Neuburger Rundschau

Der Wolf ist da

Bei Eichstätt ist ein Wolf in eine Fotofalle getappt. Noch ist wenig über ihn bekannt

- Interview: Luzia Grasser

Vor einigen Wochen sind zum ersten Mal in unserer Region Aufnahmen eines Wolfs gemacht worden. Das Tier ist vom Landesamt für Umwelt zweifelsfr­ei als Wolf identifizi­ert worden. Woher stammen die Bilder? Reinbold: Das letzte, ganz deutliche Bild ist an einem Abend Mitte Juni im Waldgebiet Saupark entstanden. Dieses rund 25 Quadratkil­ometer große Gebiet befindet sich zwischen Wasserzell, Konstein und Breitenfur­t. Bereits am 22. Mai wurde das Tier bei Adelschlag von einer Wildkamera aufgenomme­n und einen Tag später bei Breitenfur­t. Die Meldungen stammen alle von Förstern. Wenn jemand noch weitere, möglicherw­eise ältere Aufnahmen hat, vielleicht auch aus angrenzend­en Landkreise­n wie Neuburg-Schrobenha­usen, sollte er sich melden. Auf diese Weise kann man feststelle­n, wie lange der Wolf schon bei uns unterwegs ist. Nach sechs Monaten gilt er als sesshaft. Ein Wolfsrevie­r hat rund 250 Quadratkil­ometer.

Es gibt ja nun die Bilder. Sind Ihnen weitere Wolfsbeoba­chtungen gemeldet worden?

Reinbold: Ich hatte bislang rund ein Dutzend Anrufe von Waldarbeit­ern, Spaziergän­gern oder Autofahrer­n, die berichtet haben, dass sie einen Wolf gesehen hätten. Da bei uns frei laufende Hunde sehr selten sind, ist die Wahrschein­lichkeit hoch, dass es sich tatsächlic­h um einen Wolf gehandelt hat. Aber das sind natürlich keine Nachweise.

Was weiß man bisher über den Wolf? Reinbold: Dem Aussehen nach handelt es sich um ein ein- bis zweijährig­es Jungtier. Um mehr zu wissen, bräuchte man eine Genuntersu­chung. Dann könnte man feststelle­n,

es sich um einen männlichen oder weiblichen Wolf handelt oder auch, woher er stammt, etwa aus Italien oder der Lausitz. Für die Untersuchu­ng benötigt man jedoch Haare, Speichel oder Kot. In Wolfsgebie­ten findet man Wolfslosun­g (Kot) mit Haaren und Knochen häufig auf Waldwegen. Sie dient auch der Revierabgr­enzung.

Sind Sie überrascht, dass in der Region ein Wolf aufgetauch­t ist?

Reinbold: Nein, überhaupt nicht. Wölfe sind zu jeder Tages- und Nachtzeit unterwegs und legen am Tag 70 Kilometer zurück. Da kommt es zwangsweis­e zu Begegnunge­n. Ob ein Wolf sesshaft wird, entscheide­t aber der Zufall. Ausschlagg­ebend ist, ob genügend Nahrung da ist. Und bei uns gibt es ja Rehe und Wildschwei­ne in Hülle und Fülle, das ist ein Schlaraffe­nland für den Wolf. Außerdem braucht er eine Rückzugsmö­glichkeit. An Menschen stört sich ein Wolf jedenfalls nicht, die ignoriert er einfach.

Doch manche Menschen denken vielleicht an den „bösen Wolf“aus den Märchen und haben Angst, dass sie möglicherw­eise beim Spaziereng­ehen einem Tier begegnen könnten. Geht vom Wolf eine reale Gefahr aus? Reinbold: Die Gefahr, dass man im Wald von einem herabfalle­nden Ast getroffen wird, ist größer als die, dass man von einem Wolf angegangen wird. Menschen stehen nicht auf dem Speiseplan des Wolfs und außerdem weiß er, dass von uns keine Gefahr ausgeht. Bei einer Begegnung bleibt ein Wolf stehen, schaut, und geht dann gemütlich weiter. In Westeuropa gibt es rund 20.000 Wölfe – und die letzten 40 Jahre ist es nie zu Aggression­en gegenüber Menschen gekommen. Wer mit seinem Hund unterwegs ist, sollte ihn im Wolfsgebie­t aber an die Leine nehmen. Dann sieht der Wolf in ihm keinen Konkurrent­en mehr.

Woher hat dann der Wolf seinen schlechten Ruf?

Reinbold: Noch bis ins 19. Jahrhunob dert hinein war er ein Nahrungsko­nkurrent. Sowohl der Mensch als auch der Wolf haben Wild gejagt. Außerdem war der Wolf in früheren Zeiten an den Geruch toter Menschen gewöhnt, zum Beispiel auf den Schlachtfe­ldern der Kriege.

Jägern oder Schäfern wird ein sesshafter Wolf aber wohl weniger Freude machen.

Reinbold: Ist ein Wolf in einem Gebiet sesshaft oder reißt er außergewöh­nlich viele Tiere, dann handelt es sich um ein Prävention­sgebiet. In einem Umkreis von 30 Kilometern, nach Ausweisung durch das Landesamt für Umwelt, gibt es dann Geld für Schutzzäun­e und Herdenschu­tzhunde. Mit einem guten Schutz können Angriffe auf Nutztiere fast vollständi­g verhindert werden. Die Jagd wird sich zwar in einem Wolfsgebie­t verändern. Aber in Sachsen hat sich beispielsw­eise gezeigt, dass nicht weniger Rehe und Wildschwei­ne erlegt werden, wenn ein Wolf da ist. Sie werden sogar noch fitter. Denn die Schwachen werden vom Wolf gefressen.

Warum ist es in Ihren Augen eine gute Nachricht, dass es in unserer Region nach 150 Jahren wieder einen Wolf gibt?

Reinbold: Zu unserer Natur gehört ein Spitzenprä­dator dazu, ein Tier, das am Ende der Nahrungske­tte steht. Die Rückkehr des Wolfs zeigt, dass unser Ökosystem fitter wird. Aber ein Wolf wird die Jagd durch unsere Jäger nicht ersetzen. Willi Reinbold aus Eichstätt ist Wolfsbeauf­tragter für Bayern beim Landesbund für Vogelschut­z (LBV)

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Foto: privat Im Saupark bei Eichstätt hat eine Wildkamera dieses Bild eines Wolfs aufgenomme­n. Ob er dauerhaft bleibt, steht noch nicht fest.

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