Große Kleinkunst für die Kleinen in Ingolstadt
Zwei neue Produktionen gibt es am Stadttheater Ingolstadt: eine köstliche Pantomime für die Allerjüngsten und ein melancholisches Stück gegen Rassismus
Ingolstadt Zwei feine kleine Stücke hat die Sparte Junges Theater, Garant für hohe Qualität, am Wochenende im Stadttheater Ingolstadt herausgebracht. Am Samstag gab es die Projektentwicklung „So groß – so klein“für die Allerjüngsten (ab zwei Jahre), tags darauf für neun plus „Die Zertrennlichen“des französischen Autors Fabrice Melquiot.
Zuerst also die dritte sogenannte Projektentwicklung des Jungen Theaters nach „Frau Weiß sieht rot“und „rundgeradekrumm“. Bei dieser Spezialität geht es darum, ohne Textvorlage themenorientiert Spielszenen zu erfinden. Diesmal hat sich die Regisseurin Kathrin Lehmann zusammen mit Judith Nebel (Frau Klitzegroß) und Steven Cloos (Herr Riesenklein) eine köstliche Studie über Größenverhältnisse ausgedacht. Herausgekommen sind vierzig Minuten voller Fantasie, Poesie und zarter Komik.
Das Spiel ohne Worte, beginnt mit naheliegenden Scherzen nach der Art, dass die eher zierliche Klitzegroß ihre Beinchen auf einer überdimensionierten Sitzgelegenheit baumeln lässt, während Riesenklein,
der Lackel, nicht weiß, wie er sich auf dem Stühlchen aus der Puppenstube platzieren soll. Die kuriosen Übungen gipfeln in der kunstvoll gedrechselten Traditionsnummer, in der zwei Schauspieler einen Riesen machen.
Das vorzügliche Duo Nebel und
Cloos zeigt sich hoch motiviert, frisch und munter, hat selber spürbar großen Spaß an der Sache. Samt der hübschen pastellfarbenen Ausstattung (Christina Huener) und der sanften Musik (Malik Diao) ist außerordentlich liebevoll gemachte große Kleinkunst für die Kleinen zu bestaunen. Die glucksten, kicherten und staunten bei der Premiere und durften im Pappkarton-Mobiliar probewohnen.
Besonderer Gag: Das Publikum trifft sich anfangs im Foyer, wird dann von Frau Klitzegroß zu Herrn Riesenklein, sprich zum Aufführungsort geleitet, dem ehemaligen Konferenzsaal über dem Theaterrestaurant. Am Eingang sind die Schuhe abzulegen, wie sich das heutzutage bei Besuchen gehört.
Das Stück „Die Zertrennlichen“(„Les séparables“), für das der 1972 geborene Autor 2018 den Deutschen Kinderbuchpreis bekam, hat die in Ingolstadt mehrfach erfolgreich tätige Gastregisseurin Jule Kracht für die Werkstattbühne inszeniert. Es geht um eine ziemlich reale Geschichte aus dem Milieu der Banlieus, der Vorstadtzonen französischer Großstädte mit multikultureller Einwohnerschaft. Im vorliegenden Fall kommen sich in einem Wohnblock die Nachbarskinder Sabah und Romain näher. Ihre Familie stammt aus Algerien, seine Eltern haben ganz offensichtlich was gegen Migranten.
Entzückend anzuschauen ist, wie sich eine Kinderliebe entwickelt zwischen zwei Vereinsamten, die sich in Träumereien flüchten, Sabah als Sioux-Indianerin, Romain als Cowboy, und wie sie neugierig aufeinander sind, statt den Vorurteilen der Eltern zu folgen. Dieses kindgerechte Lehrstück gegen Rassismus hat, das ist gut so, kein Happy End, es geht nach 50 Minuten melancholisch zu Ende.
Julia Krachts Inszenierung, in geglückter Abstimmung mit Ausstattung (Nora Lau) und Musik (Timo Willecke), ist wohltuend zurückhaltend, ohne Effekthascherei, setzt ganz auf die Qualitäten ihrer beiden Darsteller. Linda Ghandour gibt eine entzückend freche und taffe indianisch-arabische Sabah. Dazu dann aber Benjamin Dami als Romain. Man kann es nicht anders sagen: Dieser Schauspieler ist ein Glücksfall für das Ingolstädter Theater. Unbedingt sehenswert, was er an mimischem Ausdruck aufbietet.
OTermine Die öffentlichen Vorstellungen von „So groß – so klein“im März neben den zahlreichen Schülervorstellungen sind derzeit ausverkauft. Für „Die Zertrennlichen“gibt es noch Karten am 21. März und am 4. April, jeweils um 18 Uhr.