Schulbus-Stau wegen Elterntaxis
Viele Mütter und Väter fahren ihre Kinder mit dem Auto zum Unterricht. Vor den Schulen erzeugt dies Verkehrsprobleme und gefährliche Situationen. Das zeigen auch Besuche an zwei Brennpunkten in der Region
Dillingen/Friedberg Dass für viele Schüler des Gymnasiums in Friedberg der Schultag gleich vorbei sein wird, verrät allein schon ein Blick auf die angrenzende Rothenbergstraße. Es ist kurz vor 13 Uhr, als am Schulgebäude ein Linienbus bereitsteht, wenige Meter dahinter hat sich eine Schlange haltender Autos gebildet. Auf der sowieso schon schmalen Straße wird es dadurch noch enger. Die Fahrersitze sind allesamt besetzt: von Müttern und Vätern, die ihre Kinder an diesem nasskalten Tag vom Unterricht abholen möchten.
Vor vielen Schulen in der Region sieht es morgens und mittags zu den Stoßzeiten ähnlich aus. Immer wieder ist von Problemen mit sogenannten Elterntaxis zu hören, die nicht nur die Umwelt belasten, sondern vor allem das Unfallrisiko erhöhen. Auf der Rothenbergstraße, an der sich auch die Konradin-Realschule befindet, herrsche häufig sogar regelrechtes Chaos, sagt Ute Multrus, Schulleiterin des Friedberger Gymnasiums.
Ein Zehntklässler, der auf seinen Bus wartet, kann das bestätigen. Der 15-Jährige kommt nach seiner Aussage täglich mit dem öffentlichen Verkehrsmittel zur Schule und beobachtet dabei, dass vor Beginn und Ende des Unterrichts die Gehwege oft zugeparkt sind. Die Verkehrssituation an der Rothenbergstraße sei dadurch unübersichtlich. „Besonders für die Kleinen ist das schon gefährlich“, sagt er. Doch auch am Lehrerparkplatz gegenüber der Schule halten die Eltern gerne. „Um diese Zeit hat man manchmal gar keine Chance, einen Parkplatz zu finden“, sagt eine Lehrerin, die heute Glück hatte und die letzte freie Lücke ergattern konnte.
Wenige Schritte entfernt steht eine Mutter vor ihrem Wagen und wartet auf ihre Tochter. „Dass ich sie heute abhole, ist eine Ausnahme. Wir haben noch einen Termin“, sagt sie. Normalerweise komme ihr Kind jedoch mit dem Bus zur Schule und wieder nach Hause. Die Fahrten genieße die Tochter sogar. „Morgens sieht sie ihre Freunde schon vor Unterrichtsbeginn und kann ersten Smalltalk mit ihnen führen.“Die Verkehrsprobleme an der Rothenbergstraße würden am Friedberger Gymnasium regelmäßig angesprochen, was die Frau verstehen kann. „Wenn Eltern jeden Tag direkt vor der Schule parken, nur weil ihre Kinder keine drei Meter weiter laufen sollen, ist das sehr unglücklich.“
Der Gong, der um 13.05 Uhr das Ende des Unterrichts verkündet, ist auch vor der Schule deutlich zu hören. Mittlerweile sind es mehr Eltern geworden, die in Autos auf ihre Sprösslinge warten. Den unübersehbaren Schildern zum Trotz stehen ein paar von ihnen mit eingeschalteten Warnblinkanlagen im absoluten Halteverbot. Wenige Augenblicke später schwärmen unzählige Kinder und Jugendliche aus dem grauen Gebäude. Es ist nachzuvollziehen, weshalb Schulleiterin Multrus von einer Gefahrensituation für die Kinder spricht. Während sie zu Fuß oder mit dem Rad die Rothenbergstraße überqueren, bleiben einige von ihnen abrupt stehen. Busse und andere Fahrzeuge, die sich vorsichtig an den Elterntaxis vorbeitasten, sind für die Schüler schwer zu sehen. Und umgekehrt ist es genauso.
