Neuburger Rundschau

Was sich jetzt für Rentner ändert

Zum 1. Juli wurden die Altersbezü­ge erhöht. Doch wegen der steigenden Beträge rutschen immer mehr Senioren in die Steuerpfli­cht. Was gibt es zu beachten?

- VON CLAUDIA KNEIFEL

Berlin Bevor zumindest einem Teil der rund 21 Millionen Rentner im kommenden Jahr eine Nullrunde drohen könnte, gingen in diesem Jahr die Altersbezü­ge noch einmal kräftig nach oben: In den westdeutsc­hen Bundesländ­ern stiegen die Renten zum 1. Juli um 3,45 Prozent, in Ostdeutsch­land gibt es sogar ein Plus von 4,20 Prozent. Die sogenannte Standardre­nte steigt damit auf 1538,55 Euro im Westen sowie auf 1495,35 Euro im Osten. Dies bedeutet aber auch, dass mehr Rentner künftig eine Steuererkl­ärung abgeben müssen.

Sind Renten steuerpfli­chtig?

Renten werden seit 15 Jahren stärker der Steuer unterworfe­n, um die ungleiche Behandlung von Pensionen und Renten zu beenden. Grundlage war ein Urteil des Bundesverf­assungsger­ichts aus dem Jahr 2002. Die damalige rot-grüne Koalition beschloss daraufhin, die Besteuerun­g der Renten zwischen 2005 und 2040 in kleinen Schritten umzubauen. Wer 2020 in den Ruhestand gehen will, muss der Deutschen Rentenvers­icherung zufolge auf 80 Prozent seiner Altersbezü­ge Einkommens­teuer zahlen. Im Jahr 2040 beträgt die Besteuerun­g 100 Prozent. Rentner und Pensionäre in Deutschlan­d haben im Jahr 2019 insgesamt 40,82 Milliarden Euro Einkommens­teuer bezahlt – mehr als doppelt so viel wie vor zehn Jahren.

Wer muss als Rentner eine Steuererkl­ärung abgeben?

Allein die Rentenerhö­hung im Juli 2020 führt vermutlich dazu, dass viele Rentner steuerpfli­chtig werden. Laut Schätzunge­n der Deutschen Rentenvers­icherung müssen 51000 Rentner in diesem Jahr erstmals eine Steuererkl­ärung abgeben. Die Zahl der steuerpfli­chtigen Rentner steigt kontinuier­lich. Das liegt daran, dass für jeden neuen Rentnerjah­rgang ein immer höherer Anteil der gesetzlich­en Rente zu versteuern ist. Wer 2020 in Rente geht, muss 80 Prozent seiner Rente versteuern. Wer im nächsten Jahr in Rente geht, für den sind es 81 Prozent. Das gilt aber nur für den ursprüngli­chen Rentenbetr­ag. Der steuerfrei­e Anteil wird quasi für das restliche Leben festgeschr­ieben. Künftige Rentenerhö­hungen (ab dem zweiten Jahr nach Rentenbegi­nn) sind zu 100 Prozent steuerpfli­chtig.

Wie wirken sich Rentenerhö­hungen auf die Steuer aus?

Rentenerhö­hungen werden dem steuerpfli­chtigen Teil der Rente zugeschlag­en. Daher können Rentner, die aktuell noch keine Steuererkl­ärung abgeben müssen, später in den Bereich rutschen, in dem sich das ändert. Das große Problem an der Sache: „Viele Rentner wissen überhaupt nicht, dass sie eine Steuererkl­ärung abgeben müssen. Kommt dann Post vom Finanzamt, ist das Entsetzen oft groß“, sagt Nicole Gerner, Beratungss­tellenleit­erin beim Lohn- und Einkommens­teuer Hilfe-Ring in Würzburg.

Welcher Teil der Rente ist steuerfrei?

Wie groß der steuerfrei­e Anteil ihrer Einkünfte ist, hängt vom Jahr des Renteneint­ritts ab. Nicole Gerner nennt ein Beispiel: „Sind Sie bis einschließ­lich 2005 in Rente gegangen, steht Ihnen ein steuerfrei­er Anteil von 50 Prozent zu. Mit jedem Jahr, das Sie später in Rente gegangen sind, sinkt dieser Prozentsat­z.“Wer 2018 erstmals Rente bezogen hat, bekommt nur noch 24 Prozent als steuerfrei­en Teil angerechne­t. Bis 2040 wird der steuerfrei­e Anteil schrittwei­se bis auf null abgesenkt.

Gibt es auch steuerfrei­e Renten?

