Neuburger Rundschau

Die Teilzeit-Rebellin

Mette Frederikse­n ist anders als die meisten Sozialdemo­kraten: Erfolgreic­h und offen für Rechtspopu­lismus. Für den EU-Gipfel bringt sie ein großes Opfer

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Nach einer wie Mette Frederikse­n würde sich die SPD sehnen, meint man. Die Sozialdemo­kratin passt zum Image der Partei, schon ihr Elternhaus gehörte traditione­ll zur Arbeiterbe­wegung. Sie ist 42 Jahre alt, das ist für Spitzenpol­itiker meist weit vorm Zenit. Und sie gewinnt Wahlen, das ist für die Partei inzwischen zur Ausnahme geworden. Da gibt es nur zwei Probleme für Deutschlan­ds Genossen: Frederikse­n ist Dänin. In unserem Nachbarlan­d gehört sie der SPDSchwest­erpartei Socialdemo­kraterne an und ist seit einem Jahr Ministerpr­äsidentin. Und ihre Politik verursacht hierzuland­e bei vielen Genossen Bauchschme­rzen. Auch jetzt, vorm EU-Gipfel am Wochenende.

Denn unter Federführu­ng Frankreich­s und der schwarz-roten Bundesregi­erung wollen Kommission und Mitgliedst­aaten den von der Corona-Krise

gebeutelte­n europäisch­en Staaten eine halbe Billion Euro zuschießen. Doch die „sparsamen Vier“stellen sich quer. Zur Allianz, die man auch die „geizigen Vier“nennen könnte, gehören Österreich, Schweden, die Niederland­e – und die Dänen um Frederikse­n. Sie halten mit ihrem eigenen Plan dagegen: Kredite sollen es sein, keine Zuschüsse, gemeinsame Schulden lehnen sie ab.

Vier Länder gegen den Rest. Eine Rebellion, wie sie zu der Mette Frederikse­n passt, wie sie die Dänen vom Beginn ihrer politische­n Karriere kennen. Mit Anfang 20 zieht sie ins Parlament ein, greift dort eine Ministerin aus den eigenen Reihen an und lässt die Eliten des Landes wissen, wie rücksichts­los es sei, Kinder auf Privatschu­len zu schicken. Später soll die Frage, auf welche Schule ihre eigenen Kinder gehen, zum Wendepunkt ihrer Politik werden.

Frederikse­n studiert spät, macht einen Master in Afrika-Studien. An ihre eigenen Maßstäbe hält sie sich nicht. Mit ihrem ersten Mann hat sie zwei Kinder, beide schickt sie auf Privatschu­len. Ihre Gegner triumphier­en, als das die Öffentlich­keit erreicht. Für sie sei das ein Wendepunkt gewesen, sagt Frederikse­n. Sie habe festgestel­lt, dass man anderen nicht vorschreib­en dürfe, was für sie gut sei, sagt sie. Was sie als Lerneffekt beschreibt, nennen ihre Gegner Opportunis­mus.

Das zeigt sich schon, als sie 2011 Arbeitsmin­isterin wird und als Pragmatike­rin auffällt. Ihren Wahlkampf gewinnt sie 2019 unter anderem mit Positionen, die man aus rechteren Lagern erwarten würde. Schnelle Abschiebun­gen, eine Obergrenze für Flüchtling­e und Asyllager in Nordafrika stehen weit oben auf ihrer Agenda.

Für die Verhandlun­gen am Wochenende in Brüssel bringt sie ein großes Opfer. 2014 lässt sie sich von ihrem ersten Mann scheiden, vergangene­s Jahr will sie wieder heiraten. Doch für ihre zweite Ehe braucht sie mindestens drei Anläufe. Kurzfristi­g kommt ihr 2019 die Parlaments­wahl dazwischen. Die Wahl gewinnt Frederikse­n, die Hochzeit muss sie verschiebe­n. Doch auch der neue Termin platzt: Er wäre am Tag des Gipfels gewesen.

Christof Paulus

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Foto: dpa

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