„Wir fühlen uns im Stich gelassen“
Angeblich ist Deutschland gut auf das Coronavirus vorbereitet. Doch nicht nur Hausärzte sehen das anders
Augsburg Während Bundesgesundheitsminister Jens Spahn derzeit immer wieder erklärt, dass Deutschland gut auf das Coronavirus vorbereitet sei, mehren sich Stimmen, die das ganz anders sehen – auch in unserer Region. Da wirkt vieles eher noch recht ungeklärt.
Das spiegelt etwa der Bericht einer zweifachen Mutter aus Augsburg wider, die jüngst mit ihrer Familie aus dem Skiurlaub in Südtirol zurück gekommen war und abends bei sich plötzlich ein leichtes Kratzen im Hals mit Husten, grippeähnliche Symptome, leicht erhöhte Temperatur und Durchfall registrierte. Sie fragte sich: „Was, wenn ich mich in einer Gondel mit Corona angesteckt habe? Was, wenn die Kinder das in die Schule tragen? Ist es verantwortungslos, wenn ich das auf die leichte Schulter nehme?“
Weil der Hausarzt am Samstag nicht erreichbar ist, rief sie die Nummer des Ärztlichen Bereitschaftsdienstes 116117 an, wie es in den Corona-Verhaltens-Empfehlungen steht. Die Idee hatten anscheinend aber auch andere: Minutenlang lauschte die Frau, die namentlich nicht genannt werden will, der Warteschleife und flog immer wieder mit einem „leider sind alle Leitungen belegt“raus.
„Ich war überrascht, weil es hieß, man solle da anrufen und dann klappt das nicht“, sagt die Augsburgerin. Dreimal habe sie es versucht, dann in der Uniklinik Augsburg angerufen, wie es auf der Homepage 116117.de empfohlen wird. Dort bekam sie keinen Corona-Ansprechpartner, sondern die Nummer der Corona-Hotline des Gesundheitsamtes
Augsburg-Land. Auskunft dort: nicht zuständig, weil sie aus der Stadt Augsburg kommt, eine Hotline des Gesundheitsamtes Augsburg gebe es nicht, sie solle sich gleich ans Klinikum wenden. Die Mutter rief dann aber lieber einen Arzt aus dem Bekanntenkreis an, der ihr geraten habe: Ruhe bewahren und daheim auskurieren. Sie sei ja nicht im Risikogebiet unterwegs gewesen.
Am Montag rief sie dann ihre Hausärztin an, die sagte das Gleiche. Doch auch Hausärzte in der Region sind mit der Situation nicht zufrieden. Die Haunstetter Hausärztin Carmen Schwarz etwa beklagt, dass niedergelassene Ärzte den Empfehlungen
zufolge Patienten mit Coronaverdacht nicht in die Praxen bestellen, sondern sie daheim aufsuchen sollen – mit Atemschutzmaske und Schutzanzügen. „Doch diese Artikel sind derzeit überhaupt nicht zu haben – genausowenig wie ausreichend Desinfektionsmittel.“Ganz davon abgesehen, dass sie für einen Hausbesuch etwa 19 Euro bekomme, ein Schutzanzug aber ein Mehrfaches davon koste. „Wir fühlen uns im Stich gelassen“, sagt Schwarz. Sie habe sich mit dem Gesundheitsamt in Verbindung gesetzt. „Doch die werden genauso allein gelassen.“Der Augsburger Internist Dr. Johannes Schipp fordert nun, dass man die Bundeswehrlager, in denen Schutzanzüge vorrätig sind, für diesen Zweck öffnet.
Corona-Verdachtsfälle nicht in die Praxis zu lassen, sei zudem realitätsfern: „Wenn man morgens kommt, ist das Wartezimmer voll, da kann man nicht klären, ob jemand bereits infiziert sein könnte“, berichtet Dr. Andreas Frisch (Pfaffenhofen an der Ilm).
Viele fragen sich auch, was passiert, wenn ein Coronainfizierter in einer Arztpraxis war. Muss diese dann geschlossen werden? „Nein, ich denke nicht. Wir würden die Praxis nach den üblichen Vorschriften desinfizieren“, erläutert Dr. Jakob Berger, Bezirksvorsitzender Schwaben des Bayerischen Hausärzteverbandes. Vorgaben von den Gesundheitsämtern gebe es jedenfalls nicht, so Berger. Er selbst habe keine Angst vor Corona. Grippe oder Malaria etwa seien viel gefährlicher. „Man sollte nicht leichtsinnig sein, aber auch nicht überreagieren“, meint er. Und wenn es nun wärmer wird, werde das Virus eh zusehends schwächer.