„Springbreak hat die Kurve nach oben getrieben“
Max Meisel arbeitet seit Oktober als Bau-Ingenieur im US-Bundesstaat Florida. Im Gespräch mit der Neuburger Rundschau berichtet der 25-jährige Fußballer des FC Zell/Bruck darüber, wie die Menschen dort und auch er selbst mit der Krise umgehen
Neuburg/Clewiston Mit aktuell rund 1,2 Millionen bestätigten Fällen ist die USA „das“Epizentrum auf der Welt in Sachen Corona. Dabei ist die Reaktion auf das Virus in vielen Staaten unterschiedlich. Ein entscheidender Grund dafür ist – neben den Infektionszahlen – freilich auch die Politik. Schließlich stehen am 3. November die Präsidentschaftswahl auf dem Programm. Max Meisel hat die komplette Entwicklung in Sachen Corona-Krise hautnah miterlebt. Der 25-jährige Neuburger, der seit Kindesbeinen für den FC Zell/ Bruck Fußball spielt, ist seit Oktober 2019 als Bauingenieur für ein regionales Unternehmen in Clewiston (US Bundesstaat Florida) tätig. Wir haben uns mit ihm über seine bisherigen Eindrücke unterhalten.
Herr Meisel, wie hat man die Anfänge dieser Pandemie in Florida wahrgenommen?
Meisel: Ich denke schon, dass die Leute hier das Ganze zu Beginn komplett auf die leichte Schulter genommen haben. Am normalen Alltag hat sich zunächst überhaupt nichts verändert. Erst als sich New York immer mehr zum Brennpunkt dieser Krise entwickelt hat, ist auch den Menschen in Florida der Ernst der Situation immer mehr bewusst geworden. Das hat sich dann auch noch gesteigert, als die Zahlen der Infizierten und Toten veröffentlicht wurden beziehungsweise immer weiter angestiegen sind. In diesem Moment ging es auch hier – ähnlich wie in Deutschland – mit den Hamsterkäufen richtig los.
Welche Produkte gingen denn in Florida am meisten über die Ladentheke? Meisel: Neben Toilettenpapier und Nudeln war es vor allem – und das hat mich doch ziemlich schockiert – Waffen und Munition. Mir wurde erzählt, dass sich die Leute damit vor möglichen Plünderungen schützen wollen. Zudem gab es natürlich fast überall ewig lange Schlangen. An diesem Einkaufsverhalten hat man deutlich gemerkt, dass sich die Einstellung der Leute zu dieser Pandemie deutlich verändert hat. Hinzu kam, dass auch Restaurants oder Barbershops zeitweise ihren Betrieb eingestellt haben. Seit dieser Woche gibt es jedoch wieder zahlreiche Lockerungen. Mittlerweile haben fast alle Geschäfte wieder geöffnet – was mich ehrlich gesagt schon etwas da die Infektions- und Todeszahlen weiter ansteigen. Man merkt einfach, dass der Präsidentschafts-Wahlkampf mittlerweile schon begonnen hat.
Um bei der Politik zu bleiben: Haben Sie den Eindruck, dass Floridas Gouverneur Ron DeSantis die Situation rund um die Corona-Krise in seinem Bundesstaat im Griff beziehungsweise dafür einen echten Plan hat?
Meisel: Mein persönlicher Eindruck war, dass sich eigentlich jeder Bundesstaat nach Präsident Donald Trump ausgerichtet hat. Das Problem dabei war, dass Trumps Aussagen immer wieder sehr schwankend und auch widersprüchlich waren. Aus diesem Grund konnte man die jeweilige Situation auch nie richtig einschätzen. Und genau das hatte dann auch einen großen Einfluss auf die Entscheidungen der Gouverneure. Was für mich sehr auffällig war: Das Ganze wurde von Bundesstaat zu Bundesstaat anders interpretiert und ausgelegt. Der eine Staat hat sich nach der Aussage X von Trump gerichtet, der andere nach Aussage Y. Von dem her war das im ganzen Land doch ein ziemliches Durcheinander.
Floridas Gouverneur Ron DeSantis ist Mitglied der Republikaner und gilt als treuer „Untergebener“von US-Präsident Donald Trump. Zeichnet das auch sein Handeln aus?
