Der Tod als scheinbar klarer Fall
Wie der Film „Suicide Tourist“mit dem Thema Sterbehilfe umgeht
„Aurora“nennt sich das moderne Hotel hoch oben im norwegischen Permafrost, in dem die Gäste stets nur wenige Tage bleiben und für immer verschwinden. Sie kommen hierher nicht, um aufzutanken und sich zu erholen, sondern um Abschied zu nehmen vom Leben. So auch der Versicherungsagent Max (Nikolaj Coster-Waldau), dem die Ärzte einen schnell wachsenden Hirntumor attestiert haben, welcher schon bald seine geistige Zurechnungsfähigkeit beeinträchtigen wird.
Max hat es selbst versucht, aber nicht geschafft. Nicht mit dem Strick, aus dem ihm der freundliche Baumarkt-Mitarbeiter einen soliden Henkersknoten geflochten hat. Nicht mit dem Betonklotz, mit dem er sich ins Hafenbecken stürzte. Ihm fehlte der Mut für die Tat, genauso wie der Mut, seiner Freundin Laerke (Tuva Novotny) die grausame Wahrheit ins Gesicht zu sagen. Über eine Kundin gerät er schließlich an das Sterbehilfe-Unternehmen, das ein schmerzfreies Ableben verspricht und keine Rücktrittsklauseln im Vertrag zulässt.
Durch die letzten 24 Stunden vor dem geplanten Freitod begleitet Jonas Alexander Arnbys „Suicide Tourist“seinen lebensmüden Helden. In den geschwungenen Hotelgängen
und der morbiden Bar trifft er auf andere Sterbewillige, die aus den verschiedensten Gründen freiwillig aus dem Leben scheiden wollen. In ihren gestreiften Pyjamas sehen sie wie Sträflinge in einem Luxushotel aus. Abschiedsberater stehen den Gästen zur Seite, wenn es darum geht, das gewünschte Ambiente
und die richtige Methode für den unterstützten Selbstmord zu finden. Das obligatorische Abschiedsvideo wird aufgenommen auch aus juristischen Gründen. Auf freiwillige, aber auch radikale Weise wird Max mit der Endlichkeit des eigenen Seins konfrontiert.
Vor der unwirklichen Gletscherlandschaft verschwimmen die Grenzen zwischen Bewusstem und Unbewusstem, Gegenwart und Erinnerung zu einem ambitionierten Mystery-Thriller, dessen visuelles Stilvermögen jedoch deutlich stärker ausgeprägt ist als seine inhaltliche Aussagekraft. Das Thema Sterbehilfe wird in seiner ethischen und emotionalen Komplexität nur ungenügend ausgeleuchtet. Der lebensmüde Max ist als allzu schweigsamer Existenzialist angelegt, der nur selbstreflexiv agiert und zu wenig in Konflikt mit seinen Nächsten gerät. Dieses Manko können auch die Mystery-Effekte nicht vollständig kaschieren, die eine stimmige Atmosphäre erschaffen, aus der heraus jedoch zu wenig erzählt wird.