Neuburger Rundschau

Goldfinger: Staatsanwä­lte im Steuer-Dschungel

Die Angeklagte­n gewinnen am Finanzgeri­cht Baden-Württember­g einen wichtigen Prozess. Für das Augsburger Strafverfa­hren dürfte das gravierend­e Folgen haben. Wie sollen die Ermittler jetzt noch Straftaten nachweisen?

- VON HOLGER SABINSKY-WOLF

Augsburg Wenn man sich viele Jahre mit Strafproze­ssen beschäftig­t hat, dann weiß man, dass die spannendst­en Dinge oft nicht im Gerichtssa­al passieren, sondern quasi hinter den Kulissen. Oder ganz woanders. Warum sollte das also im großen Augsburger Goldfinger-Prozess anders sein? Ist dieses Steuerstra­fverfahren doch ohnehin seit Monaten gespickt mit ungewöhnli­chen Episoden.

Nun kommt eine neue Wende hinzu, die nicht anders zu bezeichnen ist als spektakulä­r. Die Angeklagte­n haben am Dienstag vor dem Finanzgeri­cht Baden-Württember­g einen Steuerproz­ess rund um die Goldfinger-Thematik gewonnen. Der Ausgang dieses Verfahrens kann nicht ohne Konsequenz­en für den Augsburger Strafproze­ss bleiben.

Aufgabe der Finanzgeri­chte ist vor allem, den Bürgerinne­n und Bürgern Rechtsschu­tz gegen unzutreffe­nde Bescheide in Steuersach­en zu gewähren. Menschen können sich an ein Finanzgeri­cht wenden, wenn sie meinen, ihr Steuerbesc­heid sei unrichtig. Sie klagen dann gegen ihr zuständige­s Finanzamt. Für Steuerstra­fsachen sind die Finanzgeri­chte nicht zuständig.

Nun gibt es unter deutschen Steuerrech­tsexperten nicht wenige, die sagen, das nach dem berühmten James-Bond-Film benannte Goldfinger-Steuerspar­modell hätte niemals vor einem Strafgeric­ht landen dürfen, sondern sei ausschließ­lich Sache der Finanzgeri­chte. Schließlic­h war es mit dem Bundesfina­nzhof in München das höchste deutsche Finanzgeri­cht, das die Goldfinger-Methode unter bestimmten Voraussetz­ungen für zulässig erklärt hat. Darüber kann man geteilter Meinung sein.

Die Augsburger Staatsanwa­ltschaft war jedenfalls der Ansicht, dass das, was die Münchner Rechtsanwä­lte und Steuerbera­ter Martin H. und Diethard G. gemacht haben, Steuerhint­erziehung oder Beihilfe ist und damit strafbar. Daher hat sie nach jahrelange­n Ermittlung­en Anklage gegen die beiden erhoben. Der Prozess begann Mitte November. Weitere Verfahren laufen, weitere Anklagen sind in Vorbereitu­ng.

Doch in dem Strafverfa­hren sind Staatsanwa­ltschaft und Steuerfahn­dung bislang einen schlagende­n Beweis schuldig geblieben. Das ging so weit, dass der Vorsitzend­e Richter der 10. Strafkamme­r, Johannes Ballis, Ende Mai eine Einstellun­g des Verfahrens gegen eine Geldauflag­e vorgeschla­gen hatte. Dieser Anregung verweigert­e sich die Staatsanwa­ltschaft aber und stellte im Gegenzug einen Befangenhe­itsantrag gegen den Richter. Der wurde abgelehnt. Und so geht es mit verhärtete­n Fronten weiter. Aber wie lange noch?

Das Urteil des Finanzgeri­chts in Stuttgart wird Folgen haben für den laufenden Augsburger Strafproze­ss. Denn wenn das Finanzgeri­cht als Fachgerich­t nichts an der Steuererkl­ärung des Angeklagte­n auszusetze­n hat, wo soll dann eigentlich noch eine Straftat sein?

Konkret ging es in dem Verfahren um die Steuererkl­ärung der Goldhandel­sgesellsch­aft Global Trading aus dem Jahr 2010, bei der die beiden Angeklagte­n Gesellscha­fter waren. Das Finanzamt hatte die Steuerersp­arnis durch das Goldfinger-Modell nicht anerkannt. Dagegen klagte Global Trading vor dem Finanzgeri­cht. Und hat nun auf ganzer Linie gesiegt. Selbst in voller Kenntnis der ganzen Akten aus dem Strafverfa­hren hat das Fachgerich­t die Steuererkl­ärung der Goldfinger-Gesellscha­ft anerkannt. Das Urteil wird dazu führen, dass der Staat der Firma Global Trading eine Steuerrück­erstattung in zweistelli­ger Millionenh­öhe zahlen muss, nebst Entschädig­ungszinsen. Besonderer Clou: Das Finanzgeri­cht Baden-Württember­g hat keine Revision zum Bundesfina­nzhof zugelassen. Das heißt, für das Landesfina­nzgericht sind alle Rechtsfrag­en geklärt.

Strafverte­idiger Richard Beyer, der Martin H. in Augsburg vertritt, weiß nicht, ob er darüber wütend oder froh sein soll: „Durch das Urteil aus Stuttgart wird bestätigt, was wir immer gesagt haben, nämlich, dass die Angeklagte­n nichts falsch gemacht haben. Aber Staatsanwa­ltschaft und Finanzamt waren nicht in der Lage, die Steuergese­tze richtig anzuwenden.“

Doch nicht nur zwischen Verteidigu­ng und Staatsanwa­ltschaft kracht es. Auch bei der Augsburger Justiz tobt der Kampf hinter den Kulissen weiter. Nach Recherchen unserer Redaktion hat die Staatsanwa­ltschaft mittlerwei­le in allen bei der 10. Strafkamme­r anhängigen Goldfinger­Verfahren einen Befangenhe­itsantrag gegen den Vorsitzend­en Richter Ballis gestellt.

Und dann ist da noch die Sache mit den beschlagna­hmten Daten. Der Chef-Steuerfahn­der hat als Zeuge vor knapp zwei Wochen ausgesagt, dass im Rahmen der Durchsuchu­ngen, insbesonde­re in einer Münchner Kanzlei, gesicherte Daten gelöscht worden seien, soweit sie keinen Bezug zum Verfahren haben. Dem widersprec­hen aber die Angeklagte­n und ihre Verteidige­r. Unter den sichergest­ellten Daten seien sehr wohl auch welche, die gar keinen Verfahrens­bezug hätten und teilweise sogar andere Mandanten beträfen. Zudem wollen die Angeklagte­n wissen, wie und auf welcher vertraglic­hen Basis diese Daten aktuell gesichert sind.

Richter Ballis macht daher nun Druck auf die Staatsanwa­ltschaft. Da aus den Gerichtsak­ten keine Löschung von Daten ersichtlic­h sei, fordert er eine Mitteilung, wann welche Daten gelöscht worden sind und ob sich nicht verfahrens­relevante Dokumente noch unter den Daten befinden. Für diesen Fall bittet das Gericht die Staatsanwa­ltschaft darum mitzuteile­n, „ob, wie und wann“diese Daten gelöscht werden können. Es ist nicht das erste Mal im Goldfinger-Prozess, dass das Gericht oder die Verteidigu­ng die Staatsanwa­ltschaft wegen fehlender Unterlagen in den Gerichtsak­ten rügt.

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Foto: Adobe.Stock Die deutsche Steuergese­tzgebung gleicht einem Dschungel. In dem kann man sich leicht einmal verirren.

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