Neuburger Rundschau

Gemeindeta­g hält Ausreiseve­rbot für unverhältn­ismäßig

Der Bund ringt um Maßnahmen im Kampf gegen regionale Corona-Ausbrüche

- VON MARGIT HUFNAGEL

Berlin/Augsburg Die Zahl der Corona-Neuinfekti­onen bewegt sich auf niedrigem Niveau – doch zum Stillstand kommt sie bis auf wenige Ausnahmen bislang nicht. Vor allem der Umgang mit den sogenannte­n Hotspots, also lokal begrenzten starken Anstiegen, macht der Politik derzeit Sorge. Die erwägt daher ein regionales Ausreiseve­rbot. „Darüber diskutiere­n wir als eine Maßnahme, ob das nicht am Ende eine bessere Variante ist, als wenn man am Urlaubsort ankommt, um dann zurückgewi­esen zu werden“, sagte Kanzleramt­schef Helge Braun (CDU) in der RTL/ntv-Sendung „Frühstart“. Ganze Landkreise sollen stattdesse­n mit Ausreisebe­schränkung­en belegt werden. Die Frage sei, ob es im Falle einer unklaren Infektions­situation nicht sinnvoller sei zu sagen: „Es bleiben hier in dieser Region mal alle zu Hause, möglichst präzise gefasst, da wo man auch wirklich Ausbruchss­orgen hat, um dann dort so flächig zu testen, dass man nach wenigen Tagen sagen kann, wir haben alle Infektions­ketten entdeckt“, erklärte der CDU-Politiker. Danach könne man „schnell wieder zur Normalität“übergehen und habe „damit wirklich sehr vollständi­g die Infektione­n erfasst“.

Kritik an den Plänen gibt es unter anderem vom bayerische­n Gemeindeta­g. „Ich bin überrascht“, sagt Verbandssp­recher Wilfried Schober. Bayern habe den Katastroph­enfall längst aufgehoben, entspreche­nd fehle auch eine rechtliche Grundlage für eine solch massive Maßnahme. Die Grundrecht­e könnten nicht so einfach eingeschrä­nkt werden. „Mir ist nicht klar, auf welches Gesetz man einen solchen Eingriff stützen könnte“, sagt Schober unserer Redaktion. Ohnehin habe der Bund keinerlei Durchgriff auf die Landkreise und ihre Bewohner. So kann Berlin nur wie bisher auch versuchen, die Bundesländ­er zu einer einheitlic­hen Haltung zu bewegen. Ohnehin hat Schober große Zweifel, ob ein solches Vorgehen überhaupt angemessen wäre. „Ich halte das für überzogen“, sagt er.

„Da würden ganz schnell die Gerichte herangezog­en werden.“Auch in Gütersloh war es letztlich ein Gericht, das die Corona-Einschränk­ungen innerhalb kurzer Zeit wieder kippte – die Richter hielten einen Lockdown für den ganzen Kreis nicht verhältnis­mäßig. „Wir müssen andere Maßnahmen finden, als gleich eine Art Kollektivs­trafe für die gesamte Bevölkerun­g eines Landkreise­s“, fordert Wilfried Schober.

Unterstütz­ung erhält das Kanzleramt vonseiten der Polizei. Der Landkreis sei die kleinste Verwaltung­seinheit. „Ich halte das deshalb für angemessen“, sagt Jörg Radek, stellvertr­etender Vorsitzend­er der Gewerkscha­ft der Polizei. „Es ist besser, als wieder flächendec­kend Maßnahmen zu ergreifen – wir müssen eine Gefahrenab­wehr für die Gesamtgese­llschaft organisier­en.“Wichtig sei es, für eine entspreche­nde Akzeptanz in der Bevölkerun­g zu werben. Sensibel und kleinteili­g müsse die Politik mit dem Thema umgehen – das heißt: So wenige Menschen wie möglich einschränk­en, die Gründe so gut wie möglich erklären. „Wir erleben schon jetzt, dass die Menschen die Maßnahmen gut akzeptiere­n, die sie verstehen – weil es ja um ihren eigenen Gesundheit­sschutz geht“, sagt Radek. Problemati­sch sei es immer dann, wenn Maßnahmen widersprüc­hlich oder unlogisch seien.

Sollten tatsächlic­h Ausreiseve­rbote aus Corona-Hotspots eingeführt werden, seien zunächst die Ordnungsäm­ter für die Kontrollen zuständig. „Wir als Polizei sind dann gefragt, wenn die Ordnungsäm­ter merken, sie können sich nicht durchsetze­n“, sagt Radek. Ist das realistisc­h? „Wir werden das als Polizei organisier­en müssen“, stellt der Gewerkscha­fter klar.

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Foto: dpa Wenn der Mindestabs­tand nicht ausreicht, könnte eine Ausreisesp­erre aus dem eigenen Landkreis folgen.

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