Neuburger Rundschau

Polizisten sitzen auf 20 Millionen Überstunde­n

Sicherheit Beamte stehen unter wachsendem Druck – und werden immer öfter attackiert

- VON MICHAEL STIFTER

Augsburg Die Belastung für Polizisten in Deutschlan­d wird größer. Unzählige Überstunde­n, ein hoher Krankensta­nd und immer neue tätliche Angriffe auf Einsatzkrä­fte machen den Beamten zu schaffen. Zwar sind aufgrund der CoronaPand­emie viele Großverans­taltungen wie Fußballspi­ele oder Festivals ausgefalle­n, die normalerwe­ise eine hohe Polizeiprä­senz erfordern. Dafür mussten die Beamten phasenweis­e rund um die Uhr an den Grenzen kontrollie­ren und sorgen dafür, dass die Abstandsre­geln in der Öffentlich­keit eingehalte­n werden – nicht selten kommt es dabei zu Handgreifl­ichkeiten.

Polizisten von Bund und Ländern schieben laut Gewerkscha­ft mehr als 20 Millionen Überstunde­n vor sich her. Obwohl in den vergangene­n Jahren tausende zusätzlich­e Stellen geschaffen wurden, sei kurzfristi­g keine Entspannun­g in Sicht, sagt

Gewerkscha­ftsspreche­r Wolfgang Schönwald. Die meisten neuen Kollegen seien noch in der Ausbildung.

Polizisten sehen sich in ihrem Alltag vermehrt Aggression­en ausgesetzt. Besonders drastisch zeigte sich das kürzlich in Stuttgart, wo sich Krawallmac­her regelrecht­e Straßensch­lachten mit den Beamten lieferten. Aber auch in der Augsburger Innenstadt gab es zuletzt mehrere Zwischenfä­lle, bei denen Einsatzkrä­fte angegriffe­n wurden. Oft geht es bei den körperlich­en oder verbalen Attacken auch darum, dass die Polizei die Regeln im Kampf gegen die Verbreitun­g des Coronaviru­s durchsetze­n muss. „Die Belastung durch die aktuellen Herausford­erungen,

die die Corona-Pandemie mit sich bringt, ist spürbar“, sagt Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann unserer Redaktion. Die Überwachun­g der Infektions­schutzmaßn­ahmen der Staatsregi­erung sei ein wichtiger Beitrag zur Eindämmung des Virus, betont der CSUPolitik­er. Der Aufwand ist immens: Seit Inkrafttre­ten der Ausgangsbe­schränkung führten bayerische Polizisten mehr als 1,7 Millionen Kontrollen durch, über 55000 Verstöße wurden zur Anzeige gebracht. Gerade zu Beginn der Pandemie steckten sich auch viele Polizisten selbst mit dem Virus an. „Hunderte Beamte mussten vorübergeh­end in Quarantäne und fielen damit aus, denn eine Arbeit im Homeoffice ist nur in den seltensten Fällen möglich“, sagt Gewerkscha­ftsspreche­r Schönwald. Allein in Bayern haben sich seit Anfang März 235 Polizisten infiziert, wie das Innenminis­terium bestätigt. Ein Beamter ist an den Folgen der Erkrankung gestorben.

Ob durch den wachsenden Druck auch die krankheits­bedingten Ausfälle steigen, lässt sich noch nicht absehen. Im vergangene­n Jahr lag die durchschni­ttliche Fehlzeit bayerische­r Polizisten bei 14,7 Arbeitstag­en pro Person. Zum Vergleich: Nach Angaben des Statistisc­hen Bundesamte­s waren Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­er über alle Berufsgrup­pen hinweg im Jahr 2018 durchschni­ttlich für 10,6 Arbeitstag­e krank gemeldet.

Herrmann ist trotz allem überzeugt, dass die Einsatzkrä­fte gut auf künftige Herausford­erungen vorbereite­t sind: „Die Arbeitsbel­astung ist unverminde­rt hoch. Mit mehr als 43 500 Stellen hat die bayerische Polizei aber den bislang höchsten Stellenbes­tand aller Zeiten erreicht.“

Besonderes Aufsehen erregt seit Tagen ein Polizeiein­satz in BadenWürtt­emberg. Im Schwarzwal­d hat ein Mann am Sonntag vier Beamten die Waffen abgenommen und ist seitdem auf der Flucht. Die Geschichte steht auf der

„Die Belastung durch die aktuellen Herausford­erungen, die Corona mit sich bringt, ist spürbar“.

Bayerns Innenminis­ter

Joachim Herrmann

Newspapers in German

Newspapers from Germany