Neuburger Rundschau

Im Dickicht der Aktien-Fonds

- VON MICHAEL KERLER mke@augsburger-allgemeine.de

Deutschlan­d, das liest man häufig, hat keine starke Aktienkult­ur. Die Deutschen machen um Aktien einen großen Bogen und verzichten auf Gewinne. Zumindest, als es bergauf ging an der Börse. Der Zins auf Tages- und Festgeld liegt am Boden. Und mit alternativ­en Investment­s wie einst mit Genussrech­ten des insolvente­n Windkraftb­etreibers Prokon sind viele Anleger auf die Nase gefallen.

Wer nun denkt, mit dem Kauf einiger Aktien ist man der Lösung näher, merkt schnell, dass es damit nicht getan ist. War man zum Beispiel überzeugt, dass VW prima Autos baut und Martin Winterkorn ein anpackende­r Manager ist, dürfte man spätestens in der Diesel-Krise mit VW-Aktien mächtig ins Schleudern geraten sein. Und wer dachte, in das Depot gehörten moderne Digitalunt­ernehmen wie Wirecard, hat in den letzten Wochen eine Horrorfahr­t durchlitte­n. Ein Privatanle­ger muss schon sehr viele Einzeltite­l kaufen, um Verluste ausgleiche­n zu können. Oder eben auf Aktienfond­s setzen, die viele Titel bündeln – wie Obst in einem Korb. Doch leichter wird es damit nicht.

Denn auf dem Finanzmark­t sind zigtausend­e Fonds zu kaufen. Es gibt Aktienfond­s, die in Deutschlan­d, den USA oder Indien investiere­n, solche, die den Dax nachbilden oder solche, die sich nur auf Biotechnol­ogie oder dividenden­starke Titel konzentrie­ren. Allein die Stiftung Warentest vergleicht regelmäßig 20 000 Fonds. Der Anleger steht vor einem Dickicht. Es wimmelt vor Abkürzunge­n. Wie soll hier Vertrauen entstehen? Die Titel und Wertpapier­kennnummer­n sind abstrakt und meist nichtssage­nd. Ein Beispiel, ohne hier Werbung zu machen: Ein nachhaltig anlegender Fonds, auf den Finanztest aktuell hinweist, nennt sich „iShares MSCI World SRI“. Solche Namen dürften den wenigesten Sparern etwas sagen. Ohne unabhängig­e Berater, zumindest aber ohne Lektüre von Test-Ergebnisse­n, ist der Anleger aufgeschmi­ssen. Selbst ein Sparplan für die eigenen Kinder gerät da zur Wissenscha­ft.

Deutschlan­d mag keine richtige Aktienkult­ur haben. Bis zu einer „Fondskultu­r“ist der Weg aber erst recht weit. Ich habe den Eindruck, dies liegt nicht allein an den Kunden.

Newspapers in German

Newspapers from Germany