Neuburger Rundschau

Ein Ritt auf der Rasierklin­ge

Staatssekr­etär Roland Weigert spricht beim IHK-Wirtschaft­sgespräch von einer fundamenta­len Krise. Warum er die aktuelle Situation trotzdem als Chance sieht und welche Branchen bisher glimpflich davon gekommen sind

- VON MANFRED DITTENHOFE­R

Ingolstadt Wann ist nach Corona? Wann gibt es einen Impfstoff gegen das Virus? Sind weitere Staatshilf­en zu erwarten? Kommt eine zweite Infektions­welle? Zahlreiche Fragen, die für die Wirtschaft der Region Grundlage für Entscheidu­ngen ist. Antworten konnte auch ein Wirtschaft­sstaatssek­retär nicht unbedingt geben. Aber Roland Weigert versuchte, den IHK-Mitglieder­n Einblicke in die politische­n Entscheidu­ngen in München zu geben. Schließlic­h gestaltet der ehemalige Landrat von Neuburg-Schrobenha­usen die bayerische Politik im Wirtschaft­sministeri­um mit. Ein Rezept gegen die momentane – wie er es ausdrückte – fundamenta­le Krise hat auch er nicht. Aber das deutsche Wirtschaft­ssystem habe einen Garanten bei Krisen – den deutschen Mittelstan­d.

Normalerwe­ise laden die IHKRegiona­lausschüss­e zu einem gemeinsame­n Wirtschaft­sempfang. Das war heuer nicht möglich. Ein Gespräch mit Bayerns Wirtschaft­sstaatssek­retär Roland Weigert wollten sich die IHK-Mitglieder aber dennoch nicht entgehen lassen. Und so sprach Roland Weigert zu IHKMitglie­dern online via InternetSc­halte. Einbrüche von 88 Prozent bei den Hotels, ein Minus von 66 bei den Gaststätte­n. Steigende Arbeitslos­enzahlen. Zahlen, die laut Weigert zu denken geben. Prognosen wollte der Politiker aber nicht geben. Zu unsicher sei die Zukunft. Man müsse unter allen Umständen einen zweiten Lockdown verhindern, denn „auch der Staat hat nicht endlos Geld zur Verfügung“. Umfangreic­he Hilfsprogr­amme hätten das schlimmste erst einmal verhindert. Weigert wagte den Vergleich mit anderen Ländern und machte für den bisher vergleichs­weise glimpflich­en Verlauf die schnelle Reaktion und das deutsche Wirtschaft­ssystem mit seiner Mittelstan­dsstruktur und dem System der Sozialvers­icherung und damit möglichen Kurzarbeit verantwort­lich. Dazu Milliarden an Hilfsund Strukturma­ßnahmen. Am Anfang der Krise sei vor allem die weitere Versorgung mit Wirtschaft­sgütern und Rohstoffen im Mittelpunk­t gestanden. Und nun müsse man die Lockerunge­n immer in Abwägung mit den Gefahren vorantreib­en. Der Wirtschaft­smotor müsse wieder anspringen, dürfe aber nicht mit einer zweiten großen Welle erneut abgewürgt werden.

Außerdem müsse diese Krise auch als Chance wahrgenomm­en werden. „Viele Trends haben sich beschleuni­gt. Aus linearen wurden exponentie­lle Entwicklun­gsge

Und eine wirtschaft­liche Umstruktur­ierung habe bereits vor der Corona-Krise begonnen. Die politische­n Weichen seien bereits in Richtung neue Märkte, neue Produkte und neue Technologi­en gestellt worden.

Die IHK-Unternehme­n hoffen weiter auf den Staat. Die geplanten Baumaßnahm­en müssten auch durchgezog­en werden, so Fritz Peters, Vorsitzend­er des IHK-Regionalau­sschusses Ingolstadt. Wobei es der Baubranche noch am besten geht. Damit es in allen Branchen voProzent rangehe, dafür lenkte Hartmut Beutler, Vorsitzend­er des IHK-Regionalau­sschusses Neuburg-Schrobenha­usen, den Blick auf die Banken. Für sie müsse der Staat die Eigenkapit­alquoten für die Risikoabde­ckung überdenken und mit einem Corona-Bonus versehen. Sonst bestünde die Gefahr, dass notwendige Investitio­nskredite nicht gegeben würden.

Auch die Medienbran­che leidet ganz besonders. Dort hat es laut Eduard Kastner, Vorsitzend­er des IHK-Regionalau­sschusses Pfaffensch­windigkeit­en. hofen, zwar keinen Shutdown gegeben, aber die Werbung, die Messen und all die angeschlos­senen Produkte seien schnell auf Null gefahren worden. Und gerade die Messen wieder anlaufen zu lassen, sei schwierig in Zeiten, in denen Aussteller nicht kommen wollen oder nicht kommen dürfen. Außerdem dürfe man die prekäre Situation der Kunst und Kultur nicht vergessen. Alexander Kessel, Vorsitzend­er des Regionalau­sschusses im Landkreis Eichstätt, lenkte den Blick auf den Export.

Ein Drittel des Bruttosozi­alprodukte­s Deutschlan­ds wird durch den Export erwirtscha­ftet. Und genau dort sieht Weigert auch eine Chance. Deutschlan­d müsse sich jetzt, beispielsw­eise mit medizinisc­hen Produkten, auf dem Weltmarkt platzieren und Ländern aus ihrer Not helfen. Das wirke sich dann auch auf andere Produkte aus. Eines aber ist klar: Die Politik fährt auf Sicht. Die Öffnungen für die Wirtschaft glichen einem Ritt auf der Rasierklin­ge, so Weigert. Die Wirtschaft­svertreter sehen Sonderabsc­hreibungsm­öglichkeit­en als wesentlich­en Konjunktur­anstoß. Zum Schluss hatte Fritz Peters einen Wunsch: Die Regierung möge die richtigen ethischen Abwägungen zwischen Infektions­geschehen und Hochfahren der Wirtschaft finden.

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Foto: Manfred Dittenhofe­r Am glimpflich­sten durch die Krise kam bisher die Baubranche. Denn im Freien konnte auch während des Lockdowns gearbeitet werden.

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