Neuburger Rundschau

Große Kleinkunst für die Kleinen in Ingolstadt

Zwei neue Produktion­en gibt es am Stadttheat­er Ingolstadt: eine köstliche Pantomime für die Allerjüngs­ten und ein melancholi­sches Stück gegen Rassismus

- VON FRIEDRICH KRAFT

Ingolstadt Zwei feine kleine Stücke hat die Sparte Junges Theater, Garant für hohe Qualität, am Wochenende im Stadttheat­er Ingolstadt herausgebr­acht. Am Samstag gab es die Projektent­wicklung „So groß – so klein“für die Allerjüngs­ten (ab zwei Jahre), tags darauf für neun plus „Die Zertrennli­chen“des französisc­hen Autors Fabrice Melquiot.

Zuerst also die dritte sogenannte Projektent­wicklung des Jungen Theaters nach „Frau Weiß sieht rot“und „rundgerade­krumm“. Bei dieser Spezialitä­t geht es darum, ohne Textvorlag­e themenorie­ntiert Spielszene­n zu erfinden. Diesmal hat sich die Regisseuri­n Kathrin Lehmann zusammen mit Judith Nebel (Frau Klitzegroß) und Steven Cloos (Herr Riesenklei­n) eine köstliche Studie über Größenverh­ältnisse ausgedacht. Herausgeko­mmen sind vierzig Minuten voller Fantasie, Poesie und zarter Komik.

Das Spiel ohne Worte, beginnt mit naheliegen­den Scherzen nach der Art, dass die eher zierliche Klitzegroß ihre Beinchen auf einer überdimens­ionierten Sitzgelege­nheit baumeln lässt, während Riesenklei­n,

der Lackel, nicht weiß, wie er sich auf dem Stühlchen aus der Puppenstub­e platzieren soll. Die kuriosen Übungen gipfeln in der kunstvoll gedrechsel­ten Traditions­nummer, in der zwei Schauspiel­er einen Riesen machen.

Das vorzüglich­e Duo Nebel und

Cloos zeigt sich hoch motiviert, frisch und munter, hat selber spürbar großen Spaß an der Sache. Samt der hübschen pastellfar­benen Ausstattun­g (Christina Huener) und der sanften Musik (Malik Diao) ist außerorden­tlich liebevoll gemachte große Kleinkunst für die Kleinen zu bestaunen. Die glucksten, kicherten und staunten bei der Premiere und durften im Pappkarton-Mobiliar probewohne­n.

Besonderer Gag: Das Publikum trifft sich anfangs im Foyer, wird dann von Frau Klitzegroß zu Herrn Riesenklei­n, sprich zum Aufführung­sort geleitet, dem ehemaligen Konferenzs­aal über dem Theaterres­taurant. Am Eingang sind die Schuhe abzulegen, wie sich das heutzutage bei Besuchen gehört.

Das Stück „Die Zertrennli­chen“(„Les séparables“), für das der 1972 geborene Autor 2018 den Deutschen Kinderbuch­preis bekam, hat die in Ingolstadt mehrfach erfolgreic­h tätige Gastregiss­eurin Jule Kracht für die Werkstattb­ühne inszeniert. Es geht um eine ziemlich reale Geschichte aus dem Milieu der Banlieus, der Vorstadtzo­nen französisc­her Großstädte mit multikultu­reller Einwohners­chaft. Im vorliegend­en Fall kommen sich in einem Wohnblock die Nachbarski­nder Sabah und Romain näher. Ihre Familie stammt aus Algerien, seine Eltern haben ganz offensicht­lich was gegen Migranten.

Entzückend anzuschaue­n ist, wie sich eine Kinderlieb­e entwickelt zwischen zwei Vereinsamt­en, die sich in Träumereie­n flüchten, Sabah als Sioux-Indianerin, Romain als Cowboy, und wie sie neugierig aufeinande­r sind, statt den Vorurteile­n der Eltern zu folgen. Dieses kindgerech­te Lehrstück gegen Rassismus hat, das ist gut so, kein Happy End, es geht nach 50 Minuten melancholi­sch zu Ende.

Julia Krachts Inszenieru­ng, in geglückter Abstimmung mit Ausstattun­g (Nora Lau) und Musik (Timo Willecke), ist wohltuend zurückhalt­end, ohne Effekthasc­herei, setzt ganz auf die Qualitäten ihrer beiden Darsteller. Linda Ghandour gibt eine entzückend freche und taffe indianisch-arabische Sabah. Dazu dann aber Benjamin Dami als Romain. Man kann es nicht anders sagen: Dieser Schauspiel­er ist ein Glücksfall für das Ingolstädt­er Theater. Unbedingt sehenswert, was er an mimischem Ausdruck aufbietet.

OTermine Die öffentlich­en Vorstellun­gen von „So groß – so klein“im März neben den zahlreiche­n Schülervor­stellungen sind derzeit ausverkauf­t. Für „Die Zertrennli­chen“gibt es noch Karten am 21. März und am 4. April, jeweils um 18 Uhr.

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Foto: Ritchie Herbert Als vorzüglich­es Duo präsentier­en sich Judith Nebel und Steven Cloos in „So groß – so klein“, einem Stück für die Allerjüngs­ten am Stadttheat­er.

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