Morgens sei die Lage sogar noch prekärer als nach Schulschluss, berichtet Multrus. „Uns bleibt nur, an die Einsicht der Eltern zu appellieren.“Bisher sei das Problem aber noch nicht in den Griff zu bekommen – obwohl es regelmäßig von Elternbeirat oder Schulsprechern an die Mütter und Väter herangetragen werde. Was die Schulleiterin besonders verärgert: Lehrer, die Fahrer
Symbolfoto: Marijan Murat, dpa von Elterntaxis freundlich auf die Gefahren hinwiesen, müssten sich oft einiges anhören. „Das finde ich besonders schade, zwischen ihnen und den Eltern besteht eigentlich eine Erziehungs- und Bildungspartnerschaft.“Mittlerweile werde am Friedberger Gymnasium sogar darüber nachgedacht, an den Gehwegen mobile Hindernisse aufzustellen, die von Schülern künstlerisch gestaltet werden könnten.
Die vielen Elterntaxis vor den Schulen bekommen auch Busfahrer zu spüren. „Das ist schon ein Thema für sich“, sagt Waldemar Gossen, als er früh am Morgen, es ist kurz nach halb sieben, seinen Bus von Dillingen nach Wittislingen (Landkreis Dillingen) steuert. „Bei manchen könnte man meinen, die wollen ihre Kinder direkt ins Klassenzimmer fahren.“Der 53-Jährige, der seit 30 Jahren als Busfahrer arbeitet, äußert aber auch Verständnis. „Es wird eben immer mehr Verkehr und gerade Eltern von Grundschülern wollen nicht, dass ihre Kinder alleine über die Straßen laufen.“
Mit dem Bus zu fahren sei wegen der engen Zusammenarbeit der Unternehmen mit Polizei und Schulen in den vergangenen Jahren allerdings sicherer geworden. Regionalbus Augsburg, Gossens Arbeitgeber, bietet Sicherheitstrainings an, die sich vor allem an Grundschüler richten. Schulanfänger müssten das richtige Verhalten im Bus und an der Haltestelle erst lernen. „Die Drängelei vor dem Bus ist das Hauptthema bei uns. Den Kindern gegenüber muss ich schon ab und zu laut werden“, sagt Gossen.
Am ersten Stopp in Wittislingen sind etwa 30 Kinder versammelt. Als Gossen die Tür öffnet, setzt sich die Traube in Bewegung und stürmt das Fahrzeug regelrecht. „Langsam, langsam“, ermahnt der Busfahrer, als ihm die Fahrausweise entgegengestreckt werden. Kurz darauf setzt sich der Bus schon wieder in Bewegung. Eine Anschnallpflicht für die Schüler, über die immer wieder diskutiert wird, sei kaum umzusetzen. „Die Fahrpläne sind eng getaktet und aus einer Zeit, als auf den Straßen noch deutlich weniger los war“, sagt Gossen.
Für die meisten Kinder und Jugendlichen geht es über Zöschlingsweiler und Lauingen zum Busbahnhof an der Dillinger Rosenstraße. „Alle Wege führen dorthin“, sagt Gossen. In unmittelbarer Nähe befinden sich unter anderem die St.Bonaventura-Realschule, das gleichnamige Gymnasium und eine Grundschule. Zu weiteren Schulen fahren andere Buslinien. An der Rosenstraße sei besondere Vorsicht und Konzentration geboten, sagt Gossen: „Hier ist morgens und mittags die Hölle los.“Der heutige Tag ist keine Ausnahme: Die Busse kommen im Minutentakt, Eltern führen ihre Kinder an der Hand über die Straßen am Bahnhof oder parken mit ihren Autos – ebenfalls mit eingeschaltetem Warnblinklicht – an den Haltesteigen. „Für uns ist dann oft kein Durchkommen mehr. Manchmal stauen sich vier, fünf Busse“, sagt Gossen. Schon öfter habe der 53-Jährige deshalb versucht, mit den Müttern oder Vätern zu sprechen. „Die reagieren dann nicht selten aggressiv.“
Lehrer müssen sich von Eltern einiges anhören