Goldfinger: Staatsanwälte im Steuer-Dschungel
Die Angeklagten gewinnen am Finanzgericht Baden-Württemberg einen wichtigen Prozess. Für das Augsburger Strafverfahren dürfte das gravierende Folgen haben. Wie sollen die Ermittler jetzt noch Straftaten nachweisen?
Augsburg Wenn man sich viele Jahre mit Strafprozessen beschäftigt hat, dann weiß man, dass die spannendsten Dinge oft nicht im Gerichtssaal passieren, sondern quasi hinter den Kulissen. Oder ganz woanders. Warum sollte das also im großen Augsburger Goldfinger-Prozess anders sein? Ist dieses Steuerstrafverfahren doch ohnehin seit Monaten gespickt mit ungewöhnlichen Episoden.
Nun kommt eine neue Wende hinzu, die nicht anders zu bezeichnen ist als spektakulär. Die Angeklagten haben am Dienstag vor dem Finanzgericht Baden-Württemberg einen Steuerprozess rund um die Goldfinger-Thematik gewonnen. Der Ausgang dieses Verfahrens kann nicht ohne Konsequenzen für den Augsburger Strafprozess bleiben.
Aufgabe der Finanzgerichte ist vor allem, den Bürgerinnen und Bürgern Rechtsschutz gegen unzutreffende Bescheide in Steuersachen zu gewähren. Menschen können sich an ein Finanzgericht wenden, wenn sie meinen, ihr Steuerbescheid sei unrichtig. Sie klagen dann gegen ihr zuständiges Finanzamt. Für Steuerstrafsachen sind die Finanzgerichte nicht zuständig.
Nun gibt es unter deutschen Steuerrechtsexperten nicht wenige, die sagen, das nach dem berühmten James-Bond-Film benannte Goldfinger-Steuersparmodell hätte niemals vor einem Strafgericht landen dürfen, sondern sei ausschließlich Sache der Finanzgerichte. Schließlich war es mit dem Bundesfinanzhof in München das höchste deutsche Finanzgericht, das die Goldfinger-Methode unter bestimmten Voraussetzungen für zulässig erklärt hat. Darüber kann man geteilter Meinung sein.
Die Augsburger Staatsanwaltschaft war jedenfalls der Ansicht, dass das, was die Münchner Rechtsanwälte und Steuerberater Martin H. und Diethard G. gemacht haben, Steuerhinterziehung oder Beihilfe ist und damit strafbar. Daher hat sie nach jahrelangen Ermittlungen Anklage gegen die beiden erhoben. Der Prozess begann Mitte November. Weitere Verfahren laufen, weitere Anklagen sind in Vorbereitung.
Doch in dem Strafverfahren sind Staatsanwaltschaft und Steuerfahndung bislang einen schlagenden Beweis schuldig geblieben. Das ging so weit, dass der Vorsitzende Richter der 10. Strafkammer, Johannes Ballis, Ende Mai eine Einstellung des Verfahrens gegen eine Geldauflage vorgeschlagen hatte. Dieser Anregung verweigerte sich die Staatsanwaltschaft aber und stellte im Gegenzug einen Befangenheitsantrag gegen den Richter. Der wurde abgelehnt. Und so geht es mit verhärteten Fronten weiter. Aber wie lange noch?
Das Urteil des Finanzgerichts in Stuttgart wird Folgen haben für den laufenden Augsburger Strafprozess. Denn wenn das Finanzgericht als Fachgericht nichts an der Steuererklärung des Angeklagten auszusetzen hat, wo soll dann eigentlich noch eine Straftat sein?
Konkret ging es in dem Verfahren um die Steuererklärung der Goldhandelsgesellschaft Global Trading aus dem Jahr 2010, bei der die beiden Angeklagten Gesellschafter waren. Das Finanzamt hatte die Steuerersparnis durch das Goldfinger-Modell nicht anerkannt. Dagegen klagte Global Trading vor dem Finanzgericht. Und hat nun auf ganzer Linie gesiegt. Selbst in voller Kenntnis der ganzen Akten aus dem Strafverfahren hat das Fachgericht die Steuererklärung der Goldfinger-Gesellschaft anerkannt. Das Urteil wird dazu führen, dass der Staat der Firma Global Trading eine Steuerrückerstattung in zweistelliger Millionenhöhe zahlen muss, nebst Entschädigungszinsen. Besonderer Clou: Das Finanzgericht Baden-Württemberg hat keine Revision zum Bundesfinanzhof zugelassen. Das heißt, für das Landesfinanzgericht sind alle Rechtsfragen geklärt.
Strafverteidiger Richard Beyer, der Martin H. in Augsburg vertritt, weiß nicht, ob er darüber wütend oder froh sein soll: „Durch das Urteil aus Stuttgart wird bestätigt, was wir immer gesagt haben, nämlich, dass die Angeklagten nichts falsch gemacht haben. Aber Staatsanwaltschaft und Finanzamt waren nicht in der Lage, die Steuergesetze richtig anzuwenden.“
Doch nicht nur zwischen Verteidigung und Staatsanwaltschaft kracht es. Auch bei der Augsburger Justiz tobt der Kampf hinter den Kulissen weiter. Nach Recherchen unserer Redaktion hat die Staatsanwaltschaft mittlerweile in allen bei der 10. Strafkammer anhängigen GoldfingerVerfahren einen Befangenheitsantrag gegen den Vorsitzenden Richter Ballis gestellt.
Und dann ist da noch die Sache mit den beschlagnahmten Daten. Der Chef-Steuerfahnder hat als Zeuge vor knapp zwei Wochen ausgesagt, dass im Rahmen der Durchsuchungen, insbesondere in einer Münchner Kanzlei, gesicherte Daten gelöscht worden seien, soweit sie keinen Bezug zum Verfahren haben. Dem widersprechen aber die Angeklagten und ihre Verteidiger. Unter den sichergestellten Daten seien sehr wohl auch welche, die gar keinen Verfahrensbezug hätten und teilweise sogar andere Mandanten beträfen. Zudem wollen die Angeklagten wissen, wie und auf welcher vertraglichen Basis diese Daten aktuell gesichert sind.
Richter Ballis macht daher nun Druck auf die Staatsanwaltschaft. Da aus den Gerichtsakten keine Löschung von Daten ersichtlich sei, fordert er eine Mitteilung, wann welche Daten gelöscht worden sind und ob sich nicht verfahrensrelevante Dokumente noch unter den Daten befinden. Für diesen Fall bittet das Gericht die Staatsanwaltschaft darum mitzuteilen, „ob, wie und wann“diese Daten gelöscht werden können. Es ist nicht das erste Mal im Goldfinger-Prozess, dass das Gericht oder die Verteidigung die Staatsanwaltschaft wegen fehlender Unterlagen in den Gerichtsakten rügt.