Grenzschutz mit aller Härte
Europa ringt um eine gemeinsame Linie in der Flüchtlingsfrage
Brüssel Der Schock der ersten Bilder von den griechisch-türkischen Grenzübergängen scheint überwunden. Die eskalierten Auseinandersetzungen vor dem Grenzzaun zu Europa haben es den europäischen Innen- und den Außenministern leicht gemacht, ihre harte Linie zu zementieren. Nicht Flüchtlinge, sondern Krawallmacher seien in großen Scharen gekommen und würden zurückgewiesen, hieß es.
SPD-Bundesaußenminister Heiko Maas vermied nach dem Treffen mit seinen Amtskollegen in Zagreb jeden Vergleich mit der Situation von 2015. Als er dennoch von einem „Fehler in der Vergangenheit“sprach und die Beobachter schon mit einer Kritik an der deutschen Öffnung der Grenzen vor fünf Jahren rechneten, meinte der SPD-Politiker aber etwas ganz anderes: Man habe Italien und Griechenland damals alleingelassen. Das werde man nicht noch einmal tun.
Damit ist die europäische Linie klar: Jene Migranten, die der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan in Richtung EU geschickt hatte, müssen draußen bleiben. Stattdessen formiert sich ein kleinerer Kreis von EU-Regierungen, die sich bereit erklären dürften, etwa 5000 unbegleitete Kinder und Jugendliche aus den völlig überfüllten Auffangzentren auf den griechischen Inseln zu übernehmen. Es ist das humanitäre Trostpflaster für die Härte an der Grenze zu Griechenland.
Beide Initiativen gehören zusammen, scheinen auch zu Hause vermittelbar, zumal die Bereitschaft von Kommunen und Regionen, Flüchtlingskinder aufzunehmen, stetig wächst. Aber nicht einmal diese Geste kann darüber hinwegtäuschen, dass die EU in der immer unüberschaubarer werdenden Situation, die mit den Ereignissen im syrischen Idlib begann, keine wirklich gestaltende Rolle spielt. So „begrüßten“die Außenminister zwar die zwischen Erdogan und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin vereinbarte Waffenruhe, ohne selbst zu den Mächten zu gehören, die in dem Konflikt etwas ausrichten könnten – auch wenn die Außenamtschefs bei ihrem Treffen in Zagreb anboten, eine Vermittlerrolle zu übernehmen.
Aber selbst das geschah halblaut, fast schon vorsichtig. Schließlich könnten die Vereinten Nationen ja auf die Idee kommen, die europäischen Regierungen in die Verantwortung zu nehmen. Das würde heißen, bei der Einrichtung einer Schutz- oder Flugverbotszone eine aktive Rolle zu spielen. Noch können sich die Europäer zurückhalten. Aber wie lange noch? Umso wichtiger wäre es, dass die Union endlich eine Position findet, welche Art von Einsatz unter welchen Bedingungen und mit welchem Mandat akzeptabel erscheint. Der Ausbau des neuen EU-Verteidigungsbündnisses Pesco wird ohnehin dazu führen, dass die von vielen geforderte europäische Armee mit einem Mandat ausgestattet werden muss.