Neuburger Rundschau

Die vier Schritte zum perfekten Espresso

Welche Bohnen eignen sich am besten? Wie entsteht eine schöne Crema – und können Vollautoma­ten überzeugen? Der Augsburger Kaffeeröst­er Hubert Baum verrät seine Geheimtipp­s für die Zubereitun­g

- VON TANJA FERRARI

Augsburg Hubert Baum steht vor einer großen Maschine. Geübt zieht er an einem der Hebel. Unter lautem Rauschen fallen hunderte frisch geröstete Kaffeebohn­en in einen großen Auffangbeh­älter. Es dampft. Der typische Kaffeegeru­ch ist allerdings nicht zu riechen. In der Luft liegt ein feines Röstaroma. Baum erklärt: „Viele wissen nicht, dass sich der Geruch erst beim Brühvorgan­g richtig entfaltet.“Dass der Kaffee in den Supermarkt­regalen bereits mit seinem verführeri­schen Duft lockt, hat einen Grund: „In der Industrie wird nach dem Röstvorgan­g zum Kühlen Wasser auf die heißen Bohnen gegeben“, sagt er. Dadurch werde der erste Extraktion­sprozess eingeleite­t und die Aromen freigesetz­t. Ein Trick, der außerdem Einfluss auf das Gewicht der Kaffeebohn­en hat und ihnen ihren klassische­n Glanz verleiht. In der Kaffeeröst­erei von Helmut Baum gibt es diesen Prozess nicht. Das Kultgeträn­k der Italiener – den aromatisch kräftigen Espresso – schon.

Wer beim Kaffeegenu­ss nach Perfektion strebt, kann sich an gewissen Regeln orientiere­n, weiß Baum. „Bei den Italienern, wo der Espresso quasi das Nationalge­tränk ist, haben sich die vier M’s als Richtlinie für die Zubereitun­g etabliert“, sagt er. Stimmen Mischung, Mahlung, Maschine und Mensch, dann gelinge der Kaffee mit großer Wahrschein­lichkeit. Beim italienisc­hen INEI, Istituto Nazionale Espresso Italiano, wird es sogar noch konkreter: Für den perfekten Espresso sollen 20 bis 30 Milliliter Wasser mit einer Temperatur von 86 bis 90 Grad Celsius unter einem Druck von acht bis zehn Bar in 20 bis 30 Sekunden durch 6,5 bis 7,5 Gramm Pulver gedrückt werden. So viel zur Theorie – doch wie sieht es in der Praxis aus?

1 Mischung Ohne gute Bohnen kein guter Espresso, erklärt Kaffeeexpe­rte Baum. Sie sollten möglichst frisch geröstet sein – nicht älter als sechs Wochen. Damit die Aromen am besten zur Geltung kämen, sollte das Rösten zehn Tage zurücklieg­en. In Italien, sagt der Experte, würde oft eine Mischung aus RobustaBoh­nen mit etwas Arabica verwendet werden. Baum erklärt: „Über viele Jahre ist die Arabica-Bohne ihrer Aromen wegen bevorzugt worden – und bei mir ist sie noch heute die erste Wahl.“Die im Wachstum deutlich widerstand­sfähigere Robusta-Bohne werde inzwischen aber immer beliebter. „Weil sie weniger Kaffeefett hat, bekommt man mit ihr eine sehr schöne und stabile Crema hin“, verrät er. Die ist für den Espresso besonders wichtig. Der haselnussb­raune Schaum bestehe aus Kohlensäur­ebläschen und biete einen Aromaschut­z. „Eine gute Crema sollte mindestens zwei Minuten auf dem Espresso bleiben“, informiert der Experte.

Generell habe die Bohne den größten Einfluss auf den Geschmack eines Kaffees: Von zartbitter bis hin Zimtnote gibt es die verschiede­nsten Aromen. Gleiches gilt für die Röstung. Je weiter es in den Süden gehe, desto dunkler werde die Kaffeebohn­e beispielsw­eise geröstet. Baum erklärt: „Bei Kaffee ist es wie bei Wein – es gibt viele verschiede­ne Varietäten und Sorten.“

2 Mahlung Bohnen allein reichen für den perfekten Espresso allerdings nicht aus. Der richtige Mahlgrad spielt ebenfalls eine Rolle. Möglichst fein, aber nicht zu fein sollte das Pulver sein. „Jede Mühle ist anders“, sagt Baum. Eine Stufe, die bei der einen Mühle perfekt ist, kann bei einer anderen zu grob sein. „Dann schmeckt der Espresso fad“, sagt er. Dass alle Kaffeebohn­en beim Zermahlen gleich groß brechen, komme nur selten vor. Während die Durchlaufz­eit, der Wasserdruc­k und die Temperatur exakt eingestell­t werden könnten, gehe das bei den Bohnen nicht. „Der Mahlgrad ist die größte Unbekannte in der Zubereitun­g“, informiert er.

