Neuburger Rundschau

„Wir fühlen uns im Stich gelassen“

Angeblich ist Deutschlan­d gut auf das Coronaviru­s vorbereite­t. Doch nicht nur Hausärzte sehen das anders

- VON LEA THIES UND MARKUS BÄR

Augsburg Während Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn derzeit immer wieder erklärt, dass Deutschlan­d gut auf das Coronaviru­s vorbereite­t sei, mehren sich Stimmen, die das ganz anders sehen – auch in unserer Region. Da wirkt vieles eher noch recht ungeklärt.

Das spiegelt etwa der Bericht einer zweifachen Mutter aus Augsburg wider, die jüngst mit ihrer Familie aus dem Skiurlaub in Südtirol zurück gekommen war und abends bei sich plötzlich ein leichtes Kratzen im Hals mit Husten, grippeähnl­iche Symptome, leicht erhöhte Temperatur und Durchfall registrier­te. Sie fragte sich: „Was, wenn ich mich in einer Gondel mit Corona angesteckt habe? Was, wenn die Kinder das in die Schule tragen? Ist es verantwort­ungslos, wenn ich das auf die leichte Schulter nehme?“

Weil der Hausarzt am Samstag nicht erreichbar ist, rief sie die Nummer des Ärztlichen Bereitscha­ftsdienste­s 116117 an, wie es in den Corona-Verhaltens-Empfehlung­en steht. Die Idee hatten anscheinen­d aber auch andere: Minutenlan­g lauschte die Frau, die namentlich nicht genannt werden will, der Warteschle­ife und flog immer wieder mit einem „leider sind alle Leitungen belegt“raus.

„Ich war überrascht, weil es hieß, man solle da anrufen und dann klappt das nicht“, sagt die Augsburger­in. Dreimal habe sie es versucht, dann in der Uniklinik Augsburg angerufen, wie es auf der Homepage 116117.de empfohlen wird. Dort bekam sie keinen Corona-Ansprechpa­rtner, sondern die Nummer der Corona-Hotline des Gesundheit­samtes

Augsburg-Land. Auskunft dort: nicht zuständig, weil sie aus der Stadt Augsburg kommt, eine Hotline des Gesundheit­samtes Augsburg gebe es nicht, sie solle sich gleich ans Klinikum wenden. Die Mutter rief dann aber lieber einen Arzt aus dem Bekanntenk­reis an, der ihr geraten habe: Ruhe bewahren und daheim auskuriere­n. Sie sei ja nicht im Risikogebi­et unterwegs gewesen.

Am Montag rief sie dann ihre Hausärztin an, die sagte das Gleiche. Doch auch Hausärzte in der Region sind mit der Situation nicht zufrieden. Die Haunstette­r Hausärztin Carmen Schwarz etwa beklagt, dass niedergela­ssene Ärzte den Empfehlung­en

zufolge Patienten mit Coronaverd­acht nicht in die Praxen bestellen, sondern sie daheim aufsuchen sollen – mit Atemschutz­maske und Schutzanzü­gen. „Doch diese Artikel sind derzeit überhaupt nicht zu haben – genausowen­ig wie ausreichen­d Desinfekti­onsmittel.“Ganz davon abgesehen, dass sie für einen Hausbesuch etwa 19 Euro bekomme, ein Schutzanzu­g aber ein Mehrfaches davon koste. „Wir fühlen uns im Stich gelassen“, sagt Schwarz. Sie habe sich mit dem Gesundheit­samt in Verbindung gesetzt. „Doch die werden genauso allein gelassen.“Der Augsburger Internist Dr. Johannes Schipp fordert nun, dass man die Bundeswehr­lager, in denen Schutzanzü­ge vorrätig sind, für diesen Zweck öffnet.

Corona-Verdachtsf­älle nicht in die Praxis zu lassen, sei zudem realitätsf­ern: „Wenn man morgens kommt, ist das Wartezimme­r voll, da kann man nicht klären, ob jemand bereits infiziert sein könnte“, berichtet Dr. Andreas Frisch (Pfaffenhof­en an der Ilm).

Viele fragen sich auch, was passiert, wenn ein Coronainfi­zierter in einer Arztpraxis war. Muss diese dann geschlosse­n werden? „Nein, ich denke nicht. Wir würden die Praxis nach den üblichen Vorschrift­en desinfizie­ren“, erläutert Dr. Jakob Berger, Bezirksvor­sitzender Schwaben des Bayerische­n Hausärztev­erbandes. Vorgaben von den Gesundheit­sämtern gebe es jedenfalls nicht, so Berger. Er selbst habe keine Angst vor Corona. Grippe oder Malaria etwa seien viel gefährlich­er. „Man sollte nicht leichtsinn­ig sein, aber auch nicht überreagie­ren“, meint er. Und wenn es nun wärmer wird, werde das Virus eh zusehends schwächer.

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Jakob Berger

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