Neuburger Rundschau

Wie der Kampf um Corona-Medizin immer härter wird

Nicht nur Amerika, auch Deutschlan­d reserviert Mittel gegen das Virus. Werden ärmere Länder die großen Verlierer des Wettstreit­s?

- VON MICHAEL POHL

Berlin Deutsche Mediziner nennen das Medikament Remdesivir einen „Lichtblick“und einen „Meilenstei­n“in der Behandlung. Mit dem Ebolamitte­l würden schwer an Corona erkrankte Patienten schneller genesen. Doch just als die europäisch­e Arzneimitt­elbehörde EMA diese Woche ankündigte, den Einsatz des Medikament­s in Europa für Covid-19-Patienten offiziell zuzulassen, ist ein harter Wettstreit zwischen den USA und Europa um die verfügbare Jahresprod­uktion ausgebroch­en.

Ganz im Stile Donald Trumps erklärte der amerikanis­che Gesundheit­sminister Alex Azar: „Präsident Trump hat einen unglaublic­hen Deal getroffen, um sicherzust­ellen, dass die Amerikaner Zugang zu dem ersten zugelassen­en Therapeuti­kum für Covid-19 haben.“Tatsächlic­h vereinbart­e die amerikanis­che Regierung mit dem Remdesivir-Produzente­n, dem US-Pharmaries­en Gilead, die Lieferung von Dosen für 500 000 Behandlung­en im Wert von umgerechne­t einer Milliarde Euro. Der Vertrag sichert fast die komplette Produktion­smenge für Juli, August und September.

Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn forderte Gilead auf, den Exportverp­flichtunge­n nachzukomm­en. Er erwarte, „dass Deutschlan­d und Europa versorgt werden, wenn es um ein solches Medikament geht“, sagte er im ZDF. Der Bedarf für die kommenden Wochen sei noch gesichert durch die Reserven in der Zentralapo­theke des Bundes, sagte der CDU-Minister. Der SPD-Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach kritisiert­e das Vorgehen der USA im Deutschlan­dfunk: „Die jetzige Aktion bei Remdesivir ist ein sehr unfreundli­cher Akt der Amerikaner, und wenn wir so an den Impfstoff später heranginge­n, dann hätten wir sicherlich alle große Probleme“, warnte er. „Das käme dann einer Versteiger­ung des Impfstoffe­s gleich.“

Doch auch Deutschlan­d mischt auf internatio­naler Ebene im harten Kampf um einen möglichen Impfstoff und Medikament­e gegen Corona kräftig mit. So beteiligte sich die Bundesregi­erung in einem ungewöhnli­chen Schritt für 300 Millionen Euro mit 23 Prozent an dem Tübinger Biotechunt­ernehmen

CureVac, das in einem fortgeschr­ittenen Stadium an einem möglichen Corona-Impfstoff forscht.

Und zusammen mit Frankreich, Italien und den Niederland­en hat Deutschlan­d eine Vereinbaru­ng mit dem schwedisch-britischen Pharmakonz­ern AstraZenec­a geschlosse­n. Das Unternehme­n, einer der größten Arzneimitt­el-Hersteller der Welt, soll mindestens 300 Millionen Impfdosen produziere­n – was für zwei Drittel der gesamten EU-Bevölkerun­g ausreichen würde.

In einer unserer Redaktion vorliegend­en Antwort auf eine kleine Anfrage der Linke-Fraktion kündigte die Bundesregi­erung weitere mögliche Vorab-Kaufzusage­n für Medikament­e und Impfstoffe an, wenn damit die Versorgung Deutschlan­ds gesichert werden könne: „Die Bundesregi­erung wird entspreche­nde Instrument­e im Rahmen ihrer finanziell­en und rechtliche­n Möglichkei­ten nutzen“, erklärt das Gesundheit­sministeri­um.

Doch bei aller Sorge um die Versorgung der eigenen Bevölkerun­g mahnt die Linken-Gesundheit­spolitiker­in Sylvia Gabelmann, den Rest der Welt nicht zu vergessen, der es sich nicht wie Europa leisten kann, bei der Versorgung mit Corona-Medikament­en und möglichen Impfstoffe­n mit Trumps „Americafir­st“-Politik in den Wettbewerb zu treten. „Vorabkäufe und Reservieru­ngen führen dazu, dass die produziert­en Impfdosen den armen Ländern nicht zur Verfügung stehen“, sagt Gabelmann. „Am Ende entscheide­t offensicht­lich die Kaufkraft von Staaten über die Verfügbark­eit“, kritisiert sie. „Das kann insbesonde­re im globalen Süden viele Menschenle­ben kosten.“

Die Bundesregi­erung hätte beim Einstieg bei CureVac darauf dringen müssen, dass sichergest­ellt wird, dass ein möglicher Impfstoff auch in armen Ländern bezahlbar zur Verfügung stehe. Das Wirtschaft­sministeri­um antwortete jedoch auf Gabelmanns Anfrage: „Der Bund beabsichti­gt nicht, in die operative Geschäftsp­olitik von CureVac einzugreif­en.“Der Impfstoff solle aber grundsätzl­ich allen Menschen offenstehe­n. Bei der europäisch­en Impfdosen-Vorbestell­ung soll es laut Gesundheit­sministeri­um immerhin „einen gerechten Anteil für einkommens­schwache Länder“geben.

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Foto: dpa Durch US-Vorbestell­ung ausverkauf­t? Arzneimitt­el Remdesivir

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