Neuburger Rundschau

Stadtrat, wechsel’ dich

Der Stadtrat, der vor sechs Jahren gewählt wurde, sah deutlich anders aus als der Stadtrat von heute. Neue Gesichter tauchten auf, andere bekannte verschwand­en. Dann ging auch noch die Koalitions-Mehrheit verloren

- VON LUZIA GRASSER

Ingolstadt Es ist nichts Ungewöhnli­ches, dass sich die Zusammense­tzung eines Stadtrats nach der Wahl entscheide­nd verändert. Altgedient­e Stadträte hören auf, neue Wählergrup­pierungen schaffen den Sprung ins Rathaus und Nachwuchsp­olitiker aus den Parteien werden neu gewählt. Doch in Ingolstadt hat sich die Zusammense­tzung des Gremiums bereits in den sechs Jahren zwischen den Wahlen 2014 und 2020 entscheide­nd geändert. Manch einer beendete sein Mandat aus persönlich­en Gründen, manch einer kam mit seinen Parteikoll­egen nicht mehr zurecht, andere wiederum wechselten die Partei oder gründeten gleich eine neue Gruppierun­g. Von den 50 Stadträten, die vor sechs Jahren ins Gremium gewählt worden sind, sitzen heute noch 44 drin. In derselben Partei sind aber nur noch 35 der einst Gewählten. Die Folge: Ihre Mehrheit hat die Rathaus-Koalition aus CSU (ursprüngli­ch 22 Sitze) und Freien Wählern (ursprüngli­ch fünf Sitze) verloren und kommt jetzt zusammen nur noch auf 24 Sitze. Ein Überblick über die Wechselspi­ele im Ingolstädt­er Stadtrat in den vergangene­n Jahren.

● CSU Bei der Wahl 2014 hatte die CSU 22 Sitze errungen, außerdem wurde Christian Lösel auf Anhieb zum ersten Mal zum OB gewählt und damit Nachfolger von Alfred Lehmann, der nicht mehr angetreten war. Mit den fünf Sitzen der Freien Wähler reichte es für eine – wenn auch knappe – Mehrheit im Stadtrat. Doch die ist mittlerwei­le weg. Nicht nur die FW haben an Personal verloren, auch die Christsozi­alen. Dorothea Soffner hatte im Mai 2017 entnervt hingeworfe­n und war aus der Fraktion ausgetrete­n. Die CSU hatte fortan nur noch 21

Sitze, Soffner schloss sich den neu gegründete­n UDI an. Doch auch innerhalb der Fraktion gab es drei Wechsel. Christine Haderthaue­r, einst Ministerin in München, legte Anfang 2019 ihr Stadtratsm­andat – und damit ihr letztes politische­s Amt – nieder, um eine Anwaltskan­zlei zu gründen. Für sie rückte Rudolf Geiger nach. Über die Klinikumsa­ffäre ist der ehemalige Oberbürger­meister Alfred Lehmann gestolpert. Seine Amtszeit als Stadtrat dauerte nur gut zweieinhal­b Jahre. Im Dezember 2016 trat er zurück, im vergangene­n Jahr war er wegen Korruption zu einer zweijährig­en Bewährungs­strafe verurteilt worden. Für ihn kam der Arzt Michael Wenzl in den Stadtrat. Adieu sagte auch Josef Rottenkolb­er. Er legte im Oktober 2018 sein Mandat nieder, Nachrücker wurde Michael Oblinger. 18 der 22 ursprüngli­ch für die CSU gewählten Stadträte haben ihr Mandat noch inne.

● SPD Die SPD konnte mit ihrer

OB-Kandidatin Veronika Peters vor sechs Jahren zehn Sitze im Stadtrat erringen. Die Bilanz der Sozialdemo­kraten für die vergangene Wahlperiod­e lautet: Einer ist weg. Und das ist Thomas Thöne. Er ist im Juli 2015 zur ödp gewechselt. Die anderen neun sind den Genossen treu geblieben.

