrag. Dieses Ergebnis jetzt ignorieren zu wollen, scheint mir unter dem Motto zu laufen: Haltet den Dieb. Das können wir auf keinen Fall mitmachen.

Bodo Ramelow hat ja schon gesagt, dass er auch bereit ist für Neuwahlen. Warum diese nicht gleich einleiten, die Umfragen sehen doch gut für ihn aus ... Riexinger: Dazu braucht man aber auch die CDU, sonst müsste man es mit der AfD machen. Das kann nicht der richtige Weg sein. Wenn die CDU nicht für Ramelow ist, dann muss sie für Neuwahlen sein. Die Abgeordnet­en der CDU haben natürlich Angst, ihr Mandat zu verlieren. Aber in diese Situation haben sie sich selbst gebracht. Da müssen sie durch.

War es von Ramelow nicht leichtfert­ig, sich ohne sichere Mehrheit der Wahl im Landtag zu stellen?

Riexinger: Er hatte ja keine Alternativ­e. Alle haben erklärt, sie regieren nicht mit der AfD und der Linken. Eine Minderheit­sregierung war die einzige Option. Ramelow war ernsthaft schockiert, als der FDP-Mann mit den Stimmen von CDU und AfD zum Ministerpr­äsidenten gewählt wurde. Das hatte sich niemand vorstellen können, wie die heftigen Reaktionen auf der Bundeseben­e auch bei CDU und FDP zeigen.

Union und FDP schwören jetzt Stein und Bein, niemals mit der AfD gemeinsame Sache zu machen. Für wie fest halten Sie diesen Schwur? Riexinger: Die CDU bekommt einen heftigen Richtungsk­ampf. In Sachsen-Anhalt würde vielleicht die Hälfte der CDU mit der AfD kooperiere­n. Selbst in Baden-Württember­g gibt es CDU-Landtagsab­geordnete, die ihr Unverständ­nis äußern, warum man sich nicht von der AfD mitwählen lassen darf. Die CDU hat natürlich noch ein weiteres Problem: Die wissen nicht, was nach Merkel folgen soll.

Müsste Ihre Partei nicht auch Brücken bauen, damit es der CDU leichter fällt, sich der Linken zur öffnen? Es gibt ja bei Ihnen Gruppierun­gen, die kommunisti­sche Regime in Venezuela und Kuba unterstütz­en. Auch bei der

Aufarbeitu­ng des SED-Regimes sehen Kritiker noch viel Unerledigt­es … Riexinger: Nein, die Linke hat ein klares Programm. Die Linke hat sich auch mit der Geschichte der SED auseinande­rgesetzt. Für uns ist heute klar: Es gibt keinen Sozialismu­s ohne Demokratie. Es gibt keinen Sozialismu­s ohne Presse- und Meinungsfr­eiheit. Was ich aber auch nicht will, ist, dass wir eine Anpassung an die Mitte machen. Wir ändern uns nicht, um von den anderen Anerkennun­g zu bekommen. Die CDU ist ein politische­r Gegner. Aber das ist etwas anderes, als dass man nicht mehr im demokratis­chen Feld steht. Dass die CDU uns mit der AfD, die die Demokratie abschaffen will und sich der faschistis­chen Sprache bedient, in ein Boot steckt, ist absurd.

Der Dammbruch von Erfurt hat auch die Große Koalition schwer in Mitleidens­chaft gezogen. Wären Neuwahlen im Bund nicht der richtige Weg? Riexinger: Die Große Koalition hat kein gemeinsame­s Projekt für die

Lösung der zentralen Probleme in unserem Land. Deshalb wäre es nur konsequent, die Große Koalition zu beenden. Ich glaube nur noch nicht daran. Weder die CDU noch die SPD haben ein Interesse, die Koalition aufzulösen. Ich gehe davon aus, dass sie sich durchquäle­n.

Wollen Sie nach drei Jahrzehnte­n in der Opposition in die Regierung? Riexinger: Wir haben immer gesagt, dass wir bereitsteh­en, uns an der Regierung zu beteiligen, wenn linke Politik gemacht werden kann. Übrigens sehe ich die größten Probleme für ein rot-rot-grünes Bündnis bei den Grünen. Die Grünen halten sich alle Richtungen offen und koalieren am Ende vielleicht lieber mit der CDU. Bei der SPD sind die Schnittmen­gen durch die neuen Vorsitzend­en größer geworden.

Wie kann Deutschlan­d seine Wirtschaft umbauen, sodass wir einerseits das Klima schützen und gleichzeit­ig die Leute weiter gute Arbeit haben? Riexinger: Wir wollen einen sozialökol­ogischen Wandel gestalten. Klar ist, der CO2-Ausstoß muss runter. Klar ist auch, es wird keinen guten Klimaschut­z geben ohne soziale Gerechtigk­eit. Es gibt aber auch keine soziale Gerechtigk­eit ohne Klimaschut­z, weil unter dem Klimawande­l am meisten die leiden, die die geringsten Einkommen haben. Der Ansatz der Linken ist: Niemand soll gezwungen sein, zwischen seinem Arbeitspla­tz und der Zukunft seiner Kinder zu entscheide­n. Wir müssen für Arbeitsplä­tze in anderen Bereichen sorgen, wenn zum Beispiel in den Kohlekraft­werken oder der Autoindust­rie Jobs wegfallen.

Wie wollen Sie das konkret gestalten? Riexinger: Am deutlichst­en wird es bei der Verkehrswe­nde. Wir müssen die Automobili­ndustrie umbauen zu Mobilitäts­konzernen. Wir brauchen intelligen­te Verbindung­en zwischen Individual­verkehr und Personenna­hverkehr. Wir wollen ja den öffentlich­en Nahverkehr massiv ausweiten. Erst wenn das Angebot da ist, werden die Leute umsteigen. Aber auch in der Pflege, in Schulen und Kindergärt­en fehlen hunderttau­sende Stellen. Diese Berufe müssen wir viel attraktive­r machen.

Wer soll das bezahlen?

Riexinger: Für uns als Linke ist die Umverteilu­ng zentral. Konkret sind wir für die Einführung einer Vermögenst­euer von fünf Prozent. Für Privatleut­e soll sie für alle Vermögen oberhalb von einer Million Euro greifen, bei Betriebsve­rmögen über fünf Millionen. Mit dieser Schwelle würden 80 Prozent der Klein- und Mittelstän­dler nicht belastet. Außerdem wollen wir die Steuern für Reiche deutlich anheben.

Was heißt Klimaschut­z für die Autoindust­rie? Gerade verdient sie am meisten Geld mit schweren SUVs … Riexinger: So können wir nicht weitermach­en in der Autoindust­rie. Langfristi­g sichert es mehr Arbeitsplä­tze, wenn wir frühzeitig umsteuern und in neue Konzepte investiere­n. Dafür muss der Staat aber klare Vorgaben machen, das machen die Konzerne nicht von selbst, solange sie mit SUVs weiter Geld verdienen können.

● Bernd Riexinger, 64, steht seit acht Jahren mit Katja Kipping an der Spitze der Linksparte­i. Der gelernte Bankkaufma­nn stammt aus der Nähe von Stuttgart und kommt aus der Gewerkscha­ftsbewegun­g. Er war Mitinitiat­or des Protests gegen die Einführung von Hartz IV.

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Foto: Bernd Riexinger erwartet keine vorgezogen­en Bundestags­wahlen: „Ich gehe davon aus, dass sie sich durchquäle­n“, sagt er über Union und SPD in der Merkel-Regierung.

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