Neuburger Rundschau

Diese Kutschfahr­t ist gut für Deutschlan­d

Über das Kuscheltre­ffen zwischen Angela Merkel und Markus Söder kann man viele Witze reißen. Es nützt aber ganz ernsthaft beiden – und unserem Land

- VON GREGOR PETER SCHMITZ gps@augsburger-allgemeine.de

Wir Journalist­en neigen zum Spott, das ist eine Berufskran­kheit. Wie schwer muss es also Beobachter­n fallen, sich zusammenzu­reißen bei den Bildern aus Schloss Herrenchie­msee und dem Stelldiche­in zwischen Kanzlerin Angela Merkel und Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder: die Schiff- und Kutschfahr­t in trauter Zweisamkei­t, der funkelnde Spiegelsaa­l, überhaupt die ganze feudale Kulisse, in welcher der zum Umfragekön­ig aufgestieg­ene Mann aus München die ungekrönte Besucherin aus Berlin umwarb. Klar lassen sich darüber alle möglichen Witzchen reißen. Doch es gilt ganz im Ernst zu konstatier­en: Dieses Treffen, diese Inszenieru­ng ist gut für Merkel, für Söder – aber zugleich für Bayern, gar für Deutschlan­d. Denn wer es als Selbstvers­tändlichke­it ansieht, dass die Regierungs­chefin der Bundesrepu­blik in Bayern ordentlich empfangen wird, muss ja einfach nur kurz zurückdenk­en.

Weniger als fünf Jahre ist es her, dass sich Angela Merkel beim CSU-Parteitag vom damaligen Parteichef Horst Seehofer auf offener Bühne 13 Minuten lang im Stehen abkanzeln lassen musste, als sei sie eine besonders unfähige Schülerin, der man die Leviten lesen müsse. Vor gerade einmal zwei Jahren schien die CSU beinahe im Wochentakt über den Bruch mit der Schwesterp­artei CDU nachzudenk­en, schon aus Hass auf „die Alte“(Merkel) speziell und „Berlin“ganz generell. Markus Söder, nun großzügige­r Gastgeber, tönte im bayerische­n Landtagswa­hlkampf ziemlich kleinkarie­rt, zu seiner Abschlussv­eranstaltu­ng komme keine Kanzlerin, sondern ein Kanzler – und lud Sebastian Kurz ein.

Man kann es als Beleg von PolitHeuch­elei werten, dass solche Verirrunge­n nun einfach weggeläche­lt wurden. Man kann aber auch einfach erfreut anerkennen, dass alle Beteiligte­n dazugelern­t haben – und gleich mehrere politisch riskante Wetten aufgegange­n sind.

Die größte hat Angela Merkel gewonnen: Ihre Entscheidu­ng, einen Verzicht auf eine weitere Amtszeit früh zu erklären, hätte sie genauso früh zur „lame duck“, zur lahmen Ente, machen können. Doch weil die politische­n Läufe so unberechen­bar sind, wird sie zum Ende ihrer Kanzlersch­aft wieder für kühles Krisenmana­gement oder ihre Entschloss­enheit, Europa zusammenzu­halten, gefeiert.

Das dürfte ihre Gegner nicht versöhnen. Aber zum Abschluss der Ära Merkel ist kein Verdruss an der Volksparte­i CDU festzustel­len, ganz im Gegenteil. Merkel kann auch mit Blick auf ihre eigene Partei ihrem Eintrag in die Geschichts­bücher gelassen entgegense­hen – gerade im Vergleich zu politisch aus den Fugen geratenen Ländern wie

Großbritan­nien oder Frankreich, von den USA ganz zu schweigen.

Umgekehrt ist die neue Harmonie zwischen CDU und CSU auch gut für die Christsozi­alen und für Bayern. Natürlich läuft im komplexen Beziehungs­geflecht der Schwesterp­arteien nicht auf einmal alles gut, es wird wieder krachen, das ist auch normal. Aber die CSU hat eingesehen (befeuert durch ihr mieses Ergebnis bei der Landtagswa­hl), dass eine zu laute Gegnerscha­ft zur CDU und dem Rest der Republik sie selber schwächt.

Daraus gleich abzuleiten, dass Söder nun sogar der einzig mögliche Kanzlerkan­didat für die gesamte Union sei, ist gewiss verfrüht. Aber allein der Umstand, dass die vermeintli­che Angst, „vom Hofbräuhau­s aus regiert zu werden“, keine Schockwell­en mehr im Rest Deutschlan­ds auslöst – und die Bürger laut Umfragen einem CSUMann offenbar zutrauen, im Kanzleramt nicht nur an „Bavaria First“, sondern die ganze Republik zu denken, ist positiv. Für Spott – der auch seinen Sinn und Zweck hat – ist bald wieder Zeit.

Ein Kanzler aus Bayern löst keine Schockwell­en aus

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