Linke hat ein Radikalenproblem
Eine Konferenz der Partei offenbart, dass ein Teil der Mitglieder die Demokratie ablehnt. Die Führung tut nichts dagegen
Eigentlich läuft es für die Linkspartei gerade. In Thüringen ist mit Bodo Ramelow ihr einziger Ministerpräsident wieder in Amt und Würden. Union und FDP erkennen an, dass sie Linke und AfD nicht mehr für ähnlich bedrohlich für die Demokratie erklären können. Nur die AfD sieht das anders. Und die Landtagswahl im kommenden Jahr könnte sogar eine Mehrheit für eine rot-rot-grüne Regierung bringen.
Doch dann tauchen plötzlich hässliche Videos auf. Sie zeigen Linken-Mitglieder oder Anhänger bei einer Strategietagung in Kassel am vergangenen Wochenende, wie sie Demokratie und Freiheit verächtlich machen. Da wird geschwafelt von der Erschießung des reichsten Prozents der Gesellschaft. Da wird für die nötige Schwächung der Parlamente agitiert. Da werden CDU, SPD und Grüne als „Halbrechte“verunglimpft. Dafür ernten die Redner keinerlei Widerspruch, sondern bekommen teilweise sogar Applaus. Parteivorsitzender Bernd Riexinger stellte in Kassel die „Radikalinskis“nicht sofort zur Rede. Stattdessen machte er ein Witzchen darüber, man könne ja Reiche nützlicher Arbeit zuführen. Für eine Partei, die in der Nachfolge der SED steht, ist das mehr als problematisch. Arbeitslager und Umerziehung gehören zu den dunkelsten Kapiteln kommunistischer Regime.
Bei den drei Wirrköpfen handelt es sich nicht um einzelne Spinner, die es in jeder Partei gibt. Bei der Linken können sich Splittergruppen austoben, die Marktwirtschaft und repräsentative Demokratie abschaffen wollen und die Diktatur in Venezuela preisen. Sie bestimmen nicht den Kurs der Partei, aber sie sind mächtig genug, dass die Vorsitzenden sie nicht aus den eigenen Reihen entfernen wollen. Die drei Fehlgeleiteten, deren Reden aufgezeichnet wurden, sind keine alten Ostbonzen, sondern junge Genossen.
In den neuen Ländern hat die Linke in den vergangenen drei Jahrzehnten trotz DDR-Nostalgikern und Radikalen verantwortliche und pragmatische Politik gemacht, wenn sie an der Regierung beteiligt war. Doch wirklich austrocknen konnte die Führungsriege das radikale Milieu nie.
Im Bund müssen Fragen von großer Tragweite beantwortet werden und hier steht es um die Regierungsfähigkeit der Linkspartei nach wie vor schlecht. Die EU wird als neoliberaler Staatenklub abgelehnt, Deutschland soll aus der Nato austreten und Auslandseinsätze der Bundeswehr lehnt die Partei generell ab. In einer Weltordnung, die immer fragiler wird und sich die Europäer selbst um ihre Sicherheit kümmern müssen, weil die USA nicht mehr den Weltpolizisten geben wollen, wirkt diese Haltung wie aus der Zeit gefallen.
Die SPD und die Grünen können mit einer Linken, die solche Positionen behauptet, nur schwer eine Regierung formen. Den Grünen bleibt als Alternative ein Bündnis mit der Union, der SPD der Gang in die Opposition. Seit Jahren bemüht sich das linke Lager, ein Gegenprojekt zu Konservativen und Liberalen aufzubauen. Bisher scheiterten die Moderaten stets an den Hardlinern bei der Linkspartei. Die Konferenz von Kassel zeigt die große Gefahr, dass es nach den Wahlen im nächsten Herbst wieder so sein wird.
Die Fehlgeleiteten sind keine alten Ostbonzen