Mit Tierbissen immer zum Arzt
Meist sind Haustiere die Verursacher. Oft sehen die Bissstellen unscheinbar aus. Dennoch sollte man stets einen Mediziner aufsuchen. Warum insbesondere bei Katzen Vorsicht geboten ist
Zwischen 30000 und 50000 Bissverletzungen gibt es pro Jahr in Deutschland. Meist sind es Hunde und Katzen, die zubeißen, und oft sind die Täter die eigenen Haustiere. Die am häufigsten von Beißattacken betroffene Gruppe ist die der Kinder – zumindest im Hinblick auf Hundebisse. „Kinder empfinden das Tier oft als Spielkameraden. Zudem neigen sie eher zu plötzlichen Bewegungen, die das Tier erschrecken. Die Verletzungen betreffen vor allem die Arme und das Gesicht“, erklärt Peter Schmittenbecher, Leiter der Kinderchirurgischen Klinik am Klinikum Karlsruhe. Bei Katzenbissen steht eine andere Gruppe im Vordergrund, nämlich die der jungen Frauen zwischen 20 und 35 Jahren.
Bissverletzungen sind alles andere als harmlos, egal von welchem Tier sie auch stammen. Bei größeren Bisswunden, etwa von Hunden, wird das Opfer in den allermeisten Fällen sofort in die Notaufnahme eines Krankenhauses oder zum Hausarzt gebracht. Aber bei kleineren, vermeintlich harmlosen Bissen etwa in Finger oder Hand warten viele Betroffene erst einmal ab. Ein Grund dafür könnte sein, dass sich nach dem Biss die übereinander liegenden Schichten der Haut leicht verschieben – als Folge sieht die Eintrittspforte dann klein und unbedeutend aus. Diese Fehleinschätzung kann jedoch schwerwiegende Folgen haben, denn oft treten Infektionen nach dem Biss auf. Im Speichel der Tiere befinden sich ungewöhnliche Bakterien, die bei der Attacke auf den Menschen übertragen werden. Die Tierzähne transportieren ihre anhaftenden Bakterien in tiefere Gewebeschichten, was unbehandelt zu schweren Entzündungen führen kann. Dann besteht die Gefahr, dass Muskeln, Sehnen, Nerven und Knochen dauerhaft geschädigt werden. Es kann sich aber auch eine gefährliche Blutvergiftung daraus entwickeln. „Egal wie harmlos oder oberflächlich der Biss wirkt, man sollte immer zum Arzt gehen“, betont Michael Raschke, Leiter der Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie am Universitätsklinikum Münster und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie. „Besonders wenn pochende Schmerzen, Schwellungen und Rötungen auftreten, ist das ein Alarmsignal, welches die umgehende ärztliche Behandlung erfordert.“
allem Katzenbisse werden von den Medizinern als gefährlich eingestuft, denn das Infektionsrisiko ist hoch, da die spitzen, langen Zähne tief eindringen. So kommen sie zum Beispiel im Handbereich bis auf Höhe der Sehnenscheiden, Gelenke und Knochen. Speziell der Keim Pasteurella multocida, der oft im Speichel von Katzen zu finden ist,
den Ärzten Sorgen. Das Bakterium wächst auch, wenn kein Sauerstoff in der Umgebung ist, kann sich also nicht nur im oberen Wundbereich, sondern ebenso in tieferen Gewebeschichten vermehren. Dies erfolgt mitunter so schnell, dass bereits nach 12 bis 24 Stunden eine ernsthafte Entzündung vorliegt. Anzeichen sind Rötungen, SchwelVor
lungen, eitrige Absonderungen und klopfende Schmerzen. Auch unspezifische Symptome wie allgemeines Unwohlsein und Fieber können auftreten. Dann ist es höchste Zeit für den Arztbesuch, beziehungsweise die Vorstellung in der Notaufnahme. „Die Beschwerden können sich innerhalb von Stunden so dramatisch verschlechtern, dass umgemacht hend operiert werden muss. Nur durch sofortiges Handeln können schwere und zum Teil lebensbedrohliche Folgeschäden vermieden werden“, so Raschke. Infektionen durch andere Erreger entwickeln sich meist langsamer und können sich in seltenen Fällen auch erst nach fünf bis acht Tagen bemerkbar machen.
Experten sind sich einig, dass die Erstversorgung entscheidend für die späteren, funktionellen und auch ästhetischen Ergebnisse ist. Daher sollte ein Arzt die frische Bisswunde möglichst schnell sehen, um sie regelgerecht zu versorgen. Dazu gehört neben dem Reinigen und Desinfizieren in den meisten Fällen auch eine Spülung der Wunde mit physiologischer Kochsalzlösung oder einer antiseptischen Lösung, um die Krankheitserreger so gut wie möglich aus dem Bisskanal zu entfernen. Bei größeren Wunden ist unter Umständen eine Operation notwendig, um geschädigtes oder abgestorbenes Gewebe zu entfernen und um die Funktionsfähigkeit des betroffenen Körperteils zu gewährleisten. Nicht zuletzt spielt dabei das spätere kosmetische Resultat eine Rolle. „Aber auch kleinere Wunden müssen gelegentlich operativ revidiert werden, wenn Keime in der Tiefe arbeiten und kein Wundabfluss gegeben ist“, sagt Peter Schmittenbecher. In vielen Fällen ist darüber hinaus eine Behandlung mit Antibiotika nötig.
Beim Arztbesuch sollte man seinen Impfausweis dabei haben, denn die Frage nach dem Tetanus-Schutz muss beantwortet werden. Gerade bei verunreinigten Wunden können die im Boden vorkommenden bakteriellen Tetanus-Erreger in den Körper gelangen und durch ihr Gift schlimmste Muskelkrämpfe verursachen, was oft tödlich endet. Im Bedarfsfall – wenn die letzte Tetanus-Impfung länger als zehn Jahre her ist oder nicht klar ist, wann zuletzt geimpft wurde – muss die Impfung aufgefrischt werden. Tollwut infolge von Tierbissen ist bei uns aber sehr selten. Eine mögliche Quelle sind allerdings illegal nach Europa importierte Hunde.
Nach der Erstversorgung durch den Arzt ist es weiterhin notwendig, die Bisswunde und ihre Umgebung aufmerksam zu beobachten, denn auch nach Tagen kann sie sich noch entzünden. Wenn sich Anzeichen für eine schwelende oder neu aufflammende Infektion wie Schmerzen, Schwellungen oder Rötung einstellen, muss erneut der Arzt konsultiert werden.