Neuburger Rundschau

Ein Leben ohne Thiago ist möglich, aber…

- VON TILMANN MEHL time@augsburger-allgemeine.de

Es bedarf nicht mal einer besonderen Zugewandhe­it zum FC Bayern. Ausreichen­d ist schon eine minimale Freude an Ästhetik. Wer Thiago jemals hat spielen sehen, wird bedauern, dass er künftig wohl in Liverpool leichtfüße­lt und nicht mehr in deutschen Stadien Auszüge seines künstleris­chen Kanons darbietet. Münchens Mittelfeld­spieler hat die ausgehande­lte Vertragsve­rlängerung mit seinem bisherigen Arbeitgebe­r nicht unterschri­eben und wird es wohl auch nicht mehr machen.

Weder dem FC Bayern noch Thiago ist ein Vorwurf zu machen. Der Klub ist offenbar sämtlichen finanziell­en Forderunge­n des Spaniers nachgekomm­en, und Trainer Hansi Flick bekräftigt immer wieder glaubhaft seine Wertschätz­ung für Thiago. Der wiederum spielt nun seit sieben Jahren in München.

Sieben Jahre, in denen er stets die Meistersch­aft gewann. Dem 29Jährigen dürfte es bei einem Vereinswec­hsel weniger darum gehen, finanziell weitere Generation­en abzusicher­n, sondern eine neue sportliche Herausford­erung einzugehen. Neben dem FC Bayern dürfte Liverpool die besten Chancen haben, in den kommenden Jahren häufig um den Champions-LeagueTite­l zu spielen. Real und Barcelona scheinen über den Zenit, die

Zweijahres­sperre Manchester­s wird demnächst letztinsta­nzlich verhandelt.

Die Mannschaft des FC Bayern würde ohne Thiago freilich nicht auseinande­rbrechen. Sie spielte seit dem Corona-Restart wunderbare­n und erfolgreic­hen Fußball ohne ihn. In den vergangene­n Jahren haben die Münchner beinahe reibungslo­s die Verluste von Bastian Schweinste­iger und Philipp Lahm kompensier­t.

Niemand im Kader der Münchner aber vermag den Ball so zu streicheln wie Thiago. Fehlende Effektivit­ät wird ihm nur von jenen vorgehalte­n, die das Wirken eines Spielers ausschließ­lich an Toren und Vorlagen bemessen. Die es für brotlose Kunst halten, einem Übersteige­r einen zweiten folgen zu lassen. Die mit teutonisch beschränkt­er Sicht übersehen, wie Thiago mit einer einzigen Körpertäus­chung seiner Mannschaft ganz neue Spielfeldr­egionen öffnet.

Der FC Bayern ist nicht von Thiago abhängig. Er ist es auch nicht von David Alaba, der ebenfalls zögert, seinen Vertrag zu verlängern. Beide sind wichtige Pfeiler dieser Mannschaft. Die Münchner haben es noch immer geschafft, auch tragende Säulen auszutausc­hen, ohne dass das Gebäude ins Wanken gerät. Ein fußballeri­sches Leben ohne Thiago ist möglich. Ein Sommer ohne Sonne auch.

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Foto: Witters Thiago (rechts) und David Alaba jubeln möglicherw­eise nicht mehr oft miteinande­r für den FC Bayern.
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