Hat Neuburg ein Rassismus-Problem?
Weltweit protestieren Menschen gegen Fremdenhass und Gewalt. Zwei junge Männer aus Neuburg und Ingolstadt berichten von rassistischen Anfeindungen aus ihrem Alltag. Wie die Polizei die Situation einschätzt
Neuburg In den beiden Großstädten Ingolstadt und Augsburg demonstrierten am Wochenende hunderte Menschen gegen Rassismus und Polizeigewalt. Der Mord an dem schwarzen US-Amerikaner George Floyd war der Auslöser für die weltweiten Proteste, die sich unter dem Slogan „Black Live Matters“formieren. Fremdenhass ist aber kein amerikanisches Problem. Zwei Jugendliche aus Neuburg und Ingolstadt berichten von rassistischen Anfeindungen im Alltag.
Es war auf dem Karlshulder Volksfest vor zwei Jahren. Der ausgelassene Abend endete für Dennis anders als erhofft. Der junge Mann mit angolanischen Wurzeln wurde angefeindet und als „Neger“beschimpft. Sein deutscher Freund sprach die pöbelnden Jugendlichen an, wollte seinen Freund mit Worten verteidigen und es endete in einer handfesten Schlägerei. Mit Tränen, Zorn und Traurigkeit ging Dennis, der eigentlich anders heißt, nach Hause.
Dumme Kommentare und rassistische Beleidigungen erfuhr Dennis an jenem Abend aber nicht zum ersten Mal. Fast täglich fallen ihm verachtende Blicke auf. Seine eigenen Eltern erinnern ihn regelmäßig daran, vorsichtig zu sein. „Gerade auf dem Land scheinen Ältere Vorurteile zu haben. Doch Rassismus ist in allen Altersgruppen ein Thema“, sagt der junge Mann. Ein Mal kamen zwei kleine Mädchen auf ihn zu und riefen ihm „Ausländer raus“zu. Dennis stellte sie zur Rede, bis sie sich entschuldigten. „Da frage ich mich, was in der Erziehung falsch gelaufen ist.“
Dieses Problem kennt auch James, dessen Name ebenfalls abgeändert ist. „In der Grundschule wurde ich aufgrund meiner Hautfarbe gehänselt und habe oft geweint“, erinnert sich der Ingolstädter. Bis vor Kurzem lebte er noch in einem kleinen Dorf bei Neuburg. James hat kenianische Wurzeln. „Die Kinder haben mich zwar nicht beleidigt, aber immer darauf hingewiesen, dass ich dunklere Haut habe.“Erst als er sich einen festen
Freundeskreis aufgebaut hatte, endeten die Schikanen. Von den Älteren nicht zurückgegrüßt zu werden, gehörte in dem kleinen Ort dennoch zu seinem Alltag. „Im Hinterkopf hatte ich ständig den Gedanken, anders zu sein.“
Inzwischen blendet James solche Gedanken aus. In Ingolstadt habe er einen großen Unterschied bemerkt. „Im Gegensatz zum Dorf spüre ich
keine Blicke. Ich fühle mich nicht mehr fehl am Platz“, erklärt der Auszubildende, der bereits sein ganzes Leben in Deutschland lebt.
Die Neuburger Polizei nimmt Rassismus sehr ernst. Der stellvertretende Dienststellenleiter der Polizeiinspektion Neuburg, Hubert Scharpf, sagt auf Nachfrage: „Wir haben aber keine besonderen Auffälligkeiten in Neuburg.“Häufig werden solche Anfeindungen nicht zur Anzeige gebracht, weiß Scharpf. Dabei können Beleidigungen, Bedrohungen oder Körperverletzung jederzeit angezeigt werden, egal ob mit oder ohne rassistische Motive, betont der Polizist. Ein Problem sei zudem, dass Rassismus nicht in den Anzeigen stehe, sondern dort Beleidigung oder Körperverletzung vermerkt werden. Dahier her sei auch die exakte Zahl an rassistischen Straftaten nicht auf den ersten Blick in den Statistiken zu erkennen, erklärt der stellvertretende Leiter der Polizeiinspektion. Hinsichtlich der aktuellen Situation in den USA sagt Scharpf: „Wir verfolgen, was in Amerika passiert.“
Dennis machte bisher noch nie von seinem Recht Gebrauch, rassistische Beleidigungen anzuzeigen. Er ignorierte Vorwürfe wie „Was willst du hier?“oder „Du gehörst nicht hierher!“. Besonders auf Volksfesten wie dem Barthelmarkt in Oberstimm oder dem Volksfest in Karlshuld sind die Anfeindungen gehäuft. Mit steigendem Alkoholpegel fällt die Hemmschwelle. Verletzt ist Dennis von den Beleidigungen trotzdem jedes Mal aufs Neue. Rassismus stößt bei ihm auf Unverständnis und Frust. „Ich möchte wie alle anderen einfach nur feiern.“Selbst in der Neuburger Innenstadt erlebte er schon Rassismus: Auf dem Weg zum Supermarkt wurde ihm aus einem Fenster „Bimbo“hinterhergerufen. „Mittlerweile kennen mich viele Neuburger und haben ihre Barrieren abgebaut“, sagt der junge Mann.
James kann das nur bestätigen. „Rassismus entsteht durch fehlende Kommunikation“, sagt er überzeugt. Den Satz „Ich hätte dich vom Aussehen her ganz anders eingeschätzt“, hörte der junge Mann schon oft. Sobald er ins Gespräch komme, könne er wahrlich zusehen, wie sich die Vorurteile in Luft auflösen, sagt James.
Aber nicht nur negative Erfahrungen haben die beiden Männer aufgrund ihrer Hautfarbe gesammelt. „Manchmal werde ich besser behandelt“, erzählt Dennis und lacht. Das habe ihm schon manche Schulnote gerettet. „Vor allem seit der Flüchtlingskrise und den Parolen der AfD spüre ich eine Gegenbewegung. Das ist wirklich toll und gibt Hoffnung.“James stimmt ihm zu. Auf dem Volksfest hatte er schon viele Komplimente bekommen, weil er Tracht trägt. Die aktuellen Demos sieht James positiv. Vor Kurzem war er selbst auf der Straße und gedachte George Floyd.