Neuburger Rundschau

Hagia Sophia in Erdogans Hand

Wird der Prachtbau in Istanbul von einem Museum in eine Moschee umgewandel­t? Die Justiz will es dem Präsidente­n überlassen

- VON SUSANNE GÜSTEN

Istanbul Wird die Hagia Sophia in Istanbul tatsächlic­h in eine Moschee umgewandel­t? Alles deutet darauf hin, dass die Entscheidu­ng über das Schicksal des 1500 Jahre alten Kirchenbau­s beim türkischen Präsidente­n Recep Tayyip Erdogan liegen wird. Der Verwaltung­sgerichtsh­of in Ankara befasste sich am Donnerstag mit dem Thema, die Verhandlun­g dauerte aber weniger als 20 Minuten. Die Staatsanwa­ltschaft betonte, es sei Sache von Erdogan, ob die Hagia Sophia zur Moschee erklärt werde oder nicht. Das Urteil des Verwaltung­sgerichts soll binnen zwei Wochen veröffentl­icht werden.

Erdogans Regierung gibt sich zuversicht­lich, dass die Hagia Sophia bald ein islamische­s Gotteshaus werden kann – doch ob der Präsident diesen Schritt dann wirklich wagt, ist offen. Möglicherw­eise ist ihm die Debatte über das Thema wichtiger als der Vollzug.

Über die Hagia Sophia wird seit Jahren gestritten. Im sechsten Jahrhunder­t als Hauptkirch­e des Byzantinis­chen Reiches gebaut, wurde sie von den Osmanen nach der Eroberung

von Istanbul 1453 zur Moschee erklärt. Seit 1935 ist der Bau ein Museum, in dem Gottesdien­ste aller Art verboten sind. Islamisten fordern seit Jahren eine Rückumwand­lung in eine Moschee. Erdogans Regierung hat sich angesichts schlechter Umfragewer­te hinter die Initiative gestellt, die vor allem bei religiösen und nationalis­tischen Wählern populär ist.

Kritik kommt von der Opposition, die Erdogan vorwirft, die Religion für politische Zwecke zu missbrauch­en. Auch Bartholomä­us, der Ökumenisch­e Patriarch von Konstantin­opel und geistliche­s Oberhaupt von weltweit 300 Millionen orthodoxen Christen, sowie Griechenla­nd wenden sich gegen den Plan.

Vor Gericht ging es um die Forderung eines islamistis­chen Verbandes, jenen Kabinettsb­eschluss zu annulliere­n, mit dem die Hagia Sophia zum Museum umfunktion­iert wurde. In ähnlichen Fällen hatten türkische Gerichte entschiede­n, dass die Entscheidu­ngsbefugni­s in solchen Fragen bei der Regierung liegt. Sollte das jetzt erwartete Urteil diese Ansicht bestätigen, könnte Erdogan die Umwandlung sofort verfügen. Laut Medienberi­chten könnte am 15. Juli, dem Jahrestag des Putschvers­uchs von 2016, der erste islamische Gottesdien­st in der Hagia Sophia seit fast 90 Jahren stattfinde­n.

Bei einem anderen Lieblingst­hema der Nationalis­ten hat Erdogan bewiesen, dass er über Jahre Veränderun­gen verspricht, ohne dieses Verspreche­n zu halten. Auf vielen Wahlkampfv­eranstaltu­ngen sagte Erdogan, er werde die Todesstraf­e wieder einführen, wenn das Parlament eine entspreche­nde Entscheidu­ng fälle. Doch dann verschwand die Angelegenh­eit regelmäßig wieder in den Schubladen.

Naypyidaw

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Foto: AP, dpa Die Hagia Sophia ist eine Touristena­ttraktion in Istanbul.

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