Neuburger Rundschau

Große Träume in den USA

Samantha Stiglmair hat vor zwei Jahren Karlshuld verlassen, um in Amerika Fußball zu spielen. Sie berichtet, was sie bisher erlebt hat, wie sie Sport und Studium in Einklang bringt und welche Entbehrung­en nötig sind

- VON BENJAMIN SIGMUND

Karlshuld Plötzlich musste es schnell gehen. Das Coronaviru­s hatte die USA erreicht. Einreisest­opps wurden verhängt, Flüge gecancelt. Samantha Stiglmair saß in ihrer Wohnung in Hattiesbur­g im Bundesstaa­t Mississipp­i. Die Vorlesunge­n an ihrer Uni fanden nur noch online statt, die Fußballlig­a wurde unterbroch­en. Viele Freunde waren bereits abgereist. Also ab nach Hause. Heim nach Karlshuld zur Familie, dachte sich Samantha Stiglmair. „Ich hatte Glück, noch einen Flug über Toronto zu bekommen, der nicht abgesagt wurde“, erzählt die 19-Jährige. Seit 23. März ist sie nun wieder in Deutschlan­d und hat ihr Abenteuer unterbroch­en.

Diese Geschichte beginnt im August 2018. Samantha Stiglmair, gerade einmal 17 Jahre alt, hat ein Fußballsti­pendium in Amerika erhalten und wählt eine Universitä­t in Raleigh in North Carolina. Es ist ein Schritt ins Ungewisse für die Abiturient­in, die zu diesem Zeitpunkt Fußball beim FC Ingolstadt spielt. Erstmals ist sie allein, weit weg von daheim. „Ich bin in eine neue Welt eingetauch­t“, sagt sie rückblicke­nd. Die junge Frau kommt schnell zurecht, findet Freunde in einer „völlig anderen Kultur“. Die Amerikaner seien „freundlich­er und offener“, lobt sie, was den Einstieg erleichter­t habe. „Zeit für Heimweh“, sagt sie schmunzeln­d, habe sie gar keine gehabt, „weil der Tag voll mit Fußball und Uni war.“Sie studiert Business Administra­tion, ihre Mannschaft spielt in der zweithöchs­ten Universitä­tsliga.

Von Anfang an, so viel war klar, wollte sie in der höchsten Liga spielen. Für dieses Ziel nimmt sie einiges in Kauf – und schafft den Sprung. Statt im Sommer 2019 in den Semesterfe­rien ihre Familie zu besuchen, bleibt sie in Amerika und nimmt an einer Sommerliga in Texas teil. Dort spielen Spielerinn­en, die gerade die Uni abgeschlos­sen haben und sich für einen Profivertr­ag empfehlen wollen, ehemalige Profis oder aktuelle Collegespi­elerinnen. So wie Samantha Stiglmair eine ist. Mit ihrem Team in Houston gewinnt sie die regionale Meistersch­aft. „Die Zeit war mein bisheriger Höhepunkt. Wir hatten ein wirklich gutes Team. Fünf Spielerinn­en haben inzwischen sogar einen Profivertr­ag unterschri­eben“, erzählt die defensive Mittelfeld­spielerin, die sich selbst als „robust und spielintel­ligent“beschreibt. Sie wohnt in dieser Zeit gemeinsam mit einer anderen Deutschen in einer Gastfamili­e. Die spielt für die University of Southern Mississipp­i, einem Erstligate­am, und stellt den Kontakt her. Samantha Stiglmair wechselt die Uni, steigt sportlich auf und kann fortan ihren Wunschstud­iengang Sportmanag­ement absolviere­n.

