„Stefan Effenberg ist immer für eine Überraschung gut“
Für Sportdirektor Michael Henke steht das Wiedersehen mit seinem einstigen Schützling an, der als Manager beim KFC Uerdingen tätig ist. Er spricht über die Zeit beim FC Bayern und den speziellen Typen Effenberg
Ingolstadt Wenn der FC Ingolstadt am heutigen Samstag (14 Uhr) den KFC Uerdingen empfängt, kommt es auch zum Wiedersehenen zwischen Michael Henke (Sportdirektor FCI) und Stefan Effenberg (Manager KFC). Die beiden verbinden vier gemeinsame Jahre (1998 bis 2002) beim FC Bayern München. Während Henke als Co-Trainer von Ottmar Hitzfeld tätig war, führte Effenberg die Mannschaft als Kapitän durch emotionale Jahre.
Fußballfans werden sich an das unglücklich verlorene ChampionsLeague-Finale 1999 mit zwei Gegentoren in der Nachspielzeit gegen Manchester United (1:2) erinnern. An den Titelgewinn in der Königsklasse zwei Jahre später. Auch an drei Meisterschaften – darunter zwei, die in die Fußballgeschichte eingegangen sind. Zum einen das Last-Minute-Tor von Patrik Andersson in Hamburg (2001), das den FC Schalke 04 zum „Meister der Herzen“machte, zum anderen den Titel, als Bayer Leverkusen 2000 am letzten Spieltag bei der SpVgg Unterhaching verlor. Die NR hat sich mit Michael Henke über Stefan Effenberg unterhalten.
Herr Henke, besteht aktuell noch Kontakt zu Stefan Effenberg?
Henke: Ja, ich habe noch zu vielen alten Weggefährten Kontakt. Stefan ist einer derjenigen, zu denen ich den intensivsten pflege. Das heißt nicht, dass wir wöchentlich telefonieren. Wir sprechen hin und wieder, schreiben uns und haben uns in München in seinem Haus oder in der Stadt auf einen Kaffee getroffen.
Waren Sie überrascht, als er im Oktober Manager in Uerdingen wurde? Henke: Nein. Erstens ist ’Effe’ immer für eine Überraschung gut (lacht). Klar ist auch, dass ein Verein wie Uerdingen, der ziemlich investiert und eine Zielsetzung hat, sich Gedanken macht, wer das Schiff lenken kann, die nötige Erfahrung, Fachkenntnis und Biss hat. Dazu auf dem Markt ist. Dass die Wahl dann auf Stefan Effenberg fällt, kann ich schon verstehen.
Dennoch hat Effenberg nach seiner Spielerkarriere im Fußball keine allzu große Rolle gespielt. Als er sich 2015 beim damaligen Zweitligisten Paderborn als Trainer versuchte, kam es schnell zur Trennung...
Henke: Das war schade. Ich denke, es war der Zeitpunkt, an dem er glaubte, in das Geschäft zu müssen, da er relativ lange gewartet hatte. Das Problem bei Leuten wie Effenberg ist, dass die Vereine oftmals deren Dominanz fürchten und sich scheuen, sie einzustellen. Das trifft etwa auch auf einen Lothar Matthäus zu. Warum es in Paderborn nicht geklappt hat, kann ich nicht beurteilen. An Stefans Fachkenntnis kann es auf keinen Fall gelegen haben.
Ihre vier gemeinsamen Jahre beim FC Bayern dürften sehr prägend gewesen sein...
Henke: Wir hatten Highlights im positiven wie im negativen Sinn. Das verlorene Finale in Barcelona 99, der Sieg 2001 in Mailand. Dazu die späten Titelgewinne in der Bundesliga. Das schweißt natürlich zusammen. Wir hatten in dieser Zeit eine sehr gute Mischung in der Mannschaft. Zum einen Häuptlinge wie Stefan Effenberg und Oliver Kahn, zum anderen Indianer wie Hasan Salihamidcic, die schlichtweg ihre Arbeit erledigt haben. Wenn Effenberg ihnen während eines Spiels etwas gesagt hat, haben die Indianer das gemacht.
Stefan Effenberg war demnach der verlängerte Arm des Trainers auf dem Platz?
Henke: Wir hätten das Negativerlebnis von 1999 nie überstanden, ohne Spieler wie Kahn und Effenberg an unserer Seite. Das Vertrauensverhältnis zum Trainerteam passte einfach. Effe war keiner, der große Töne gespuckt hat und sich dann verzogen hat. Wenn er etwas gesagt hat, wie bei seiner legendären „Freunde der Sonne“-Pressekonferenz, war immer ein Ziel dahinter. Er ist vorneweg gegangen und die anderen hinterher. Wenn große Persönlichkeiten zusammenkommen, auch ein Uli Hoeneß war beim FC Bayern speziell, finden sie eine gemeinsame Ebene. Und die heißt Erfolg. Dann kann etwas Großes entstehen.
Warum hat es etwa in der deutschen Nationalmannschaft bei Effenberg nie funktioniert?
Henke: Beim FC Bayern haben wir Effenberg in der richtigen Phase seiner Karriere erwischt. Er hatte aus seinen Fehlern gelernt und war topfit. Stefan ist eine spezielle, starke Persönlichkeit. Damit kann nicht jeder umgehen. Daran sind nicht immer die anderen schuld, sondern auch er selbst, was er heute sicher bestätigen wird.
Glauben Sie, dass Effenberg Funktionär bleibt oder es noch einmal als Trainer versucht?
Henke: Das eine schließt das andere nicht aus. Er wird den Job in Uerdingen zu 100 Prozent machen. Stefan ist noch immer jung genug, um wieder als Trainer zu arbeiten. Auch wenn ich nicht spekulieren will...
Machen Sie es trotzdem...
Henke: Vielleicht hat Stefan erkannt, dass er auf der Manager-Position gut aufgehoben ist. Ich finde es interessant, dass Oliver Kahn beinahe zeitgleich beim FC Bayern eine ähnliche Position einnimmt. Vielleicht sind solche Typen für die direkte Arbeit mit einer Mannschaft zu ungeduldig. Bei allem Respekt vor dem damaligen Team des SC Paderborn. Kaliber wie Effenberg benötigen große Geduld, weil mehr Bälle verspringen und Fehlpässe zu sehen sind, als beim FC Bayern. Das ist nicht einfach. Wenn ich mich erinnere, wie ein Kahn trainiert hat, mit welch riesigem Anspruch an sich selbst. Wenn der jetzt Trainer wäre... Anspruch und Wirklichkeit und die Abhängigkeit von den Ergebnissen jedes Wochenende können einen verrückt werden lassen.