Neuburger Rundschau

Ärzte mit unsicheren Masken beliefert

Zu Beginn der Pandemie war es eine große Herausford­erung, schnell Schutzmask­en für Mediziner und Pfleger zu bekommen. Nun wird klar: Das hat nicht immer geklappt

- VON CHRISTINA HELLER-BESCHNITT

Augsburg In der Corona-Krise bewahrheit­et sich ein altes Sprichwort: Gelegenhei­t macht Diebe. Oder in dem Fall eher: Gelegenhei­t macht Betrüger. Gerade zu Beginn der Corona-Pandemie wurden in ganz Deutschlan­d nach einer Recherche des Bayerische­n Rundfunks mehr als 800000 unsichere Schutzmask­en an Ärzte verteilt. Die Masken waren wohl als sicher zertifizie­rt in die EU eingeführt worden. Doch eigentlich hätten sie gar keine Zertifikat­e bekommen dürfen, da sie nicht den Sicherheit­sstandards entsprache­n. Auch in Bayern sind tausende – wohl eine niedrige fünfstelli­ge Zahl – unsicherer Schutzmask­en an niedergela­ssene Ärzte ausgeliefe­rt worden. Dies bestätigte die Kassenärzt­liche Vereinigun­g Bayern unserer Redaktion.

Insbesonde­re zu Beginn der Corona-Pandemie standen viele Ärzte, Krankenhäu­ser, Alten- und Pflegeheim­e vor einem riesigen Problem: Sie hatten zwar noch Schutzklei­dung und Atemschutz­masken, um ihr Personal vor einer Ansteckung mit Sars-Cov-2 zu schützen. Aber die Betonung lag eben auf noch. Schutzklei­dung und -masken waren Mangelware. Also fing der Bund an, Masken zentral einzukaufe­n und dann zu verteilen. Auch der Freistaat Bayern beteiligte sich an der Maskenbesc­haffung. Euphorisch nahm zum Beispiel Ministerpr­äsident Markus Söder Maskenlief­erungen entgegen und ließen sie im Land verteilen. Doch offenbar entsprach die gelieferte Ware nicht immer den gängigen Sicherheit­sstandards – zumindest nicht bei jenen, die der Bund kaufte.

Dass auch unsichere Schutzmask­en unter den ausgeliefe­rten Produkten waren, fiel schließlic­h einem aufmerksam­en Arzt auf. Er entdeckte seine Charge auf einem Warnportal der Europäisch­en Union, das kurz Rapex heißt, und meldete sich bei der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g Bayern, erzählt deren Sprecher Alexander Heise. Die

habe daraufhin eine Warnung auf ihre Seite gestellt, in der sie vom Gebrauch von zwei Atemschutz­masken-Typen abrät. Zwar sei die Zahl der unsicheren Masken im Vergleich zur insgesamt erworbenen und ausgeliefe­rten Ware nur sehr gering, sagt Heise. Dennoch bestehe ein Problem, wenn Schutzmask­en, die nicht richtig schützen, verteilt und verwendet werden. Zumal nicht ganz klar sei, ob die Ware neben Ärzten nicht auch Krankenhäu­ser und Altenheime erreicht hat.

Von der bayerische­n Krankenhau­svereinigu­ng heißt es, dass die Ware des Bundes wahrschein­lich nicht in den Krankenhäu­sern eingesetzt worden sei, weil diese sich zu

Symbolfoto: Jens Büttner, dpa nächst untereinan­der ausgeholfe­n und dann auf ihre bestehende­n Einkaufsst­rukturen zurückgegr­iffen hätten. Wer alles mit der fehlerhaft­en Charge beliefert wurde, müsste eigentlich das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmitt­elsicherhe­it – kurz LGL – wissen. Denn das hat die Masken an die KVB verteilt und auch einen Überblick darüber, wer mit Schutzmask­en beliefert wurde. Doch leider gibt das LGL dazu keine Auskunft. Wie schwer es ist, an verlässlic­he Ware zu kommen, weiß die Behörde aber aus eigener Erfahrung. Auf Anfrage unserer Redaktion teilt das LGL mit: „Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und LebensmitK­VB telsicherh­eit (LGL) kann aufgrund umfassende­r eigener Erfahrunge­n bei der Beschaffun­g von Schutzausr­üstung bestätigen, dass die Marktsitua­tion im Hinblick auf Lieferbark­eit, Liefertreu­e und im Hinblick auf Produktqua­lität bis heute als sehr problemati­sch gelten kann.“Von allen Angeboten, die das LGL von verschiede­nen Stellen bekommen habe, hätten deshalb weniger als ein Prozent tatsächlic­h angenommen werden können, heißt es.

Normalerwe­ise unterliege­n Masken einer doppelten Qualitätsp­rüfung, erklärt Heise. Zum einen kontrollie­rt das LGL in Stichprobe­n, ob die Masken die Sicherheit­skriterien erfüllen. Doch weil alle externen Prüfstelle­n ausgelaste­t waren, habe man sich auf die bereitgest­ellten Unterlagen zu den Produkten verlassen müssen, teilt das LGL mit. Zum anderen schaut die KVB, bevor sie die Masken verteilt, in die Europäisch­e Datenbank mit Produktwar­nungen – dort, wo auch der aufmerksam­e Arzt auf die Produktwar­nung gestoßen war. Doch zu dem Zeitpunkt, als die KVB die Masken verteilte, warnte die EU noch nicht vor der betroffene­n Charge, sagt Heise.

Nun stellt sich die Frage, ob die Aufdeckung Folgen haben wird. Auf der EU-Schnellwar­nseite Rapex finden sich immer noch zahlreiche Warnungen vor Atemschutz­masken. Das verwundert weder die KVB noch die bayerische Krankenhau­svereinigu­ng. Atemschutz­masken waren zeitweise derart begehrt, dass viele Betrüger dort ein Geschäft gewittert hätten, sind sich beide Stellen einig. Werden nun also die Kontrollen strenger? Vielleicht ein bisschen. Das Landesamt für Gesundheit teilt mit, dass gerade zu Beginn der Pandemie die Prüfstelle­n ziemlich ausgelaste­t waren. Weil diese Prüfungen aber wichtig sind und sich die Behörde eben nicht auf die mitgeliefe­rten Unterlagen verlassen kann, will Bayerns Verbrauche­rschutzmin­ister Thorsten Glauber eine eigene bayerische Prüfstelle für Schutzklei­dung aufbauen.

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 ??  ?? Hunderttau­sende unsichere Schutzmask­en wurden an deutsche Ärzte verteilt – auch bayerische Mediziner sind betroffen.
Hunderttau­sende unsichere Schutzmask­en wurden an deutsche Ärzte verteilt – auch bayerische Mediziner sind betroffen.

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