Meisel: Ja, definitiv! Wenn Trump in der Corona-Krise etwas sagt, wird das in der Regel von DeSantis auch umgesetzt – in welche Richtung auch immer. Das ist schon ziemlich auffällig.
Sie haben die vielen widersprüchlichen und schwankenden Aussagen von Trump bereits angesprochen. Wie gehen die Menschen in Florida grundsätzlich mit dem Auftreten und Handeln des US-Präsidenten um? Meisel: Nun, was Trump betrifft, ist die Bevölkerung hier ziemlich gewundert, spalten. Es gibt beispielsweise viele Immigranten aus Süd- beziehungsweise Latein-Amerika. Diese sind, ebenso wie der überwiegende Teil der dunkelhäutigen Bevölkerungsschicht, zumeist gegen Trump. Seine Befürworter befinden sich dagegen dort, wo er sich auch engagiert – wie beim Waffengesetz. Daher gibt es dem US-Präsidenten gegenüber auch hier viel Pro und Contra.
Einer der bekanntesten Trump-Gegenspieler ist New Yorks Gouverneur Andrew Cuomo (Mitglied der Demokraten), dessen Bundesstaat am heftigsten von der Pandemie betroffen ist. Haben die Menschen in Florida mit Blick auf New York Angst, dass dieses HorrorSzenario auch in Ihrem Staat drohen könnte?
Meisel: Eine gewisse Sorge oder Angst ist auf alle Fälle vorhanden! Gerade in den Großstädten wie Tampa oder Miami. Nachdem ja vor einiger Zeit noch öffentlich kolportiert wurde, dass sich dieses Virus bei Hitze nicht so aggressiv ausbreiten würde, wurde diese Aussage mittlerweile durch die hohen Zahlen an Infizierten und Toten widerlegt. Hier in Florida leben ja bekanntlich viele ältere Leute. Und diese sieht man seit einigen Wochen kaum noch in der Öffentlichkeit. Sie versuchen, sich bestmöglich in den eigenen vier Wänden zu schützen. Aber auch die jüngeren Leute begegnen sich auf der Straße durchaus mit einer gewissen Vorsicht.
Wie gehen Sie persönlich mit dieser momentanen Situation um?
Meisel: Nun, ich schütze mich, so gut es eben geht. Auch wenn es jetzt wieder zahlreiche Lockerungen gibt und einige Strände wieder geöffnet werden, werde ich das zunächst definitiv meiden. Ich wollte eigentlich vor einigen Wochen mit einem Kumpel einen Tauchschein machen. Doch das haben wir aufgrund der heiklen Situation sehr schnell abgesagt – ebenso wie einen Besuch des legendären Springbreaks. Als diese Krise so richtig ausgebrochen ist, haben die Menschen ja bereits ordentlich hier in Florida gefeiert. Ich bin überzeugt, dass das die Infektionskurve nochmals deutlich nach oben getrieben hat. Meine persönliche Verhaltensweise richte ich schon ziemlich nach dem, was in Deutschland gesagt und empfohlen wird.
Deutschland ist – im Gegensatz zu den USA – bislang noch relativ glimpflich durch diese Pandemie gekommen. In wieweit gehen die Blicke der Amerikaner diesbezüglich in Richtung deutsches Krisen-Management?
Meisel: Was die reinen Zahlen betrifft, richten sich die Blicke der Amerikaner eigentlich gar nicht auf die anderen Länder. Die einzige Ausnahme war und ist, als man die Schuld für den Ausbruch des Coronavirus anderweitig gesucht hat. Zunächst bei Europa, dann in China. In Sachen Krisen-Bewältigung blicken die USA – allen voran natürlich Präsident Trump – einzig und allein auf sich.
Wie intensiv halten Sie selbst in dieser angespannten Phase Kontakt in Ihre Heimat nach Neuburg?
Meisel: Schon sehr intensiv. Ich telefoniere oder schreibe viel mit Freunden oder meiner Familie. Gerade um meine Oma, die etwas älter ist, mache ich mir schon Sorgen – und sie sich um mich sicherlich auch. Meine Eltern sehen das hingegen eher etwas gelassener, weil sie wissen, dass ich vorsichtig bin und auf mich aufpasse.