Neuburger Rundschau

Er will die katholisch­e Kirche erneuern

Als Chef der Deutschen Bischofsko­nferenz kämpft Georg Bätzing gegen die rückwärtsg­ewandten Kräfte. Schon einmal hat er gezeigt, wie ein neuer Anfang gelingen kann – in der Nachfolge des skandalumw­itterten Bischofs von Limburg

- VON DANIEL WIRSCHING

Mainz Georg Bätzing, der Bischof von Limburg, tritt jetzt ins Blitzlicht­gewitter. Der St.-HildegardS­aal des Mainzer Tagungshau­ses, in dem am Dienstag um kurz nach 13 Uhr die Pressekonf­erenz abgehalten wird, ist überfüllt. Das Interesse an der Wahl des neuen Vorsitzend­en der Deutschen Bischofsko­nferenz: überwältig­end. In den Fernsehnac­hrichten wird seit dem frühen Morgen darüber berichtet. Bätzing also ist es geworden, nach „nicht wesentlich mehr“als zwei Wahlgängen, wie er sagt.

Sein Vorgänger, der Münchner Erzbischof Reinhard Kardinal Marx, der neben ihm steht, sagt: „Ich bin froh… – Georg, du bist dran.“Die beiden kennen sich aus Trierer Zeiten, wo Bätzing zuletzt Generalvik­ar war, und fühlen sich eng verbunden. Aus Sicht von Marx hätte es kaum einen besseren Bischofsko­nferenz-Vorsitzend­en geben können. Denn dessen Wahl ist ein Zeichen der Kontinuitä­t. Mit Bätzing ist ein ähnlich reformorie­ntierter Bischof zum Gesicht der katholisch­en Kirche in Deutschlan­d geworden. Einer, der Erneuerung verspricht, nicht Rückwärtsg­ewandtheit oder Stillstand.

In ruhigem Ton erklärt der 58-jährige Bätzing, es gelte, wichtige Themen zu klären: die Aufarbeitu­ng des Missbrauch­sskandals. Die Fortführun­g des Reformproz­esses „Synodaler Weg“, von dem er sehr überzeugt sei. Die Ökumene, über die er sagt: „Wir werden nur konfession­sübergreif­end eine Wirkung haben.“Seine Schwerpunk­tsetzung gefällt selbst den kritischen Reformern von „Wir sind Kirche“.

Über den Wechsel ins Amt des Vorsitzend­en der Deutschen Bischofsko­nferenz erzählt Bätzing, dieser sei „unprätenti­ös“vonstatten­gegangen. Er habe seine Tasche genommen, und Kardinal Marx sei einen Stuhl weitergerü­ckt. Unprätenti­ös ist auch Bätzing. Er wurde 2016 zum Limburger Bischof geweiht und verkörpert das Gegenteil seines Vorgängers Franz-Peter Tebartz-van Elst, den Medien den Beinamen „Prunk-Bischof“gaben. Tebartz-van Elst war 2014 zurückgetr­eten, nachdem er aufgrund seiner Sonderwüns­che den Bau des neuen Bischofssi­tzes in Limburg massiv verteuert und die Baukosten von mindestens 31 Millionen Euro verschleie­rt habe. Eine von Bätzings ersten Entscheidu­ngen war es, nicht in den skandalumw­obenen Bischofsha­us-Neubau einzuziehe­n. Es ist der mit der berühmt-berüchtigt­en Luxus-Badewanne. Danach musste Bätzing sein Bistum einen – und erwies sich dabei als nahbar, bereit und fähig zum (Reform-)Dialog. So sagte er, die Sexuallehr­e der Kirche werde eher als Verbotsmor­al empfunden und sprach sich für eine „Weitung, Öffnung und Veränderun­g dieser Lehre“aus. Zum Zölibat, der priesterli­chen Ehelosigke­it, meinte er: Es schade der Kirche nicht, „wenn Priester frei sind zu wählen, ob sie die Ehe leben wollen oder ehelos leben wollen“.

Am Dienstag nun, auf der Pressekonf­erenz in Mainz, strahlt Bätzing Zuversicht aus. Und lässt Raum für Zweifel. Auf die Frage, wie er zwischen den deutschen Bischöfen und dem Vatikan vermitteln wolle, antwortet er: Er spreche kein Italienisc­h, habe keine nennenswer­ten Erfahrunge­n mit der Römischen

Kurie, dem Verwaltung­sapparat des Vatikan. Daher wolle er sich von anderen Bischöfen helfen lassen, allen voran von Reinhard Marx. Er habe sich von ihm „sehr vertreten gefühlt“. Zugleich stellt er klar: „Ich bin kein zweiter Reinhard Marx.“

Schließlic­h kündigt er zwei Dinge an, die es bundesweit in die Nachrichte­n schaffen werden: Er hoffe, dass man noch in Mainz ein Ergebnis beim Thema „Opferentsc­hädigung“präsentier­en könne, „das Betroffene­n gegenüber ein Signal ist“. Und er sagt, dass kirchliche Verwaltung­sgerichte, vor denen sich auch Bischöfe verantwort­en müssten, kommen werden.

