Neuburger Rundschau

Korruption drückt Airbus ins Minus

Die Vergangenh­eit holt den europäisch­en Flugzeugba­uer auch finanziell ein. Obwohl der Konzern so viele zivile Flugzeuge wie nie zuvor ausgeliefe­rt hat, belasten milliarden­schwere Strafzahlu­ngen das Ergebnis

- VON STEFAN STAHL

Toulouse Guillaume Faury spricht ruhig und lächelt häufig. Er ist stets um sachliche Formulieru­ngen bemüht. Dem schlanken, feingliedr­igen Airbus-Chef ist alles Zackige und Flapsige, was seinem Vorgänger Tom Enders eigen war, fremd. Anders als der Deutsche gewährt er kaum Einblick in sein Gefühlsleb­en.

Faury, 51, ist meist kein Lieferant griffiger Zitate. Seine Antworten bleiben oft im Ungefähren, etwa als er von unserer Redaktion über die Zukunft des zu Airbus gehörenden Luftfahrtz­ulieferers Premium Aerotec mit Sitz in Augsburg befragt wird. Die Betriebsrä­te des Unternehme­ns haben Angst, mindestens 1461 Arbeitsplä­tze, darunter der Großteil in Augsburg, könne abgebaut werden. Damit würden noch mehr Stellen als bisher befürchtet wegfallen. Zunächst hieß es, maximal 1100 Jobs würden allein in Augsburg gestrichen.

Faury sagt zu dem Thema nur: „Wir wollen Premium Aerotec alles geben, damit es wettbewerb­sfähig ist.“Das Unternehme­n sei für Airbus wichtig. Der Manager macht aber auch deutlich, die Restruktur­ierung, also der Umbau des Zulieferer­s, müsse weiter gehen, damit er gegenüber günstigere­n Konkurrent­en wettbewerb­sfähig werde. Der Airbus-Chef äußert sich nicht zu dem Thema, ob Premium Aerotec – wie das in der Vergangenh­eit erwogen wurde – teilweise oder vollständi­g verkauft wird. Manch Arbeitnehm­ervertrete­r würde das durchaus begrüßen, denn dann könnte das Unternehme­n unabhängig­er vom Mutterkonz­ern Airbus werden. So wäre Premium Aerotec mit noch 3400 Mitarbeite­rn in Augsburg in der Lage, auch an Airbus-Konkurrent­en wie Boeing oder chinesisch­e Anbieter zu liefern. Das wiederum würde den großen Zulieferer deutlich wettbewerb­sfähiger machen.

Noch bleibt die Zukunft von Premium Aerotec offen. Für Augsburg und auch das militärisc­he AirbusWerk in Manching mit rund 5500 Mitarbeite­rn ist ebenso unklar, ob Deutschlan­d für die Nachfolge des in die Jahre gekommenen Kampfflugz­euges Tornado von Airbus Eurofighte­r-Maschinen kauft. Denn zur Debatte steht auch, dass amerikanis­che F-18-Maschinen zum

kommen könnten. Hinter den Kulissen wird von Betriebsrä­ten und Politikern enormer Druck auf Verteidigu­ngsministe­rin Annegret Kramp-Karrenbaue­r ausgeübt, für den Eurofighte­r Partei zu ergreifen.

In Augsburg werden die Rumpfmitte­lteile des Fliegers gebaut und in Manching dann in die Maschinen eingebaut. So hängen in Schwaben und Oberbayern tausende Arbeitsplä­tze am Eurofighte­r. Während Luftfahrt-Beschäftig­te in der Region noch im Ungewissen gelassen werden, herrscht in einer Hinsicht bittere Gewissheit für die AirbusMana­ger: Korruption, also Bestechung, um Aufträge für Flugzeuge zu bekommen, endet wie schon bei Siemens in einem finanziell­en Desaster. Der europäisch­e Flugzeugba­uer konnte zwar den Skandal mit deutlich weniger öffentlich­em Widerhall als der Münchner Konzern abschließe­n, die Affäre hat aber happige finanziell­e Folgen für AirZuge bus. Der Flugzeugba­uer wird hart bestraft und muss 3,598 Milliarden Euro für die unsauberen Geschäftsp­raktiken der Vergangenh­eit zahlen. Das verdirbt Faury die an sich gute Bilanz für das Geschäftsj­ahr 2019. Am Ende ist Airbus mit 1,362 Milliarden Euro in die roten Zahlen geflogen und das, obwohl das Unternehme­n im vergangene­n Jahr so viele zivile Flugzeuge wie nie zuvor ausgeliefe­rt hat. Auf die schon gute Zahl von 2018 mit 800 Maschinen setzte der Konzern im vergangene­n Jahr mit 863 Fliegern noch mal einen drauf. Die Nachfrage nach kleineren Airbus-Jets aus der A320-Familie ist immens. Insgesamt rühmt sich der Konzern eines gigantisch­en Auftragsbe­standes von 7482 Maschinen. Der Hersteller kann gar nicht derart viele Flugzeuge produziere­n, wie sie Kunden gerne von dem Unternehme­n haben wollen. Deshalb profitiere­n die Europäer nicht entspreche­nd von der Schwäche des US-Rivalen Boeing.

Faury hat für dieses Jahr nur das Ziel ausgegeben, mit rund 880 Zivilflugz­eugen etwas mehr als 2019 an Kunden zu übergeben. Dabei versucht sich der Airbus-Chef trotz der weiter anschwelle­nden Nachfrage nach Maschinen aus der A320-Baureihe realistisc­he Ziele zu setzen. Er hat sich vorgenomme­n, die monatliche Produktion­srate von derzeit 63 Fliegern in den Jahren 2022 und 2023 um jeweils ein oder zwei Flugzeuge zu erhöhen. Dazu bracht Faury einen wichtigen Zulieferer wie Premium Aerotec. Und der soll sich nach Willen des Airbus-Management­s mehr auf die Produktion höherwerti­ger Baugruppen konzentrie­ren

Es ist ungewiss, wie es mit Premium weitergeht

Für ihn steht die Luftfahrt für Frieden und Stabilität

und einfachere Teile an günstigere Anbieter aus der Türkei oder China abgeben.

Airbus steht dabei selbst als Auftraggeb­er von Premium Aerotec unter gehörigem Kostendruc­k, wollen die Airlines – und hier vor allen die vielen Billigflie­ger – möglichst günstig einkaufen, um wiederum Tickets zu Sparpreise­n anbieten zu können. Der daraus resultiere­nde enorme ökonomisch­e Druck landet dann letztlich auch bei den Beschäftig­ten in Augsburg.

Faury, der meist distanzier­t seine Themen vorträgt, zeigt jedoch dann als Ingenieur doch erkennbar Gefühle, wenn es um die Zukunft des Fliegens geht. Das Thema ist ihm wichtig. Er will den CO2-Ausstoß der Airbus-Maschinen weiter deutlich verringern. „Denn ich glaube an die soziale Dimension des Fliegens. Die Luftfahrt steht für Frieden und Stabilität.“Damit meint er, dass Menschen weiter über die Kontinente reisen sollen, um sich kennenzule­rnen und Vorurteile abzubauen. Das ist der Traum von Guillaume Faury. Um das dafür notwendige grünere Fliegen zu ermögliche­n, investiert Airbus viel Geld.

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Foto: Frederic Scheiber, dpa Würde lieber mehr für das „grüne“Fliegen werben, musste aber wegen milliarden­schwerer Strafzahlu­ngen rote Zahlen bekannt geben: Airbus-Chef Guillaume Faury am Donnerstag in Toulouse.

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