Kohle war gestern, doch was kommt morgen?
Mit dem Kohleausstieg wächst der Druck, die erneuerbaren Energien schnell voranzubringen. Gelingt das, bekommt der Klimaschutz weltweit einen Schub
Es gäbe über die Umstände des Kohlausstiegs noch ziemlich viel zu diskutieren. Etwa, ob die Energiekonzerne nicht viel zu großzügig entschädigt werden. Sinkende Strompreise und zunehmende Klimaschutzauflagen hätten womöglich schon deutlich früher als 2038 für das Aus der meisten Kraftwerke gesorgt. Nun dauert der Schlussakt der Kohleverstromung in Deutschland noch so lange wie von der Geburt eines Menschen bis zu seiner Volljährigkeit. Immerhin mildert die lange Restlaufzeit die Härten für die Beschäftigten in der Kohleindustrie.
Der „Kohlekumpel“wird nun endgültig zum Mythos, zur Symbolfigur von Industrialisierung und Wirtschaftswunder. Das „schwarze Gold“, das er in harter Arbeit der Erde abrang, sorgte jahrhundertelang für warme Stuben und seit
Jahrzehnten für Strom aus der Steckdose. Daran erinnern künftig nur noch Monumente wie die Zeche Zollverein in Essen. Oder die Seenlandschaften, die auf den mitteldeutschen Braunkohleabbauflächen entstehen.
Doch mit Debatten über die Schwächen der Ausstiegsgesetze oder Kumpel-Nostalgie darf Deutschland sich nicht lange aufhalten. Alle Kräfte werden jetzt gebraucht, um den ins Stocken geratenen Ausbau der erneuerbaren Energien wieder zu beschleunigen. Nur so scheinen die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens und die angestrebte Klimaneutralität noch erreichbar. Und niemand darf vergessen, dass die Industrienation Deutschland ja weiter auf zuverlässig verfügbare Elektrizität angewiesen ist. Schon jetzt ist die Stromerzeugung mithilfe von Wind, Sonnenlicht oder nachwachsenden Rohstoffen in der Bundesrepublik ein Mega-Erfolg. Im CoronaKonjunkturpaket wurden nun weitere Fördermöglichkeiten auf den Weg gebracht. Nebenwirkungen haben aber auch die erneuerbaren
Energien, viele Bürger sind nicht bereit, sie zu tragen.
Windräder oder Solarparks verschandeln die Landschaft, rund um Biogasanlagen riecht es nicht ausschließlich nach Rosen. Gegen den Bau von Trassen, die den Windstrom von der Küste nach Süden bringen sollen, regt sich wegen der nötigen Eingriffe in die Landschaft massiver Protest. Konsequenterweise
müssten sich eigentlich die Klimaaktivisten, die den Kohleausstieg mit erstritten haben, dafür einsetzen, die Widerstände gegen den Ausbau der Erneuerbaren zu überwinden. Ein Ansatz wären etwa Modelle, die Anwohner stärker an den Erlösen von Windparks oder Solarfeldern zu beteiligen.
Von praktisch-technischen Herausforderungen ist die Energiewende ebenfalls nicht frei. Wenn die Sonne länger nicht scheint und gleichzeitig der Wind nicht weht, ist die Versorgungssicherheit in Gefahr. Es gibt aber Auswege. Vorläufig können Gaskraftwerke als Puffer dienen. Eine Dauerlösung kann diese Brückentechnologie indes nicht sein. Erdgas ist zwar in der Verbrennung sauberer als Kohle, aber eben trotzdem ein endlicher fossiler Energieträger.
Eine Alternative bietet Wasserstoff, allerdings nur, wenn er grün ist, also mithilfe von Ökostrom erzeugt wird. Er kann gut gespeichert und transportiert werden.
Für den globalen Klimaschutz sind die deutschen Bemühungen nur auf den ersten Blick ein Tropfen auf den heißen Stein. Auf der ganzen Welt wird der deutsche Weg jetzt noch genauer verfolgt werden. Denn die Bundesrepublik ist eines von weltweit ganz wenigen Ländern, die künftig weder auf Atomkraft noch Kohle setzen. Nur wenn es Deutschland gelingt, für saubere, bezahlbare und jederzeit sicher verfügbare Energie zu sorgen, werden andere Staaten dem Beispiel folgen. Wenn nicht, sieht es für das Weltklima düster aus.
Auch der grüne Strom hat seine Zumutungen