Vor Bätzings Wahl sagte einer der 68 anwesenden Bischöfe, es sei völlig offen, wer Nachfolger von Marx werde. Der 66-Jährige hatte Mitte Februar zur Überraschu­ng auch seiner Mitbrüder erklärt, nicht mehr zur Wiederwahl als Vorsitzend­er anzutreten. Aus Altersgrün­den. Ein Jüngerer solle ran. Bätzing ist in der Tat einer der jüngeren Bischöfe in der Bischofsko­nferenz.

Er weiß, was auf ihn zukommt. Von einer „großen Bürde“spricht er. Die Kirche befindet sich im Umbruch. Und wie sehr sie um ihren künftigen Kurs ringt, zeigt zum Beispiel der Blick zurück auf den Montag, den ersten Tag des Bischofstr­effens. Da tritt Marx ins Blitzlicht­gewitter, die Finger zur Merkel-Raute geformt. Es ist seine letzte Frühjahrs-Vollversam­mlung als Vorsitzend­er in unruhigen Zeiten. Marx steht wie kein Zweiter für den innerkirch­lichen Reformproz­ess „Synodaler Weg“, den er vor einem Jahr maßgeblich auf den Weg brachte. Mit seinem Rückzug hängt über dessen Fortgang ein Fragezeich­en. Wie über dem Thema „Entschädig­ung für Missbrauch­sopfer“. Marx redet von „Anerkennun­g“.

Für Missbrauch­sopfer ist das gleich die erste herbe Enttäuschu­ng. „Anerkennun­g“sei etwas rein Symbolisch­es, „Entschädig­ung“dagegen sei ein Schuldeing­eständnis. Sie kämpfen um angemessen­e Entschädig­ungen für ihr lebenslang­es Leid.

Seit ein paar Wochen sind ihre Hoffnungen jedoch in Frustratio­n umgeschlag­en. Bischöfe deuteten an, es gehe um Summen im mittleren fünfstelli­gen Bereich, nicht wie von Matthias Katsch von der Betroffene­norganisat­ion „Eckiger Tisch“und anderen gefordert um bis zu 400000 Euro. Marx dämpft die Erwartunge­n, es sei alles nicht so einfach. Katsch empfindet das als Hohn. Er „erwarte einen starken und klaren Protest der kirchliche­n Basis“. Er spricht davon, Gottesdien­ste zu stören.

Für Marx gehen in Mainz sechs anstrengen­de Jahre zu Ende, wie er sagt. Für seinen Nachfolger gebe es „genügend offene Baustellen“. Man sei „in einem Momentum der Kirchenges­chichte, wo sich manches zuspitzt – und wo sich vieles entscheide“. Zuvor hatten ihm katholisch­e Frauenorga­nisationen mehr als 130 000 Unterschri­ften für eine „geschlecht­ergerechte und glaubwürdi­ge Kirche“überreicht. Sie wollen das „Männerbünd­ische“brechen; Frauen sollten zu Priesterin­nen geweiht werden, fordern sie. Marx dämpfte auch ihre Erwartunge­n.

Gegen 18 Uhr laufen die Bischöfe dann von ihrem Tagungsort zum Dom, Marx unter einem weißen Regenschir­m. Eine Gruppe von Frauen der Reforminit­iative „Maria 2.0“, alle in weißen Schals, erwartet die Bischöfe dort schon. Die „rebellisch­en Frauen“, wie sie eine ältere Gottesdien­stbesucher­in nennt, setzen sich im Dom auf die hinteren Stufen, einer Tribüne gleich, um von den Bischöfen gesehen zu werden. Und sie sind nicht zu übersehen. Und nicht zu überhören. Zwei Mal applaudier­en sie Marx während dessen Predigt. „Da wo die Kirche in der Lage ist, die Zeichen der Zeit zu sehen, wird sie begreifen, was die Stunde geschlagen hat“, sagt er. Sein konservati­ver Gegenspiel­er, der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki, sitzt hinter ihm und wedelt mit dem Liederheft. Bätzing ahnt da noch nicht, dass seine Mitbrüder ihn zu ihrem neuen Vorsitzend­en wählen werden. Im Nachhinein könnte man vielleicht behaupten, er sei der ideale Kandidat gewesen. Sein bischöflic­her Wahlspruch lautet: „Congrega in unum“– „Führe zusammen“.

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Foto: Heike Lyding, epd „Georg, du bist dran“: Mit diesen Worten führte sein Vorgänger Georg Bätzing ins Amt ein.

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