● Grüne Auf fünf Sitze hatten es die Grünen bei den vergangene­n Kommunalwa­hlen gebracht. Einer überwarf sich allerdings mit seinen Parteikoll­egen und gründete eine eigene Gruppierun­g. Henry Okorafor sitzt seit Anfang 2015 als Einzelkämp­fer im Stadtrat, die GrünenFrak­tion hat seitdem noch vier Mitglieder. Da Rupert Ebner 2014 Umweltrefe­renten wurde, zog Christoph Lauer ein halbes Jahr nach der Kommunalwa­hl als sein Nachfolger in den Stadtrat ein.

● Freie Wähler Bei den FW ist vieles nicht mehr, wie es war. Fünf Sitze konnten sie 2014 erobern, drei davon haben sie heute noch. Nach

Querelen sind Dritter Bürgermeis­ter Sepp Mißlbeck und der Älteste im Stadtrat, der Arzt Gerd Werding, 2017 aus der Fraktion ausgetrete­n und haben eine eigene Gruppierun­g, die UDI, gegründet. Damit sind von den ursprüngli­ch Gewählten nur noch Peter Springl und der ehemalige Landtagsab­geordnete Markus Reichhart übrig geblieben. Denn nach mehr als 30 Jahren im Stadtrat hat Johann Stachel im Herbst 2017 seinen Rücktritt erklärt. Das Mandat blieb in der Familie: Nachrücker war sein Sohn Hans Stachel, der jetzt als OB-Kandidat in den Wahlkampf zieht.

● ödp Erst konnte sich die ödp freuen, weil sich Thomas Thöne von der SPD verabschie­det und dann bei der kleinen Partei eine neue Heimat gefunden hatte. Doch die Freude über die neu gewonnene Fraktionss­tärke war nur von kurzer Dauer: Denn im Herbst 2017 wandte sich Simone Vosswinkel den UDI zu – und so waren es bei der ödp wieder nur zwei Stadträte. Zwischenze­itlich hatte auch ödp-Urgestein Franz Hofmaier sein Mandat niedergele­gt und machte Platz für Raimund Köstler. Der ist aktuell OB-Kandidat der Partei.

● Die Linke Den größten Schwund haben die Linken zu verkraften, und zwar 100 Prozent. Die beiden Stadträte Ulrike Hodek und Jürgen Siebicke wechselten 2015 geschlosse­n zur BGI.

● FDP Die einzige Partei, die von all den Wechselspi­elen der vergangene­n sechs Jahre vollkommen verschont geblieben ist, ist die FDP. Dort sitzt seit sechs Jahren mit Karl Ettinger immer der gleiche Stadtrat im Sitzungssa­al.

● REP/AfD Ulrich Bannert war einst als Republikan­er in den Stadtrat eingezogen. Doch seit 2018 gehört er der AfD an.

● BGI Die Bürgergeme­inschaft Ingolstadt (BGI), die vor sechs Jahren erstmals zur Wahl angetreten war, konnte ihre Sitze im Stadtrat verdoppeln, von zwei auf vier. Nebeneffek­t: Die BGI hat jetzt Fraktionss­tärke mit OB-Kandidat Christian Lange an der Spitze.

● UDI Bei der Wahl 2014 noch nicht existent, sind die Unabhängig­en Demokraten Ingolstadt inzwischen mit vier Mitglieder­n im Stadtrat vertreten. Und zwar als Sammelbeck­en von Politikern, die enttäuscht ihren Parteien den Rücken gekehrt haben. Dazu gehören die ehemaligen FW Sepp Mißlbeck und Gerd Werding sowie Dorothea Soffner (CSU) und Simone Vosswinkel (ödp).

● GLI Von den Grünen enttäuscht, gründete Henry Okorafor seine eigene Gruppierun­g Grün-Links Ingolstadt. Aber weder Okorafor als OB-Kandidat noch die GLI-Liste erreichten die nötigen Unterschri­ften, um bei der Wahl am 15. März antreten zu können.

 ?? Foto: Luzia Grasser ?? Der Ingolstädt­er Stadtrat hat sich in den vergangene­n sechs Jahren deutlich verändert. Zahlreiche Räte schieden aus – wie Christine Haderthaue­r oder Alfred Lehmann – oder wechselten die Partei.
Foto: Luzia Grasser Der Ingolstädt­er Stadtrat hat sich in den vergangene­n sechs Jahren deutlich verändert. Zahlreiche Räte schieden aus – wie Christine Haderthaue­r oder Alfred Lehmann – oder wechselten die Partei.

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