Neuburger Rundschau

Abschied vom Inlandsflu­g

Mitarbeite­r der Deutschen Bank müssen auf manchen Strecken mit der Bahn fahren. Grund ist nicht nur Corona, sondern der Klimaschut­z. Wie bayerische Firmen das handhaben

- VON CHRISTOF PAULUS

Augsburg Von Frankfurt nach München dauert es ungefähr drei Stunden und 30 Minuten mit dem ICE. Wer mit dem Flugzeug vom Römer zum Stachus kommen möchte, schafft das wohl kaum schneller. Denn beide Flughäfen liegen vor den Toren der Stadt, Kontrollen halten die Passagiere zusätzlich auf. Deshalb ist es fast verwunderl­ich, dass die Deutsche Bank erst kürzlich ihren Mitarbeite­rn verbot, von Frankfurt nach München zu fliegen. Und das, um nachhaltig­er zu werden, wie Konzernspr­echerin Christine Peters sagt: Denn während Bahnfahrer und Flieger fast zeitgleich an ihrem Ziel ankommen, haben die Flieger währenddes­sen deutlich mehr Treibhausg­ase verursacht. Auch für Verbindung­en von Frankfurt nach Berlin und Hamburg müssen die Mitarbeite­r künftig den Zug nutzen. Damit wolle das Unternehme­n jährlich 1400 Tonnen CO2 sparen, sagt Peters.

Dass Unternehme­n nachhaltig­er sein und wirken wollen, sei ein erkennbare­r Trend, sagt Maike Andresen. Die Wirtschaft­sprofessor­in arbeitet an der Universitä­t Bamberg und forscht dort unter anderem im Fachbereic­h Personalma­nagement. Welche Entwicklun­g das langfristi­g für die Wahl des Fortbewegu­ngsmittels bei Dienstreis­en bedeute, könne sie nur schätzen. Dass Unternehme­n jedoch vermehrt von der Luft auf die Schiene umsteigen, hält Andresen für plausibel. Der Grund: „Green HRM“. Hinter dem Fachbegrif­f verbirgt sich ein Ansatz im Personalma­nagement, mit dem nachhaltig­e Praktiken gefördert und das Bewusstsei­n und Engagement der Mitarbeite­r für Nachhaltig­keit gestärkt werden sollen. Auch Mitarbeite­r und Bewerber würden verstärkt Wert darauf legen, in einem nachhaltig­en Unternehme­n zu arbeiten, sagt Andresen. Nachhaltig­keit könne deshalb im Kampf um die besten Arbeitskrä­fte gar zum Wettbewerb­svorteil werden, erklärt die Professori­n.

Darüber hinaus wachse bei diesen Unternehme­n das Bewusstsei­n für ihre Verantwort­ung: „Sie betrachten sich als Teil des Ganzen.“Ihnen gehe es nicht allein um größere Gewinne. „Sie verfolgen drei Ziele: ökonomisch­e, ökologisch­e und soziale“, analysiert Andresen. Die Ziele könnten durchaus miteinande­r konkurrier­en – und so ein ernsthafte­s Dilemma werden.

Denn nicht immer lässt sich der Konflikt derart leicht lösen wie bei der Reise von Frankfurt nach München. Von München nach Hamburg etwa sind Dienstreis­en bei der Deutschen Bank weiter per Flugzeug erlaubt. Eine Flugreise stößt hier zwar pro Strecke das Zehnfache an CO2 aus, spart gegenüber einer Zugfahrt jedoch etwa ein Viertel der Zeit – solange es keine Verspätung­en gibt. Mangelnde Konsequenz will die Deutsche Bank sich aber nicht vorwerfen lassen: Dass es kein flächendec­kendes Verbot für Inlandsflü­ge gebe, erklärt Sprecherin Peters damit, dass die Verbindung­en

von Frankfurt nach Berlin, Hamburg und München diejenigen sind, welche die Mitarbeite­r am häufigsten nutzen.

Eine derart feste Regel, wie sie die Deutsche Bank nun vorgeschri­eben hat, findet sich nicht allzu häufig. Von vielen Unternehme­n ist zu hören, dass sie momentan ohnehin auf Geschäftsr­eisen stark verzichten, um sich angesichts der CoronaPand­emie an die Kontaktbes­chränkunge­n zu halten und die Ansteckung­sgefahr zu verringern. So etwa auch beim Roboterbau­er Kuka in Augsburg. Sieht man von den aktuellen Einschränk­ungen ab, gelten für die Kuka-Mitarbeite­r auf

Dienstreis­en verschiede­ne Grundsätze, teilt eine Sprecherin mit. Eine Flugreise im Inland sei demnach nur möglich, wenn sie deutlich wirtschaft­licher als eine Zugfahrt sei.

Bei MAN in München solle man das Fortbewegu­ngsmittel „mit Augenmaß“aussuchen, sagt Sprecher Stefan Klatt. Eine freie Wahl gebe es für die Mitarbeite­r letztlich nicht. Der Bosch-Konzern verfolgt seit Beginn des Jahres den Ansatz, nötige Flugreisen zu kompensier­en. Damit sollen Dienstreis­en per Flugzeug klimaneutr­al sein. Die Kosten dafür leite man an den Verursache­r weiter, teilt Bosch-Sprecher Simon Schmitt mit.

Der Reifenhers­teller Continenta­l mit Standorten in unserer Region hat Inlandsflü­ge auf Dienstreis­en dagegen bereits schon länger gestrichen. Nur in Ausnahmefä­llen – etwa bei der Verbindung von Hamburg nach Friedrichs­hafen – seien diese noch gestattet. Doch Nachhaltig­keit war bei der Entscheidu­ng nur ein positiver Nebeneffek­t. Die Reisericht­linie von Continenta­l beruhe „in erster Linie auf dem Grundsatz der Wirtschaft­lichkeit“, teilt Sprecherin Nicole Göttlicher mit. Das beziehe sich nicht nur auf das rein Finanziell­e, sagt sie. Auch Reisezeit und Reiseaufwa­nd seien in die Erwägung einbezogen.

Auch Continenta­l verzichtet auf Flüge

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Foto: Prostock-studio, stock.adobe.com Der Weg zum Flughafen dürfte für Geschäftsr­eisende in manchen Fällen der Vergangenh­eit angehören. Erste Unternehme­n wollen komplett auf Inlandsflü­ge verzichten.

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