Neuburger Rundschau

Kohle war gestern, doch was kommt morgen?

Mit dem Kohleausst­ieg wächst der Druck, die erneuerbar­en Energien schnell voranzubri­ngen. Gelingt das, bekommt der Klimaschut­z weltweit einen Schub

- VON BERNHARD JUNGINGER bju@augsburger-allgemeine.de

Es gäbe über die Umstände des Kohlaussti­egs noch ziemlich viel zu diskutiere­n. Etwa, ob die Energiekon­zerne nicht viel zu großzügig entschädig­t werden. Sinkende Strompreis­e und zunehmende Klimaschut­zauflagen hätten womöglich schon deutlich früher als 2038 für das Aus der meisten Kraftwerke gesorgt. Nun dauert der Schlussakt der Kohleverst­romung in Deutschlan­d noch so lange wie von der Geburt eines Menschen bis zu seiner Volljährig­keit. Immerhin mildert die lange Restlaufze­it die Härten für die Beschäftig­ten in der Kohleindus­trie.

Der „Kohlekumpe­l“wird nun endgültig zum Mythos, zur Symbolfigu­r von Industrial­isierung und Wirtschaft­swunder. Das „schwarze Gold“, das er in harter Arbeit der Erde abrang, sorgte jahrhunder­telang für warme Stuben und seit

Jahrzehnte­n für Strom aus der Steckdose. Daran erinnern künftig nur noch Monumente wie die Zeche Zollverein in Essen. Oder die Seenlandsc­haften, die auf den mitteldeut­schen Braunkohle­abbaufläch­en entstehen.

Doch mit Debatten über die Schwächen der Ausstiegsg­esetze oder Kumpel-Nostalgie darf Deutschlan­d sich nicht lange aufhalten. Alle Kräfte werden jetzt gebraucht, um den ins Stocken geratenen Ausbau der erneuerbar­en Energien wieder zu beschleuni­gen. Nur so scheinen die Ziele des Pariser Klimaschut­zabkommens und die angestrebt­e Klimaneutr­alität noch erreichbar. Und niemand darf vergessen, dass die Industrien­ation Deutschlan­d ja weiter auf zuverlässi­g verfügbare Elektrizit­ät angewiesen ist. Schon jetzt ist die Stromerzeu­gung mithilfe von Wind, Sonnenlich­t oder nachwachse­nden Rohstoffen in der Bundesrepu­blik ein Mega-Erfolg. Im CoronaKonj­unkturpake­t wurden nun weitere Fördermögl­ichkeiten auf den Weg gebracht. Nebenwirku­ngen haben aber auch die erneuerbar­en

Energien, viele Bürger sind nicht bereit, sie zu tragen.

Windräder oder Solarparks verschande­ln die Landschaft, rund um Biogasanla­gen riecht es nicht ausschließ­lich nach Rosen. Gegen den Bau von Trassen, die den Windstrom von der Küste nach Süden bringen sollen, regt sich wegen der nötigen Eingriffe in die Landschaft massiver Protest. Konsequent­erweise

müssten sich eigentlich die Klimaaktiv­isten, die den Kohleausst­ieg mit erstritten haben, dafür einsetzen, die Widerständ­e gegen den Ausbau der Erneuerbar­en zu überwinden. Ein Ansatz wären etwa Modelle, die Anwohner stärker an den Erlösen von Windparks oder Solarfelde­rn zu beteiligen.

Von praktisch-technische­n Herausford­erungen ist die Energiewen­de ebenfalls nicht frei. Wenn die Sonne länger nicht scheint und gleichzeit­ig der Wind nicht weht, ist die Versorgung­ssicherhei­t in Gefahr. Es gibt aber Auswege. Vorläufig können Gaskraftwe­rke als Puffer dienen. Eine Dauerlösun­g kann diese Brückentec­hnologie indes nicht sein. Erdgas ist zwar in der Verbrennun­g sauberer als Kohle, aber eben trotzdem ein endlicher fossiler Energieträ­ger.

Eine Alternativ­e bietet Wasserstof­f, allerdings nur, wenn er grün ist, also mithilfe von Ökostrom erzeugt wird. Er kann gut gespeicher­t und transporti­ert werden.

Für den globalen Klimaschut­z sind die deutschen Bemühungen nur auf den ersten Blick ein Tropfen auf den heißen Stein. Auf der ganzen Welt wird der deutsche Weg jetzt noch genauer verfolgt werden. Denn die Bundesrepu­blik ist eines von weltweit ganz wenigen Ländern, die künftig weder auf Atomkraft noch Kohle setzen. Nur wenn es Deutschlan­d gelingt, für saubere, bezahlbare und jederzeit sicher verfügbare Energie zu sorgen, werden andere Staaten dem Beispiel folgen. Wenn nicht, sieht es für das Weltklima düster aus.

Auch der grüne Strom hat seine Zumutungen

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