Deutschlands Wirtschaft braucht keinen Aktionismus
Die Folgen des Coronavirus schaden vielen Unternehmen. Die Regierung kann helfen. Doch ihre Maßnahmen wirken meist nur langfristig
Deutschland verfügt über den finanziellen Spielraum, die lahmende Konjunktur anzukurbeln. Dazu muss nicht einmal die Schuldenbremse gelockert und das nach wir vor verteidigungswerte Prinzip der „schwarzen Null“aufgegeben werden. So wird die Bundesregierung angesichts der negativen wirtschaftlichen Folgen der Epidemie wohl finanzielle Fettpolster nutzen, um für bessere Stimmung im Land zu sorgen. Damit bewährt sich die zu Unrecht als knausrig gescholtene Strategie von Finanzminister Olaf Scholz, erst dann die Wirtschaft anzukurbeln, wenn eine ernsthafte Krise vorliegt. Und eine solche zeichnet sich ab. Denn die Ökonomen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung befürchten, Europa und Japan könnten in eine Rezession abrutschen, wenn sich die Krankheit weiter ausbreitet. Das dürfte allerdings nicht zu einer lang anhaltenden, sondern eher milden und damit kurzen Rezession führen. Danach geht es mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder bergauf, zumal wenn die Ausbreitung des Coronavirus eingedämmt ist und hoffentlich auch ein Impfstoff gefunden werden kann.
Der durch das Virus ausgelöste Konjunktureinbruch kann zwar heftig sein, er ist aber zeitlich begrenzt. Der Zusammenhang muss in alle Überlegungen für staatliche Wachstumspakete einbezogen werden. Konjunktur-Aktionismus, also eine zu expansive Finanzpolitik, ist nach derzeitigem CoronaStand nicht angebracht. Noch stehen Deutschland und andere Staaten nicht wie im Jahr 2008 vor dem Abgrund, als die Finanzmarktkrise das Herz des Kapitalismus gefährlich angegriffen hatte und Geldhäuser wie die Fliegen umfielen.
Was heute hilfreich sein kann: Schon 2008 waren Angela Merkel als Bundeskanzlerin und Scholz als Arbeitsminister Teil des Krisenstabs. Sie leisteten damals neben Finanzminister
Peer Steinbrück gute Arbeit. Merkel und Scholz hatten erkannt, wie wirkungsvoll das Instrument staatlich geförderter Kurzarbeit ist, um Massenentlassungen bei Schocks wie der Bankenkrise zu verhindern. Auch in der Corona-Ära ist dieses Werkzeug des wirtschaftspolitischen Baukastens die erste Wahl. Denn so können Unternehmen Fachkräfte halten, auch wenn sie massive Auftragsrückgänge zu verzeichnen haben.
Doch nicht jedes staatliche Werkzeug wirkt derart rasch wie großzügige Kurzarbeitsregelungen. Darauf verweist zu Recht Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer. Denn wenn Deutschland nun, was im Prinzip richtig ist, mehr Geld investiert, dauert es oft Jahre, bis sich ein solcher Schritt auszahlt. Es reicht nicht, höhere Beträge für den Ausbau von Datennetzen oder
Verkehrswegen zur Verfügung zu stellen. Dazu bedarf es schließlich vor allem ausreichender Planungskapazitäten in den Behörden. In der Vergangenheit wurde hier aber über Gebühr gespart, was sich nun rächt. Finanz- und Wirtschaftspolitiker müssen deshalb das Mögliche tun und vom Coronavirus besonders betroffenen Firmen unbürokratisch Hilfe zusagen. Wenn es gut läuft, kann Deutschland trotz der tückischen Krankheit 2020 mit einem Mini-Wachstum beenden.
Ohnehin stehen die Ökonomen nicht im Vordergrund. Es geht um die Gesundheit der Bürger und daher sind nun die Gesundheitspolitiker gefragt. Ressortchef Jens Spahn füllt seine Rolle unaufgeregt und gewissenhaft aus, wie das Merkel und Scholz 2008 ebenso taten.
Krisen sind aber auch Anlass zur Selbstkritik. Unternehmer sollten sich fragen, ob sie an einer derart komplizierten, bis in die allerletzten Winkel der Welt verteilten und damit extrem anfälligen Lieferkette festhalten wollen. Das ist ökologisch fragwürdig und kann in Epidemie-Zeiten massiv Geld kosten.
Die Finanzkrise war weitaus gefährlicher