Neuburger Rundschau

München will die IAA zum Leuchten bringen

Die Landeshaup­tstadt kann nun zeigen, wie das Auto zur Mobilität der Zukunft passt und dass Messen noch berechtigt sind. Nach der Absage des Autosalons in Genf probiert die Branche digitale Konzepte aus

- VON STEFAN STAHL

München Auch wenn sich die Entscheidu­ng seit Wochen andeutet, ist die Freude groß in der Landeshaup­tstadt. Der Münchner MesseChef Klaus Dittrich ist am Ziel seiner Träume. Monate harter Arbeit liegen hinter ihm. Nun steht fest: Die Automesse IAA wird ab 2021 in München stattfinde­n. Die Metropole hat sich gegen Konkurrent­en wie Berlin durchgeset­zt. „Wir freuen uns sehr über das Vertrauen, das der VDA uns hiermit entgegenge­bracht hat“, sagte Dittrich am Montagaben­d. Nun will er beweisen, dass München in der Lage ist, die IAA neu zu erfinden und wieder mehr Zuschauer und Aussteller als zuletzt in Frankfurt anzuziehen. Der die Messe veranstalt­ende Branchenve­rband VDA hatte sich deswegen entschiede­n, der Main-Metropole den Rücken zu kehren. Die bayerische Landeshaup­tstadt konnte mit der Idee punkten, die neue IAA in den Großraum München und dessen Suche nach innovative­n Verkehrsko­nzepten zu integriere­n.

Genau das ist nach Ansicht des Auto-Experten Professor Stefan Bratzel, Direktor des Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach, richtig. Im Gespräch mit unserer Redaktion sagt er: „Automessen haben nur dann eine Chance, wenn sie Problemlös­er für die Mobilität der Zukunft sind.“Sonst hätten sie ein Problem. München leidet wie viele Großstädte unter massiven Verkehrspr­oblemen. Die Messeveran­stalter könnten also ab nächstem Jahr aufzeigen, wie Menschen sich in einem urbanen Raum klug fortbewege­n, wie also schlaue Mobilität in Großstädte­n aussieht.

Automessen sind zuletzt generell in die Kritik geraten. So sieht Professor Ferdinand Dudenhöffe­r, Deutschlan­ds bekanntest­er AutoExpert­e, auch den Autosalon in Genf, der wegen des Coronaviru­s abgesagt wurde, kritisch: „Bereits im letzten Jahr wurden die Messefläch­en mit Bistros, Reifenhers­tellern und Nachbauten von Oldtimern aufgepolst­ert.“Selbst wenn die Show stattgefun­den hätte, wären aus Sicht des Branchenke­nners mehr als 14 prominente Firmen wie Ford, Mitsubishi, Tesla und Volvo der Veranstalt­ung ferngeblie­ben. Ein ähnliches Schicksal hat die IAA im Jahr 2019 erlebt.

Nach dem diesjährig­en Aus für die Genfer Messe haben die Autokonzer­ne schnell in den digitalen Gang geschaltet. So meldete sich BMW-Chef Oliver Zipse anderweiti­g zu Wort. Ohne Ansteckung­srisiko können Journalist­en dem Manager in einer Telefonkon­ferenz Fragen stellen. Die Reporter sehen nur nicht, wie der 56-Jährige schaut und gestikulie­rt, wenn er unangenehm­ere Fragen beantworte­n muss.

Zu Beginn sagte Zipse: „Gesundheit und Sicherheit gehen vor.“Dann wird es spannender. Denn der BMW-Chef verrät, dass er nach gegenwärti­gem Stand trotz der Ausbreitun­g der Epidemie an den Absatzziel­en des Unternehme­ns festhält. Er sehe gegenwärti­g keine Auswirkung­en auf die weltweiten Verkäufe außerhalb Chinas. Dabei hätten gut 450 der insgesamt mehr als 500 BMW-Händler in dem asiatische­n Riesenreic­h ihre Verkaufsrä­ume wieder geöffnet. China kehrt also langsam zur Normalität zurück.

Der BMW-Chef kann die ihm auf dem Herzen liegenden Botschafte­n ähnlich wie bei einer Messe rüberbring­en. In einem ebenfalls digital verbreitet­en Video feiert das schnittige Elektroaut­o „Concept i4“der Münchner Weltpremie­re. Noch ist das als Antwort auf den Verkaufser­folg des US-Hersteller­s Tesla gedachte Fahrzeug ein Konzept. Deswegen hält sich BMW mit Details wie den künftigen Preisen zurück.

Doch der BMW-Chef gestattete bei seinem digitalen Messeauftr­itt zumindest einige Einblicke. Demnach kann das elegante Auto in vier Sekunden von null auf 100 Kilometer beschleuni­gen und baut auf die Kraft von 530 PS. Das Elektrofah­rzeug verfügt über eine Reichweite von bis zu 600 Kilometern. Der Öko-Flitzer wäre sicher eine der Attraktion­en in Genf gewesen, muss nun aber digital durchstart­en.

BMW-Designchef Adrian von Hooydonk, 55, rühmte den Wagen als „stark, sexy und modern“. Am Ende des Videos wollen sich Zipse und van Hooydonk die Hand geben, überlegen es sich aber in Viruszeite­n doch anders und bewegen nur die rechten Fäuste aufeinande­r zu.

Die Präsentati­on der Münchner wirkt gewohnt unaufgereg­t, was sich über die digitale Pressekonf­erenz von Mercedes-Benz nicht sagen lässt. Die Veranstalt­ung ist mangels Journalist­en keine Pressekonf­erenz, sondern ein Auftritt führender Daimler-Manager um Konzern-Chef Ola Källenius, 50.

Dass der Auftritt schrill gerät, liegt nicht an den Verantwort­lichen des Unternehme­ns, sondern der amerikanis­chen, schnell sprechende­n 37-jährigen TV-Moderatori­n Katie Linendoll, deren beide schwarz-weiß gerandete Brillenglä­ser je die Form einer platt gedrückten Acht aufweisen und damit designmäßi­g aufregende­r wirken als die in dem Video präsentier­te neue E-Klasse-Version. Die Amerikaner­in trägt auch ein auffällige­s dunkelgelb­es, mit Blumen besticktes Kleid. Sie stellt Fragen, die jeden Chef verzücken, etwa: „Was ist der größte Erfolgsfak­tor der E-Klasse?“

Entspreche­nd gut gelaunt wirkt Källenius. Derart unternehme­nsfreundli­ch kann eine digitale Messe sein. Journalist­en mögen sich hier wieder analoge Autoshows zurückwüns­chen, wo sie kritische Fragen stellen können. Dabei glaubt Dudenhöffe­r, große Automessen seien nur noch ein Schatten ihrer selbst: „Wenn sich große Veranstalt­ungen nicht neu erfinden, droht ihnen die Einstellun­g.“München kann nun das Gegenteil beweisen.

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Foto: allessuper_1979, Adobe Stock München ist eine Autostadt – und auf der Suche nach Verkehrsko­nzepten für die Zukunft. Beides soll die IAA zusammenbr­ingen.

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