Neuburger Rundschau

„Es war irgendwo der Wurm drin“

Die Ferrari-Abschiedst­our von Vettel beginnt enttäusche­nd. Der Deutsche fährt beim Neustart der Serie in Österreich hinterher. Mercedes siegt in Spielberg dank Bottas

-

Spielberg Mürrisch und mit rotem Ferrari-Mundschutz kommentier­te Sebastian Vettel seinen Fehlstart in die Formel-1-Notsaison. Beim überlegene­n Sieg für Mercedes-Pilot Valtteri Bottas war der FerrariFah­rer am Sonntag in Österreich schon weit abgehängt, als er sich durch einen Dreher das Rennen komplett zerstörte. Mit Platz zehn beim Geister-Grand-Prix in Spielberg begann die Abschiedst­our des zum Jahresende bei der Scuderia ausgemuste­rten Vettel frustriere­nd.

Dass seinem Malheur ein Kontakt mit seinem Ferrari-Nachfolger Carlos Sainz im McLaren vorangegan­gen war, machte das Debakel perfekt. „Ich bin froh, dass es nur ein Dreher war, es war ganz schwer zu fahren, ich habe das Auto nicht wiedererka­nnt. Ich hatte unheimlich Probleme, auf der Strecke zu bleiben“, meinte Vettel nach einem am Ende chaotische­n Grand Prix enttäuscht. „Es war irgendwo der Wurm drin.“Eine Fünf-SekundenZe­itstrafe nach einer Kollision mit Red-Bull-Mann Alex Albon ließ Weltmeiste­r Lewis Hamilton in der Schlusspha­se auf Rang vier hinter McLaren-Mann Lando Norris zurückfall­en, der dank schnellste­r Rennrunde 0,1 Sekunden vor dem britischen Weltmeiste­r lag. Vettels Stallrival­e Charles Leclerc raste hinter Bottas noch auf Position zwei. „Die Strafe muss man akzeptiere­n,

geht weiter“, befand Hamilton. „Ich bin froh, das Auto ins Ziel gebracht zu haben“, sagte Bottas, der wie auch Hamilton Getriebepr­obleme hatte. „Am Ende ist es ja noch gut gegangen.“Mit Mundschutz auf dem Podium freute er sich über die Trophäe für seinen Grand-Prix-Erfolg, Champagner verspritzt­e er dann ohne das Stoffteilc­hen. Für Leclerc war sein zweiter Platz eine „große Überraschu­ng, aber eine gute“. Er habe „jede Chance“ergreifen wollen.

Sieben Monate seit dem Saisonfina­le in Abu Dhabi und vier Monate seit dem abgesagten Australien­Auftakt hatte die Formel 1 auf ihren nächsten Grand Prix warten müssen. Der Neustart nach der CoronaKris­e erfolgte dann mit einem symbolisch­en Akt: 14 der 20 Piloten gingen als Zeichen des Protests gegen Rassismus auf ein Knie. Neben Hamilton, dem stärksten Befürworte­r dieser Geste, schloss sich unter anderem auch Vettel der Aktion an. Zudem trugen alle Fahrer schwarze T-Shirts, die meisten mit der Aufschrift „End Racism“. Hamiltons Shirt trug die Botschaft „Black lives matter“. Der Brite, der Michael Schumacher­s Rekord von sieben WM-Titeln in dieser Saison egalisiere­n will, musste kurz vor dem Start einen Rückschlag hinnehmen. Hamilton musste statt von Platz zwei von Rang fünf starten, weil er in der Qualifikat­ion bei seiner schnellste­n Runde regelwidri­g gelbe Warnflagge­n missachtet hatte. Die Rennkommis­sare gaben einem Protest des Red-Bull-Teams statt. „Das muss man sportlich nehmen“, meinte Mercedes-Teamchef Toto Wolff. Hamiltons Teamkolleg­e Bottas, der sich vor dem Engländer am Samstag hauchdünn die Pole Position gesichert hatte, führte das Feld nach dem Erlöschen der roten Ampeln in die erste Kurve.

Red-Bull-Pilot Max Verstappen, der Sieger der beiden Vorjahre, hatte nach der ersten Runde schon einen Rückstand von zwei Sekunden auf den Finnen. Der Niederländ­er erlebte allerdings ein Desaster. Wegen technische­r Probleme schleppte er in Runde 13 zwar seinen Wagen noch in die Box, musste das Rennen aber vorzeitig beenden. „Es wäre wahrschein­lich ein einfaches Podium geworden, aber was kann ich tun?“, meinte er.

Vettel versuchte, nach seinem Quali-Debakel mit Position elf Plätze im hinteren Feld gutzumache­n. Über seine Ausmusteru­ng bei Ferrari zum Jahresende hatte sich der Hesse in Spielberg verärgert gezeigt. Er habe noch klare Signale erhalten, dass der Rennstall mit ihm eigentlich weitermach­en wollte. Als Option für 2021 nannte Vettel dann Mercedes. „Wir bleiben bei unseren zwei Jungs“, erteilte Daimler-Kones zernchef Ola Källenius einem Wechsel des Deutschen im TV-Sender Sky jedoch eine Absage.

Im Notbetrieb mit einem strengen Hygienekon­zept will die Rennserie ihr WM-Jahr noch retten. An der Spitze änderte sich aber nicht das Bild vergangene­r Jahre. Die Silberpfei­le führten. Und auch nach dem ersten Stopp kamen Bottas und Hamilton als erstes Duo auf die Strecke zurück. Das Feld zog sich zusammen, vier Umläufe später wurde der Grand Prix wieder freigegebe­n. Dann krachte es bei Vettel, der in Kurve drei innen an seinem Ferrari-Nachfolger Sainz vorbeizieh­en wollte. Der Deutsche leistete sich im Zweikampf mit dem spanischen McLaren-Mann einen Dreher und fiel um sieben Ränge auf Platz 15 zurück. Bottas und Hamilton mussten sich anschließe­nd Sorgen machen. Wegen Problemen mit den Getriebese­nsoren wurden beide Fahrer angewiesen, von den Randsteine­n wegzubleib­en. Das Mercedes-Duo überstand aber diese Zittermome­nte genauso wie eine zweite Safety-Car-Phase ab der 52. Runde. Bei einem Überholver­such von Alex Albon blieb Hamilton trotz Berührung erst mal cool, Max Verstappen­s Stallrival­e musste hingegen einen Ausflug ins Kiesbett unternehme­n. Der Brite bekam aber eine Fünf-Sekunden-Strafe aufgebrumm­t, was ihn zurückfall­en ließ.

 ?? Foto: Thompson, dpa ?? Siegerehru­ng mit Abstand: Der Finne Valtteri Bottas (Mitte) gewinnt den Großen Preis von Österreich vor Charles Leclerc (links) und Lando Norris.
Foto: Thompson, dpa Siegerehru­ng mit Abstand: Der Finne Valtteri Bottas (Mitte) gewinnt den Großen Preis von Österreich vor Charles Leclerc (links) und Lando Norris.

Newspapers in German

Newspapers from Germany