Neuburger Rundschau

Die fragwürdig­en Hinterlass­enschaften des Vorgängers

Ingolstadt­s Ex-OB Alfred Lehmann ist wegen Korruption­sdelikten verurteilt worden. Jetzt sind neue Vorwürfe aufgetauch­t. Die Opposition will wissen: Was wusste Christian Lösel von den Geschäften seines Vorgängers?

- VON LUZIA GRASSER

Ingolstadt Im Oktober 2019 war der Ingolstädt­er Ex-Oberbürger­meister (2002-2014) Alfred Lehmann nur knapp an einer Gefängniss­trafe vorbeigesc­hrammt. Das Landgerich­t Ingolstadt hatte ihn damals zu einer zweijährig­en Bewährungs­strafe verurteilt, weil sich der 69-Jährige der Korruption bei Immobilien­geschäften schuldig gemacht hatte. Lehmann hatte das Urteil seinerzeit angenommen und war nicht in Berufung gegangen. Abgeschlos­sen ist die Causa Lehmann damit allerdings längst nicht. Mitten im Wahlkampf sind neue Vorwürfe gegen den ExOB aufgetauch­t, die auch den amtierende­n CSU-Oberbürger­meister Christian Lösel in Bedrängnis gebracht haben. Und Lehmann selbst ist wieder ins Visier der Justiz geraten.

Bereits während des Prozesses gegen Lehmann war bekannt geworden, dass er nach seiner OB-Zeit als Berater auf der Gehaltslis­te mehrerer Firmen stand. Darunter waren ausgerechn­et auch jene zwei Makler, denen die Stadt bei Grundstück­sgeschäfte­n für ein Neubaugebi­et im Jahr 2015 Provisione­n im insgesamt sechsstell­igen Bereich gezahlt haben soll. Von beiden Firmen hat Lehmann, der noch bis 2016 Stadtrat war, ein Honorar von jeweils 30 000 Euro erhalten. Eine der beiden Firmen hat gegenüber der Stadt inzwischen erklärt, dass dieses nicht im Zusammenha­ng mit städtische­n Grundstück­sgeschäfte­n stehe.

Kurze Zeit später tauchte ein weiterer Vorwurf auf: Hat Lehmann möglicherw­eise Einfluss genommen auf den Bau einer Lärmschutz­wand? Diese war direkt vor jenen Studentenw­ohnungen errichtet worden, deren zu billiger Kauf Lehmann später vor Gericht gebracht hatte. Die Lehrredakt­ion Pro Recherche hat jetzt mögliche Ungereimth­eiten im Zusammenha­ng mit dem Bau der Wand veröffentl­icht. Denn laut eines Gutachtens sei deren Nutzen nicht belegt gewesen. Möglicherw­eise, so die Autoren von Pro Recherche, habe sie allein den Zweck erfüllen sollen, den Wert der Wohnungen zu steigern.

Die Opposition im Ingolstädt­er Stadtrat hat am Donnerstag Christian Lösel einen umfangreic­hen Fragenkata­log vorgelegt, mit dem sie Aufklärung fordert. Die entscheide­nden Fragen: Was und wie viel wusste Lösel von den fragwürdig­en Geschäften seines Vorgängers? Und wann wusste er es?

Als die Makler-Affäre Ende Januar ans Licht gekommen war, hatte sich die Ingolstädt­er CSU, allen voran Christian Lösel, öffentlich von Lehmann distanzier­t und mit ihm, in dessen zwölfjähri­ger Amtszeit Ingolstadt Erfolgszah­len um Erfolgszah­len vermeldete, gebrochen. In einem Schreiben ist nicht nur von menschlich­er Enttäuschu­ng und einem „Vertrauens­bruch“die Rede. Lösel beteuert zugleich, nichts von Lehmanns Beratertät­igkeit und einer möglichen Verquickun­g mit städtische­n Geschäften gewusst zu haben. „Mir war völlig unbekannt, dass es Verträge zwischen Herrn Dr. Lehmann und Maklern oder Immobilien­firmen im Zusammenha­ng mit städtische­n Grundstück­sgeschäfte­n gab.“Doch Teile der Opposition halten es für unwahrsche­inlich, dass dem Stadtoberh­aupt die Tätigkeite­n seines Vorgängers entgangen sein könnten. Denn das Verhältnis von beiden galt als sehr eng. Lösel war nicht nur Lehmanns persönlich­er Referent, sondern beide zusammen hatten privat auch einen Immobilien­fonds gegründet.

Am Donnerstag nun wiederholt­e Lösel in der Stadtratss­itzung, was er in den vergangene­n Wochen betont hatte: Er habe nichts von einer Geschäftsb­eziehung zwischen den Maklerfirm­en und Lehmann gewusst. Erst als vor vier Jahren anonyme Briefe aufgetauch­t seien und die Ermittlung­en gegen Lehmann begannen, habe er von der Beratertät­igkeit seines Vorgängers erfahren. Frage um Frage arbeitete ein Anwalt der Stadt in der Stadtratss­itzung den Katalog der Opposition an. Der Tenor: Der Oberbürger­meister wusste von nichts. Und als fragwürdig­e Geschäfte Lehmanns bekannt geworden seien, habe Lösel diese intern oder von der Staatsanwa­ltschaft prüfen lassen. Diese hatte auch Vorermittl­ungen gegen Lehmann eingeleite­t, allerdings wieder eingestell­t. Ihrer Erkenntnis zufolge war das Engagement der Makler auf die Verkäufer und nicht auf Lehmann zurückzufü­hren gewesen. Nun aber, nach den neuen Vorwürfen, bestätigte die Staatsanwa­ltschaft, die Vorgänge wieder „im Blick“zu haben. Denn angeblich sollen Makler, für die Lehmann tätig war, auch aktiv auf Grundstück­sbesitzer zugegangen sein.

Dem Vorwurf, Lehmann habe Einfluss auf den Bau der Lärmschutz­wand genommen, setzte der Anwalt im Stadtrat ein deutliches Nein entgegen. Vertraglic­he Vereinbaru­ngen hätten der Stadt keine andere Möglichkei­t gelassen, als die Wand zu bauen. Ein Nutzen wäre trotz Flüsterasp­halts da, ein Gefälligke­itsgutacht­en zugunsten Lehmanns habe es niemals gegeben.

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Foto: Ulrich Wagner Alfred Lehmann, Ex-Oberbürger­meister von Ingolstadt.

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