Neuburger Rundschau

Friedrich Merz macht unnötig Hektik

Das Rennen ist eröffnet: Der erste Bewerber für den CDU-Chefsessel hat sich schon in Position gebracht. Warum er damit eine Chance verschenkt und was das für seine Konkurrent­en bedeutet

- VON STEFAN LANGE lan@augsburger-allgemeine.de

Da hat Friedrich Merz genau das bekommen, was er haben wollte: Aufmerksam­keit, viel Aufmerksam­keit. Aus seinem „engsten Umfeld“verlautete, der CDUPolitik­er wolle für den Parteivors­itz kandidiere­n. Nun ist Merz vor allem Privatmens­ch und sein „Umfeld“dürfte deutlich kleiner sein als beispielsw­eise das von Annegret Kramp-Karrenbaue­r, der er im Amt nachfolgen will. Die Chancen stehen dementspre­chend ganz gut, dass Merz es selber war, der seine Angriffspl­äne lancierte. Das ist ihm nicht vorzuwerfe­n, er folgt damit lediglich den Leitplanke­n des politische­n und medialen Geschäfts.

Der ehemalige Unions-Fraktionsc­hef und Hoffnungst­räger der Konservati­ven muss sich aber vorhalten lassen, dass er seine Kandidatur dann nicht gleich komplett durchzieht. Richtig wäre es gewesen, am Tag danach eine Pressekonf­erenz abzuhalten und sich der Öffentlich­keit zu erklären. Aber nichts dergleiche­n geschah. Nach der Ankündigun­g ruderte Merz sogar eher wieder zurück, mahnte, es gebe überhaupt keinen Grund, Hektik ins Verfahren zu bringen. Und das, nachdem er – beziehungs­weise sein „engstes Umfeld“– gerade genau diese Hektik ausgelöst hatte. Mit diesem Vorgehen setzt Merz außerdem mögliche Herausford­erer unter Druck. Dem nordrhein-westfälisc­hen Ministerpr­äsidenten Armin Laschet werden Ambitionen auf CDU-Vorsitz und die Kanzlerkan­didatur nachgesagt, auch Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn will noch nach ganz oben. Bisher halten sich beide maximal diplomatis­ch zurück. Nur wie lange geht das jetzt noch, da Merz vorgepresc­ht ist und alle darauf warten, wer es mit ihm aufnimmt.

Wer zu lange wartet, gilt schnell als Zauderer. Wer sich zu früh aus der Deckung wagt, sieht sich dem Verdacht ausgesetzt, es zu sehr zu wollen.

Da alle drei potenziell­en Kandidaten der CDU Nordrhein-Westfalens angehören, wäre es doch nicht zu viel verlangt gewesen, wenn sich das Trio vorher abgesproch­en und gemeinsam vor die Kameras getreten wäre. Beim Wahlvolk und den CDU-Mitglieder­n hätte das jedenfalls als vertrauens­bildende Maßnahme gewirkt. Stattdesse­n bringt Merz auch an dieser Stelle völlig unnötig Unruhe in die politische Landschaft, und das zu einer Zeit, in der das Gegenteil dringend erforderli­ch wäre. Nach den Vorgängen in Thüringen ist das Vertrauen in „die da oben“nämlich massiv erschütter­t. Nicht nur im Osten der Republik hält sich hartnäckig die Meinung, Regierung wie Volksparte­ien würden sich ein ordentlich herbeigefü­hrtes Wahlergebn­is so lange zurechtbie­gen, bis es ihnen passt.

Es steht gerade viel auf dem Spiel. Die Demokratie und unser Parteiensy­stem sind Belastunge­n und Angriffen ausgesetzt, die vor wenigen Wochen noch undenkbar erschienen. Spitzenpol­itiker müssen sich in einer solchen Situation am Riemen reißen, müssen Vorbild sein und Seriosität ausstrahle­n. Vor allem, wenn sie mal CDUVorsitz­ender und Kanzler werden wollen.

 ?? Foto: Christian Charisius, dpa ?? Friedrich Merz will CDU-Kanzlerkan­didat werden – heißt es aus seinem „engsten Umfeld“.
Foto: Christian Charisius, dpa Friedrich Merz will CDU-Kanzlerkan­didat werden – heißt es aus seinem „engsten Umfeld“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany