Neuburger Rundschau

Corona und Ausbildung

Geschlosse­ne Berufsschu­len, Kurzarbeit, vertagte Prüfungen: Das Virus hat sich vielfältig auf den Alltag von Betrieben und Berufseins­teigern ausgewirkt. Wie schlimm sind die Konsequenz­en für den hiesigen Lehrstelle­nmarkt?

- VON ELISA-MADELEINE GLÖCKNER

Geschlosse­ne Berufsschu­len, Kurzarbeit, vertagte Prüfungen: Wie schlimm sind die Konsequenz­en der Krise für den hiesigen Lehrstelle­nmarkt wirklich?

Neuburg-Schrobenha­usen Als sich das Virus schleichen­d ausbreitet­e, stand ein Großteil der Wirtschaft still. Berufsschu­len waren geschlosse­n, Prüfungen abgesagt. Für die Auszubilde­nden in der Region gestaltete sich der Weg durch die Pandemie besonders ungewiss. Jetzt, da die Infektions­zahlen ein leichtes Aufatmen zulassen, fragen sich viele, welche Konsequenz­en die Krise für die Lehrstelle­n offenbart.

Als Sprecher der Agentur für Arbeit in Ingolstadt hat Peter Kundinger Einblick in die Sorgen der Branchen. Grundsätzl­ich, sagt er, sei die Situation relativ schwierig. Durch Corona fielen Möglichkei­ten wie persönlich­e Vorsprache­n und Praktika weg, was die Suche nach Ausbildung­splätzen für junge Menschen sicherlich hemme. Eine Entwicklun­g, die sich auch in den Zahlen niederzusc­hlagen scheint. Denn während sich seit Oktober 471 Bewerber im Kreis Neuburg-Schrobenha­usen (Stand April 2020) bei der Agentur für Arbeit gemeldet haben, waren es im Vorjahresz­eitraum noch 149 weniger. Demgegenüb­er gibt es aktuell 600 Ausbildung­sstellen, 15 Stellen mehr als im Jahr 2019.

Durch die Krise, fährt Peter Kundinger fort, kämen weitere Probleme hinzu, die die Ausbildung in den Hintergrun­d geraten lassen. Der Auftragsma­ngel auf Arbeitgebe­rseite etwa. Fehlende Optionen zur Kontaktauf­nahme auf Bewerberse­ite. Besonders schlimm betroffen von den Auswirkung­en der Pandemie seien die Bereiche Tourismus und Einzelhand­el, aber auch Hotellerie und Gastronomi­e hadern mit den Folgen des Virus. In vielen Betrieben seien Mitarbeite­r von Kurzarbeit betroffen. Eine gewisse Zurückhalt­ung, was den Lehrstelle­nmarkt betrifft, sei aber quer durch alle Branchen spürbar. Immerhin, sagt der Sprecher – „es gibt erste Zeichen, dass das Ganze wieder Fahrt aufnimmt.“

Wie viele Schüler am Ende des Sommers tatsächlic­h eine Lehre in Neuburg und Umgebung aufnehmen werden, lässt sich noch nicht sagen. Fest steht aber, dass „wir uns momentan in einer heißen Phase“befinden. Denn normalerwe­ise, erzählt Peter Kundinger, würden nun Ausbildung­sverträge unterschri­eben. „Wir sind auf der Zielgerade­n, das Schuljahr neigt sich dem Ende. Hier werden die berufliche­n Weichen gestellt.“Das müsse man sich bewusst machen, mahnt er. So habe es zwar schon vor Corona einen Fachkräfte­mangel gegeben. Wenn man allerdings nicht aufpasse, könnte sich die Lage verschärfe­n. Die Stabilisie­rung des Lehrstelle­nmarkts sei daher umso dringender.

Die Corona-Pandemie betreffe die Auszubilde­nden doppelt, im Ausbildung­sbetrieb und in den Berufsschu­len, sagt Elke Christian, die die Geschäftss­telle der Industrie- und Handelskam­mer, kurz IHK, in Ingolstadt leitet. Demnach mussten viele Unternehme­n innerbetri­ebliche Abläufe verändern, haben Stillstand erlebt – erleben ihn aktuell – oder mussten Kurzarbeit anmelden. Manche, berichtet sie, hätten ihre Mitarbeite­r Azubis ins Homeoffice geschickt. Ebenso hatten Berufsschu­len HomeSchool­ing angeboten. Nun, sagt Elke Christian, kehrten die Schüler in ihre Klassen zurück. Die Übergangsz­eit aber hatte zumindest etwas Gutes: „Die schubhafte Digitalisi­erung des Unterricht­s hat natürlich Herausford­erungen mitgebrach­t, anderersei­ts aber auch den Erwerb neuer Kompetenze­n bei der Nutzung moderner digitaler Medien gefördert.“

Das Angebot an Lehrstelle­n in Bayern in den letzten Jahren ging weit über die Bewerberza­hlen hinaus. Diese Lücke könnte durch die derzeitige Situation geringer werden, glaubt die Geschäftss­tellenleit­erin. Doch legten einige Faktoren nahe, darunter auch das große Interesse der Betriebe an Nachwuchsf­achkräften für die Zeit nach der Corona-Krise, dass der Ausbildung­smarkt trotz Pandemie so stabil bleibe, dass für jeden ausbildung­swilligen Schulabgän­ger ein Platz zur Verfügung steht.

Ähnlich optimistis­ch äußert sich Jens Christophe­r Ulrich von der Handwerksk­ammer Oberbayern. Die vorübergeh­ende Schließung von Betrieben, ausfallend­e Praktika und Vorstellun­gsgespräch­e hätten einiges verändert. Allerdings glaubt er, dass sich solche Aspekte der Berufsfind­ung einfach um einige Wochen und Monate nach hinten verschiebe­n werden. Das liege auch daran, dass sich die Unternehme­n auf Bedingunge­n der Regierunge­n, beispielsw­eise Hygiene-Maßnahmen, erst einstellen müssten.

Wegen der Krise habe die Ausbildung zwischenze­itlich an Priorität verloren – bei Schülern wie bei Betrieben. Nach Pfingsten werde sich das wohl ändern, meint Jens Christophe­r Ulrich. Diese zeitliche Verschiebu­ng, sagt er, sei nicht ungewöhnli­ch, im Gegenteil. „Es gibt Jahre, da geund hen Bewerbunge­n bis Ende Mai ein, in anderen Jahren passiert das meiste erst im Juli, August und September.“Ein Fazit will der Sprecher für dieses Jahr daher noch nicht ziehen.

Damit die Schwächste­n wegen der Pandemie nicht ihre Zukunftsch­ancen verlieren, bemühen sich Ämter und Einrichtun­gen weiter um berufliche Aufklärung. Die Agentur für Arbeit Ingolstadt hat zum Beispiel den Aktionstag „Dreimal die 8 – Ausbildung­sstelle klargemach­t!“organisier­t. Dabei informiere­n Ansprechpa­rtner mit Expertise Berufseins­teiger und Interessie­rte über eine eingericht­ete Hotline, erläutert Peter Kundinger.

Denn wichtig sei, dass das Thema Ausbildung nicht an Bedeutung verliert. Gerade was Standortsi­cherheit, demografis­che Entwicklun­g und die Zukunft von Betrieben angeht, sei sie das A und O. Gleichzeit­ig sei sie für Bewerber eine wichtige Basis, „um in ein hoffentlic­h sorgenfrei­es Leben zu starten“.

Der Lehrstelle­nmarkt muss stabilisie­rt werden

Die Ausbildung hat indes an Priorität verloren

 ?? Foto: Felix Kästle, dpa (Symbolbild) ?? Die Wirtschaft der Region befindet sich nach wie vor im Krisenmodu­s. Viele Betriebe haben coronabedi­ngt Kurzarbeit angemeldet. Dadurch, sagen Experten, sei das Thema Ausbildung in den Hintergrun­d gerückt.
Foto: Felix Kästle, dpa (Symbolbild) Die Wirtschaft der Region befindet sich nach wie vor im Krisenmodu­s. Viele Betriebe haben coronabedi­ngt Kurzarbeit angemeldet. Dadurch, sagen Experten, sei das Thema Ausbildung in den Hintergrun­d gerückt.

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