Polizisten sitzen auf 20 Millionen Überstunden
Sicherheit Beamte stehen unter wachsendem Druck – und werden immer öfter attackiert
Augsburg Die Belastung für Polizisten in Deutschland wird größer. Unzählige Überstunden, ein hoher Krankenstand und immer neue tätliche Angriffe auf Einsatzkräfte machen den Beamten zu schaffen. Zwar sind aufgrund der CoronaPandemie viele Großveranstaltungen wie Fußballspiele oder Festivals ausgefallen, die normalerweise eine hohe Polizeipräsenz erfordern. Dafür mussten die Beamten phasenweise rund um die Uhr an den Grenzen kontrollieren und sorgen dafür, dass die Abstandsregeln in der Öffentlichkeit eingehalten werden – nicht selten kommt es dabei zu Handgreiflichkeiten.
Polizisten von Bund und Ländern schieben laut Gewerkschaft mehr als 20 Millionen Überstunden vor sich her. Obwohl in den vergangenen Jahren tausende zusätzliche Stellen geschaffen wurden, sei kurzfristig keine Entspannung in Sicht, sagt
Gewerkschaftssprecher Wolfgang Schönwald. Die meisten neuen Kollegen seien noch in der Ausbildung.
Polizisten sehen sich in ihrem Alltag vermehrt Aggressionen ausgesetzt. Besonders drastisch zeigte sich das kürzlich in Stuttgart, wo sich Krawallmacher regelrechte Straßenschlachten mit den Beamten lieferten. Aber auch in der Augsburger Innenstadt gab es zuletzt mehrere Zwischenfälle, bei denen Einsatzkräfte angegriffen wurden. Oft geht es bei den körperlichen oder verbalen Attacken auch darum, dass die Polizei die Regeln im Kampf gegen die Verbreitung des Coronavirus durchsetzen muss. „Die Belastung durch die aktuellen Herausforderungen,
die die Corona-Pandemie mit sich bringt, ist spürbar“, sagt Bayerns Innenminister Joachim Herrmann unserer Redaktion. Die Überwachung der Infektionsschutzmaßnahmen der Staatsregierung sei ein wichtiger Beitrag zur Eindämmung des Virus, betont der CSUPolitiker. Der Aufwand ist immens: Seit Inkrafttreten der Ausgangsbeschränkung führten bayerische Polizisten mehr als 1,7 Millionen Kontrollen durch, über 55000 Verstöße wurden zur Anzeige gebracht. Gerade zu Beginn der Pandemie steckten sich auch viele Polizisten selbst mit dem Virus an. „Hunderte Beamte mussten vorübergehend in Quarantäne und fielen damit aus, denn eine Arbeit im Homeoffice ist nur in den seltensten Fällen möglich“, sagt Gewerkschaftssprecher Schönwald. Allein in Bayern haben sich seit Anfang März 235 Polizisten infiziert, wie das Innenministerium bestätigt. Ein Beamter ist an den Folgen der Erkrankung gestorben.
Ob durch den wachsenden Druck auch die krankheitsbedingten Ausfälle steigen, lässt sich noch nicht absehen. Im vergangenen Jahr lag die durchschnittliche Fehlzeit bayerischer Polizisten bei 14,7 Arbeitstagen pro Person. Zum Vergleich: Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes waren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer über alle Berufsgruppen hinweg im Jahr 2018 durchschnittlich für 10,6 Arbeitstage krank gemeldet.
Herrmann ist trotz allem überzeugt, dass die Einsatzkräfte gut auf künftige Herausforderungen vorbereitet sind: „Die Arbeitsbelastung ist unvermindert hoch. Mit mehr als 43 500 Stellen hat die bayerische Polizei aber den bislang höchsten Stellenbestand aller Zeiten erreicht.“
Besonderes Aufsehen erregt seit Tagen ein Polizeieinsatz in BadenWürttemberg. Im Schwarzwald hat ein Mann am Sonntag vier Beamten die Waffen abgenommen und ist seitdem auf der Flucht. Die Geschichte steht auf der
„Die Belastung durch die aktuellen Herausforderungen, die Corona mit sich bringt, ist spürbar“.
Bayerns Innenminister
Joachim Herrmann