Spahn fürchtet Corona-Welle durch Urlauber
Leichtsinnige Reisende könnten Erfolge der Pandemie-Bekämpfung gefährden
Berlin Bundesgesundheitsminister Jens Spahn fürchtet, dass leichtsinnige Urlauber eine zweite CoronaWelle auslösen könnten. Die Gefahr sei „real“, sagte er am Montag. Mit Blick auf die Lage auf der spanischen Ferieninsel Mallorca warnte Spahn: „Wir müssen sehr aufpassen, dass der Ballermann nicht ein zweites Ischgl wird.“Bilder von überwiegend deutschen Touristen, die am Strand der Inselhauptstadt Palma ohne Masken und Abstand ausgelassen feierten, hatten zuvor für Entsetzen gesorgt – auch beim CDU-Politiker. Er rief die Urlauber dazu auf, im Zweifel „lieber zu vorsichtig“ zu sein. Denn durch die steigende Mobilität in der Urlaubszeit werde eine Ausbreitung des Virus begünstigt, sagte er.
Anfang des Jahres hatten sich zahlreiche Skifahrer in der österreichischen Party-Hochburg Ischgl mit dem Corona-Erreger angesteckt. Auch dadurch wurde die lebensgefährliche Lungenkrankheit in ganz Europa verbreitet. Dies dürfe sich nun keinesfalls wiederholen, sagt Spahn. „Ich bin jetzt wirklich kein Spielverderber oder Spaßverderber oder Feierverächter – aber es ist halt grad nicht die Zeit dafür.“Seine eindringliche Bitte an alle Urlauber: „Halten Sie Abstand. Halten Sie sich an die empfohlenen Hygienemaßnahmen. Und tragen Sie überall dort, wo es empfohlen wird, die Alltagsmasken.“Deutschland sei bislang vergleichsweise gut durch die Krise gekommen, doch nun dürfe sich niemand „in falscher Sicherheit wiegen“. In Ländern mit anfänglich niedrigen Fallzahlen, etwa Israel, Japan und Südkorea, nähmen die Erkrankungen wieder zu. „Die Pandemie ist noch nicht vorbei“, sagte der Bundesgesundheitsminister. Bei der Herstellung von Arzneimitteln und Medizinprodukten müsse Europa wieder unabhängig werden – ob im Notfall genügend Medikamente vorhanden sind, dürfe sich nicht mehr in China entscheiden.
Reisen in die meisten europäischen Länder sind inzwischen wieder ohne größere Einschränkungen möglich. Für die Türkei besteht aber weiter eine Reisewarnung. Über eine Aufhebung denke die Bundesregierung nach, sagte Spahn.
Lothar Wieler, Präsident des Robert-Koch-Instituts, berichtete von einer neuen Studie, die nahelege, dass erst ein Bruchteil der Menschen in Deutschland Kontakt zum Corona-Erreger gehabt hat. Das bedeute umgekehrt, dass sich das Virus noch stark verbreiten könne. Laut RKIChef gibt es fast 190 000 nachgewiesene Corona-Infektionen in Deutschland, davon sind etwa 5000 noch aktiv. 9064 Menschen sind bislang an den Folgen einer Infektion gestorben. Was die Entwicklung eines Impfstoffs betrifft, ist Wieler optimistisch. Weltweit gebe es „viele hoffnungsvolle Kandidaten“. Berichte über Erkenntnisse, dass die Zahl der Antikörper im Blut genesener Patienten nach kurzer Zeit wieder abnimmt, seien für ihn kein Grund, die Hoffnung auf einen Impfstoff aufzugeben.
Wie am Montagabend bekannt wurde, plant die Bundesregierung ein zielgenaueres Durchgreifen bei regionalen Corona-Ausbrüchen. Das erfuhr die Deutsche PresseAgentur nach einer Video-Schalte von Kanzleramtschef Braun mit Staatskanzleichefs der Bundesländer. Ziel sei es, schneller zu reagieren, mehr zu testen, auch solle es Ausreisebeschränkungen geben. Hintergrund sei, dass sich die Länder untereinander mehr vertrauen sollen.
„Wir müssen sehr aufpassen, dass der Ballermann nicht ein zweites Ischgl wird.“
Jens Spahn