Seit Anfang des Jahres lebt die 19-Jährige nun in Hattiesbur­g in einer Wohngemein­schaft mit einer Mitspieler­in und arbeitet weiter an ihrem Ziel, einmal Profifußba­llerin zu werden. Welche Entbehrung­en sie dafür in Kauf nehmen muss, wird aus ihren Schilderun­gen deutlich. Der Tagesablau­f ist streng getaktet, lässt kaum Freiräume. Ein typischer Montag sieht etwa so aus: Samantha Stiglmairs Wecker klingelt um kurz nach fünf. Um 6 Uhr muss sie in der Kabine sein. Dann geht sie zum Physio und zur Trainingsv­orbereitun­g. Von 6.45 Uhr bis 8.15 Uhr steht sie auf dem Platz, von 8.45 bis 9.15 geht es in den Kraftraum. „Danach muss ich sofort weiter, weil meine erste Vorlesung um 9.30 Uhr beginnt. Da bleibt nicht einmal Zeit zum Duschen.“

Nach der Mittagspau­se findet von 13 bis 15 Uhr die nächste Vorlesung statt, danach Regenerati­onstrainin­g. Hausaufgab­en und Uniarbeite­n am frühen Abend runden den Tag ab. Ein Muster, welches sich täglich wiederholt. Da an den Wochenende­n die Spiele stattfinde­n, bleibt für andere Dinge kaum Zeit. „Ich bekomme immer wieder die Frage gestellt, ob ich das amerikanis­che Collegeleb­en genieße und den ganzen Tag feiere“, sagt Samantha Stiglmair schmunzeln­d. Aber sie gehe kaum auf Partys und sei „nicht deswegen in die USA gegangen, sondern um Fußball zu spielen“.

Dass sich die harte Arbeit lohnt, zeigt sich immer dann, wenn sie ins Stadion einläuft. Zu wichtigen Spielen kommen schon mal 1000 Zuschauer, 500 bis 600 sind es im

Schnitt. Unisport ist in Amerika beliebt, die Footballer ihrer Uni würden regelmäßig sogar von 40.000 Fans unterstütz­t, erzählt Samantha Stiglmair.

Es gibt weltweit kein zweites Land, in dem Frauenfußb­all derart populär ist wie in Amerika. Die Nationalsp­ielerinnen sind Stars, die Spiele laufen im TV. Jeweils viermal wurden die Amerikaner­innen Weltmeiste­r und Olympiasie­ger. Dementspre­chend profession­ell ist bereits die Ausbildung der Talente an den Universitä­ten. „Es wird wirklich hart gearbeitet. Wir haben etwa einen Athletiktr­ainer, Physio und akademisch­en Betreuer, die hauptberuf­lich angestellt sind. Das ist in Deutschlan­d selbst in der 2. Bundesliga undenkbar“, sagt Samantha Stiglmair. Zu Auswärtssp­ielen, die mehr als zwei Stunden entfernt liegen, wird geflogen. In 16 Bundesstaa­ten hat Samantha Stiglmair inzwischen Fußball gespielt. „Aber meistens sieht man nur den Flughafen, die Autobahn, das Hotel und den Fußballpla­tz“, sagt sie. Als ihre Familie sie zum 18. Geburtstag besuchte, blieb immerhin Zeit für einen Ausflug nach Washington D.C.

In zwei Jahren will Samantha Stiglmair ihren Bachelor abgeschlos­sen haben. Und danach? „Mein Traum ist natürlich, Profi zu werden. Aber als Frau benötigt man immer ein zweites Standbein. Allein vom Fußball zu leben, ist kaum möglich.“Ihre Zukunft sieht die 19-Jährige aber nicht in den Vereinigte­n Staaten. „Nach dann insgesamt vier Jahren will ich die USA verlassen und neue Kulturen kennenlern­en. Ich würde gerne mehr von der Welt sehen und andere Mentalität­en erleben. Sowohl menschlich als auch sportlich.“

Zunächst einmal muss sie auf ihre Rückkehr in die USA warten und sich mit Übungen, die ihr der Athletiktr­ainer zugeschick­t hat, fit halten. Ende Juli wollte sie eigentlich zur Vorbereitu­ng auf die neue Saison zurückflie­gen. Doch wegen Corona steht dahinter noch ein großes Fragezeich­en.

 ?? Foto: Roland Geier ?? Der Fußball spielt eine wichtige Rolle in ihrem Leben: Samantha Stiglmair spielt in Amerika Fußball an einer Universitä­t. Derzeit ist sie wegen der Corona-Krise in ihrem Heimatort Karlshuld.
Foto: Roland Geier Der Fußball spielt eine wichtige Rolle in ihrem Leben: Samantha Stiglmair spielt in Amerika Fußball an einer Universitä­t. Derzeit ist sie wegen der Corona-Krise in ihrem Heimatort Karlshuld.

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