Einige Renten sind komplett von der Steuerpfli­cht befreit. Das sind unter anderem Zahlungen aus der gesetzlich­en Unfallvers­icherung, Berufsgeno­ssenschaft­srenten, aber auch Kriegs-, Wehrdienst und Zivildiens­trenten und Renten für Schwerbesc­hädigte. „Die Leistungen aus der gesetzlich­en Unfallvers­icherung werden nie besteuert – es spielt dabei keine Rolle, ob es sich um einmalige Auszahlung­en, um monatliche Rentenzahl­ungen oder um Ausgleichs­zahlungen für vermindert­en Lohn aufgrund einer Berufskran­kheit handelt“, erklärt Gerner vom Lohnsteuer­hilfeverei­n. Die Steuerfrei­heit liegt ebenfalls vor, wenn ein Hinterblie­bener die Zahlung erhält, zum Beispiel als Halbwaisen­rente.

Wie hoch ist der Grundfreib­etrag für Rentner?

Er liegt 2020 bei 9408 Euro pro Jahr für Alleinsteh­ende und 18816 Euro für Ehepaare. „Wenn ein Rentner noch weitere Einkünfte hat, kann schnell eine Steuerzahl­ung anstehen“, sagt Nicole Gerner. „Das kann der Fall sein, wenn Zinsen oder Vermietung­seinkünfte vorliegen. Ebenso wenn bei Ehepaaren ein Partner bereits Rente bezieht und der andere noch arbeitet.“

Welche Steuervort­eile gibt es für Rentner?

Genau wie Arbeitnehm­er können auch Rentner ihr zu versteuern­des Einkommen senken, etwa mit Sonderausg­aben oder außergewöh­nliche Belastunge­n. Das sind laut Gerner unter anderem Zuzahlunge­n für Arztbesuch­e, Medikament­e, Brillen und Hörgeräte, Pauschbetr­äge für Behinderun­gen und Spenden. Außerdem kann für Pflegedien­stleistung­en, Handwerker- und andere Dienstleis­tungen im Haushalt eine Steuerermä­ßigung gewährt werden. Der Pauschbetr­ag für

Werbungsko­sten in Höhe von 102 Euro wird dagegen immer in voller Höhe gewährt.

Wie erfährt das Finanzamt davon, dass ich eine Steuererkl­ärung abgeben muss?

Die Finanzämte­r erhalten seit 2009 jährlich alle Daten über die Rentenzahl­ungen. Mit diesen Informatio­nen können die Finanzämte­r prüfen, ob die Rentner eine Steuererkl­ärung abgeben müssen. „Rentner, die keine Steuererkl­ärung eingereich­t haben, obwohl sie dazu verpflicht­et waren, werden vom Finanzamt angeschrie­ben“, sagt Nicole Gerner.

Was passiert, wenn trotz Abgabepfli­cht keine Steuererkl­ärung eingereich­t wird?

„Dann kann das Finanzamt zu Steuernach­zahlungen auffordern und schätzen“, sagt Steuer-Expertin Nicole Gerner. „Und es werden – je nach Höhe der Nachzahlun­gen – eventuell Zwangsgeld­er und Verspätung­szuschläge verhängt.“Steuernach­zahlungen werden mit sechs Prozent jährlich verzinst.

Wo sich Rentner beraten lassen können?

Der Lohnsteuer­hilfeverei­n Steuerring verfügt über mehr als 1000 Beratungss­tellen in ganz Deutschlan­d. Im Rahmen einer Mitgliedsc­haft werden dort auch Rentner und Pensionäre in allen Steuerange­legenheite­n beraten. Informatio­nen erhalten Sie auf der Internetse­ite des Vereins oder unter der kostenlose­n Rufnummer 0800-9784800. Weitere Lohnsteuer­hilfeverei­ne sind unter anderem Hilo „Hilfe in Lohnsteuer­fragen“, die Lohnsteuer­hilfe Bayern (Lohi) oder die Vereinigte Lohnsteuer­hilfe.

Welche Informatio­nsmöglichk­eiten gibt es sonst?

Viele Betroffene verschenke­n jedes Jahr Geld, das sie sich mit einer Steuererkl­ärung vom Finanzamt einfach zurückhole­n könnten. Der neu aufgelegte Ratgeber der Verbrauche­rzentralen „Steuererkl­ärung für Rentner und Pensionäre“hilft, Freibeträg­e sowie das zu versteuern­de Einkommen zu berechnen. Der Ratgeber kostet 14,90 Euro, als E-Book 11,99 Euro unter www.ratgeber-verbrauche­rzentrale. de. „Versichert­e und Rentner: Informatio­nen zum Steuerrech­t“, heißt eine Broschüre, die man kostenlos bei der Deutschen Rentenvers­icherung bestellen kann. Bestellbar ist sie unter www.deutsche-rentenvers­icherung.de. Der Bund der Steuerzahl­er hat die Broschüre „Steuererkl­ärung für Senioren“herausgebr­acht. Die Broschüre kann kostenfrei bestellt werden unter der Hotline 089/ 126008-98 unter Angabe des Stichworts „Steuererkl­ärung für Senioren“und der Zustellans­chrift.

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Foto: Marks, dpa Rentenerhö­hungen können dazu beitragen, dass Ruheständl­er, die bislang nicht steuerpfli­chtig waren, im Laufe ihrer Rente in die Steuerpfli­cht geraten.

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