Der Zauberer ist wieder da
Nach überstandenen Leistenproblemen ist Thiago wieder im Mannschaftstraining des FC Bayern. Trainer Flick hebt dessen Sonderstellung heraus – und lobt einen gegnerischen Profi
München Eine alte Regel, die ihre Gültigkeit von der A-Klasse bis zur Bundesliga hat: Bei einem neuen Trainer werden die Karten für die Spieler neu gemischt. Zu sehen ist das auch im Starensemble des FC Bayern: Während Jupp Heynckes uneingeschränkt auf Abräumer Javi Martínez baute, spielt der Spanier bei Heynckes Nachfolgern meist eine untergeordnete Rolle. Thomas Müller bekam von Louis van Gaal (die Älteren werden sich erinnern) eine Stammplatzgarantie ausgestellt, wurde von Niko Kovac aber als besserer Ergänzungsspieler eingestuft und erlebt nun unter Hansi Flick wieder van Gaal’sche Zustände. Einer derer, auf die sich aber alle Übungsleiter einigen konnten, heißt Thiago. Kaum ein Profi in der Liga ist technisch besser als der Mittelfeldzauberer, wenige sind mit einer so hohen Spielintelligenz gesegnet.
Der Spanier, 2013 vom damaligen Coach Pep Guardiola per legendärem „Thiago oder nichts“-Dekret verpflichtet, ist ein Fixpunkt im Spiel der Münchner und hätte deutlich mehr als die bisherigen 228 Pflichtspiele für die Münchner absolvieren können, wenn nicht größere und kleinere Verletzungen ihn immer wieder zu Pausen zwingen würden. Das Branchenportal Transfermarkt hat errechnet, dass Thiago 124 Partien verletzungsbedingt verpasst hat. Vor allem in seinen ersten beiden Münchner Jahren verpasste er weite Teile der Saison. Auch in den jüngsten drei Spielen der Bayern war er nicht einsatzfähig, diesmal waren es Leistenprobleme. Rechtzeitig zum Top-Spiel gegen Leverkusen (Samstag, 15.30 Uhr) meldet sich der Ballzauberer aber wieder fit – und darf als Ausdruck der Wertschätzung sogar auf eine direkte Rückkehr in die Startelf hoffen.
Bayern-Trainer Hansi Flick sagte in der Pressekonferenz vor der Partie: „Thiago ist immer eine Option. Seine Qualität tut jeder Mannschaft gut.“Allerdings hätten es der mit zusätzlicher Muskelmasse aus der Corona-Pause gekommene Leon und Joshua Kimmich auch sehr gut auf den beiden zentralen Positionen vor der Abwehr gemacht, befand Flick. Beide hätten im Spiel gegen den Ball ebenso ihre Qualität wie in der Offensive – zu sehen war dies bei Kimmichs Geniestreich zum Siegtreffer gegen Dortmund. Dennoch sei er „happy“über Thiagos Rückkehr.
Einmal in der Stimmung für Lobeshymnen, äußerte Flick auch seine Wertschätzung für einen Spieler des Gegners: Kai Havertz. Der 20-Jährige, bei dem alle Top-Klubs Europas Schlange stehen, ist auch ein Thema beim FC Bayern, wie Ehrenpräsident Uli Hoeneß unlängst bestätigte. Flick, der sonst beim Personal anderer Klubs äußerst zurückhaltend ist, machte aus seinem Interesse für Havertz keinen Hehl: „Es gibt wenige Trainer, die etwas dagegen hätten, wenn er in ihren Mannschaften spielen würde, da gehöre ich auch dazu.“Vor allem seine Torgefahr sei in dessen jungen Jahren bereits beeindruckend.
Klar ist aber auch, dass der FC Bayern tief in die Tasche greifen müsste, um Havertz zu holen. Wie die Bild berichtet, soll Real Madrid rund 80 Millionen Euro geboten, Leverkusen das Angebot aber vorGoretzka erst abgelehnt haben. Unter 100 Millionen Euro soll das Supertalent, dessen Vertrag bis 2022 datiert ist, nicht wechseln dürfen.
Gut möglich, dass Havertz zum letzten Mal als gegnerischer Spieler auf den FC Bayern trifft. Dass Leverkusen mit Havertz den Münchnern wehtun kann, zeigte das Hinspiel im November: Leverkusen siegte darin mit 2:1. Es war im Übrigen das letzte Mal in dieser Saison, dass ein einsatzbereiter Thiago bei Bayern den Spielbeginn von der Bank aus ansah. Danach stellte ihn Trainer Flick immer in die Startelf der Münchner.