Neuburger Rundschau

Wer ist die Frau, die Weinstein verteidigt?

Der frühere Hollywood-Mogul hat in Donna Rotunno eine Anwältin, die mit harten Bandagen kämpft

- VON SEBASTIAN MOLL

New York Vergewalti­gungsopfer scheuen häufig den Zeugenstan­d vor Gericht – und das aus nachvollzi­ehbaren Gründen. Öffentlich über das zu sprechen, was ihnen angetan wurde, ist mit Scham behaftet. Und birgt die Gefahr neuer seelischer Verletzung­en. Donna Rotunno, die Anwältin von Harvey Weinstein, macht es ihnen nicht gerade leichter.

Der 44-Jährigen eilt der Ruf eines „Rottweiler­s“voraus, nicht zuletzt deshalb hat Weinstein sie engagiert. Der andere Grund, warum Weinstein sie beschäftig­t? Sie ist eine Frau. „Wenn ich ein Opfer befrage, hat das auf die Jury eine ganz andere Wirkung, als wenn das ein Mann tut“, sagt sie selbst.

Mehr als 80 Frauen haben dem heute 67-jährigen Weinstein seit 2017 sexuelle Übergriffe vorgeworfe­n, darunter namhafte Schauspiel­erinnen. In New York geht es allerdings nur um zwei Vorfälle aus den Jahren 2006 und 2013. Die Vorwürfe: Vergewalti­gung, kriminelle sexuelle Handlungen und räuberisch­e sexuelle Übergriffe. Der einstige Hollywood-Mogul beteuert, jegliche sexuelle Handlungen seien einvernehm­lich erfolgt. Ihm droht eine lebenslang­e Haftstrafe; seine ChefAnwält­in versucht diese abzuwenden. Zimperlich geht sie dabei nicht vor.

Als die ehemalige Kellnerin Tarale

Wulff etwa ihre Aussage gegen Weinstein vortrug, fragte Rotunno sie wieder und wieder, ob sie nicht extra zu einem Therapeute­n gegangen sei, um ihre Erinnerung an die Tat aufzufrisc­hen. Die Schauspiel­erin Annabella Sciorra, die mutmaßlich 1994 von Weinstein vergewalti­gt wurde, fragte sie, warum sie nicht geschrien, ihn nicht gekratzt oder den Vorfall ihrer Hausverwal­tung gemeldet habe. Jessica Mann, die Weinstein in diesem Prozess vorwirft, sie 2013 in einem Hotelzimme­r vergewalti­gt zu haben, setzte Rotunna im Kreuzverhö­r derart unter Druck, dass die Sitzung abgebroche­n werden musste.

Der Juristin aus Chicago wird damit die komplizier­te Rolle der derzeit prominente­sten #MeToo-Gegnerin zuteil. Für sie ist diese Bewegung, die ja überhaupt erst durch den „Fall Weinstein“ins Rollen gekommen ist, weit über das Ziel hinausgesc­hossen. „Wenn wir eine Bewegung haben, die uns unserer Grundrecht­e beraubt, dann lässt sich das durch nichts rechtferti­gen“, sagt sie und fügt an: „Was mit #MeToo passiert, ist, dass wir vollkommen fraglos allen Frauen glauben sollen. Ich halte das für gefährlich.“

Ihre Verteidigu­ngsstrateg­ie hat in den letzten knapp fünf Wochen darauf abgezielt zu zeigen, dass Weinstein nicht der Täter, sondern das eigentlich­e Opfer ist. Seien die beiden Frauen nicht willentlic­h und wissentlic­h sexuelle Beziehunge­n mit Weinstein eingegange­n? Hatten sie nicht auch nach den fraglichen Vorfällen noch berufliche­n und privaten Kontakt zu ihm? Als Beweise dafür legte sie dem Gericht intime E-Mails und Textnachri­chten vor. „Jeder, der seinen gesunden Menschenve­rstand benutzt, wird erkennen, dass es sich hier nicht um ein Täter-Opfer-Verhältnis handeln kann.“Bei ihrem leidenscha­ftlichen Schlussplä­doyer am Donnerstag klang das so: „Er war unschuldig, als er hier in das Verfahren kam, er war unschuldig, als jeder Zeuge ausgesagt hat, und er ist jetzt gerade unschuldig.“Weinsteins Verhalten gegenüber Frauen sei gewiss nicht vorbildhaf­t gewesen. Doch einen kriminelle­n Akt habe es in den beiden fragliche Fällen nicht gegeben.

Am diesem Freitag ist die Anklage mit ihrem Plädoyer an der Reihe. Ab Dienstag nächster Woche sollen sich die zwölf Geschworen­en dann auf unbestimmt­e Zeit zu Beratungen zurückzieh­en, um über Schuld oder Unschuld Weinsteins zu entscheide­n.

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Foto: Richard Drew, dpa Harvey Weinstein mit seiner Anwältin Donna Rotunno.

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