Inzwischen füllt Baum einige frisch geröstete Kaffeebohn­en in ein Sieb und hält es unter die Mühle auf seinem Tisch. Anschließe­nd drückt er das frisch gemahlene Pulver rouzur tiniert mit einem großen Stempel, dem Tamper, mit einer leichten Drehung fest. „Je fester der Kaffee angedrückt wird, desto langsamer läuft anschließe­nd das Wasser durch“, sagt er. Inzwischen gebe es sogar Tamper, die mit einer digitalen Anzeige ausgestatt­et seien und genau angeben würden, wie viel Gewicht auf das Pulver ausgeübt werde. Bei der Menge könne nicht viel falsch gemacht werden. „In ein Sieb passen acht Gramm“, sagt er.

3 Maschine Ob sich neben einer klassische­n Siebträger­maschine auch ein Vollautoma­t dazu eignet, einen guten Espresso zu brühen, sieht Baum kritisch. Er sagt: „Oft sind die eingebaute­n Mühlen nicht gut genug.“Außerdem könnten viele Variablen nicht manuell angepasst werden. Werde beispielsw­eise die Temperatur gesenkt, betone das die Säure des Kaffees. „Dann schmeckt er für mich viel zu sauer“, erklärt der Fachmann. Um die Kombinatio­n aus Einstellun­gen zu erreichen, die den persönlich­en Geschmack trifft, müsse daher einfach viel ausprobier­t werden.

4 Mensch Am wichtigste­n ist aber der Zubereiter, weiß Baum. Ob ein Espresso schmeckt, habe viel mit den Geschmacks­vorlieben und -sinnen des jeweiligen Kaffeetrin­kers zu tun. Das könne auch sehr stark von der Stimmung abhängen. Wer sich ausschließ­lich an die Vorgaben des Lehrbuchs halte, erhalte nicht zwangsläuf­ig einen perfekten Espresso.

Kürzlich hat ein Forscherte­am im Fachmagazi­n Matter einen Weg vorgestell­t, wie es gelingen könnte, die Zubereitun­g zu vereinheit­lichen. Das Forscherte­am errechnete, mit welchem Druck sich das Wasser durchs Kaffeebett bewegen solle, wie fein die Bohnen gemahlen werden und wie viel Pulver verwendet werden muss. Vor allem Zeit und Rohstoffe wollte die Wissenscha­ftsgruppe aus Chemikern, Mathematik­ern, Physikern und Materialwi­ssenschaft­lern, die 2015 mit ihrer Studie startete, einsparen. Gleichzeit­ig sollte auch der Abfall bei der Espresso-Zubereitun­g reduziert werden.

Doch Hubert Baum ist skeptisch, dass es gelingen kann, die Zubereitun­g komplett zu standardis­ieren. Jeder Kaffee ist verschiede­n und hat sein ganz eigenes Röstprofil. Wenige Sekunden länger in der Maschine – oder eine minimale Temperatur­abweichung – und die Bohnen schmecken komplett anders. Den perfekten Geschmack zu treffen, ist auch beim fein-herben Espresso eine Kunst für sich, weiß Baum.

„Jeder Mensch hat andere Vorstellun­gen“, gibt er zu bedenken. „Kaffee ist immer auch Leidenscha­ft“, verrät Baum. Wichtig sei es, auf Kleinigkei­ten zu achten. „Die Tasse sollte immer vorgewärmt sein – nicht zu heiß, auf keinen Fall kalt“, sagt Baum. Eine vorgewärmt­e Tasse würde nicht nur der Crema auf dem Kaffee helfen, sondern den Espresso vor dem raschen Auskühlen bewahren.

 ?? Fotos: Ulrich Wagner ?? Hubert Baum röstet in Augsburg Kaffeebohn­en. Für einen guten Geschmack kommt es seines Erachtens auf die richtige Mischung von Bohnen an, auf die Mahlung des Kaffees und natürlich auf die Maschine.
Fotos: Ulrich Wagner Hubert Baum röstet in Augsburg Kaffeebohn­en. Für einen guten Geschmack kommt es seines Erachtens auf die richtige Mischung von Bohnen an, auf die Mahlung des Kaffees und natürlich auf die Maschine.
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