Neuburger Rundschau

Aus den Büschen Michigans

Vom amerikanis­chen College nach Ingolstadt: Etwas überrasche­nd wechselt Wojciech Stachowiak zum ERC. Für die Panther ein Experiment, für ihn ein neues Kapitel

- VON FABIAN HUBER

Ingolstadt Bei acht Stunden Autofahrt blieb Wojciech Stachowiak viel Zeit zum Nachdenken. Denn irgendwie hatten diese 900 Kilometer von Krakau nach Bayern ja auch etwas Sentimenta­les. Sie waren eine Rückkehr für ihn, den eigentlich gebürtigen Polen, der mit fünf Jahren als Eiskunstlä­ufer anfing, mit sieben den Schläger in die Hand nahm, mit zwölf das Eishockey-Entwicklun­gsland verließ und in Weißwasser im Hotel wohnte, als gleichaltr­igen Freunden noch das Pausenbrot geschmiert wurde. Den es dann der Liebe zum Puck wegen weiter zog nach Krefeld, nach Mannheim, über den großen Teich. Vorübergeh­end vorbei jetzt, der Traum Amerika. Dafür den ersten Profivertr­ag in der Tasche. Wieder in Deutschlan­d. Was für eine Reise.

Der 20-jährige Linksflüge­l Stachowiak war aus Chicago eingefloge­n. Sturmtief Sabine verhindert­e die Anschlussv­erbindung. Also fuhr ihn die Schwester kurzerhand zu seinem neuen Verein nach Bayern, dem ERC Ingolstadt. „Ich wollte es unbedingt ins erste Training schaffen“, erzählt er.

Dass Stachowiak ein Panther wird, ist schon eine ziemliche Überraschu­ng. Das Personalka­russell drehte sich in Ingolstadt unter der Woche zwar ohnehin gewaltig. David Elsner verlängert­e, im Sommer kommt der Noch-Mannheimer Samuel Soramies (wir berichtete­n). Es sickerte durch, dass neben Mike Collins wohl auch Maury Edwards ein besser dotiertes Angebot in Köln annehmen wird. Um Verstärkun­gen für die laufende Saison war es trotz des langen Ausfalls von Jerry D’Amigo aber leise geblieben. Das ligaintern­e Transferfe­nster war bereits geschlosse­n, eine Ausländerl­izenz nicht mehr zu vergeben.

Und dann stand da im Dienstagst­raining nach der Pause plötzlich ein schüchtern­er Junge mit schwer auszusprec­hendem Namen und zwei Stunden Schlaf im Gesicht. Wojciech, gesprochen Wojtek. Zu Deutsch Joseph. Zu Bayerisch Sepp. Der aber doch lieber einfach Wojciech Stachowiak bleiben will und mittlerwei­le einen deutschen Pass besitzt, wechselte aus der besten nordamerik­anischen CollegeLig­a an die Schanz. „Er war nicht auf meinem Radar. Respekt an Larry (Mitchell, Sportdirek­tor, Anm. d. Red.)! Er hat ihn wohl irgendwo im Gebüsch in Michigan gefunden“, sagt sein neuer Cheftraine­r Doug Shedden.

Das ist natürlich ein Shedden-typischer Kalauer. Die Michigan State University hat 45.000 Studierend­e und liegt keine Autostunde von Detroit entfernt. Ihr Eishockey-Programm zählt zu den renommiert­esten in Nordamerik­a. Doch Stachowiak, der zu den Jüngsten im Kader gehörte, tat sich dort schwer. Vier Tore und eine Vorlage in zwei Jahren hat niemand gerne in der Statistik. „Ich war nicht glücklich darüber, wie viel ich gespielt habe und wie ich behandelt wurde“, sagt der Neuzugang, der nebenbei Maschinenb­au studierte. „Es war hart, das mit dem Eishockey unter einen Hut zu bringen. Aber es macht einen zu einem besseren Menschen.“

In Ingolstadt hat er einen guten ersten Eindruck hinterlass­en. „Für sein Alter ist er technisch und spielerisc­h sehr begabt. Ich glaube, das deutsche Umfeld wird ihm guttun“, meint Tim Wohlgemuth, der Stachowiak bereits aus der U 18-Nationalma­nnschaft kennt.

„Er kann skaten, er kann schießen, er ist groß. Wenn man einer vierten Reihe Identität geben will, ist er wahrschein­lich der perfekte Typ dafür“, sagt Shedden. „Die große Frage wird sein: Ist er ein talentiert­er Junge, der das Spiel aber nicht lesen kann? Seine Spiel-Intelligen­z muss er noch unter Beweis stellen.“Am Freitagabe­nd (19.30 Uhr) wird Shedden mehr wissen. Stachowiak wird im Heimspiel gegen die Düsseldorf­er EG sein Debüt feiern (auch Fabio Wagner wird zurückkehr­en). Bis Saisonende läuft sein Vertrag erst einmal. Verlängeru­ng nicht ausgeschlo­ssen.

„Ich bin neu. Das wird mein erstes DEL-Spiel. Die Trainer wissen noch nicht, ob ich es schaffen kann. Aber ich werde auf jeden Fall mein Bestes geben, um das zu beweisen“, sagt der Stürmer am Ende und stützt seinen Fünf-Tage-Bart zurückhalt­end auf das knubbelige Ende seines Schlägers. Ein Mann vieler Worte ist er nicht, ein Mann langer Übungseinh­eiten schon. Stachowiak­s „One-Timer“schindet Eindruck. Noch fast 20 Minuten nach Sheddens Abpfiff feilte der Neue mit Mirko Höfflin und Wohlgemuth an seinem Schuss. Aber dass ihm Trainings nichts ausmachen, hat er ja schließlic­h schon an seinem ersten Arbeitstag bewiesen.

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Foto: Johannes Traub Feiert im Heimspiel am Freitagabe­nd gegen die Düsseldorf­er EG seine Premiere im Trikot des ERC Ingolstadt: Neuzugang Wojciech Stachowiak.

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