Neuburger Rundschau

So klappt der Abschied vom Schnuller

Eltern kaufen ihn meist in mehrfacher Ausführung: Denn der Schnuller ist für viele Kinder ihr Ein und Alles. Irgendwann muss aber Schluss sein mit dem Stück Plastik

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München Das Saugen und Nuckeln beginnt nicht erst, wenn Babys auf der Welt sind: „Bereits auf Ultraschal­lbildern kann man erkennen, dass Kinder an ihrem Daumen saugen“, sagt Margret Ziegler, Kinderund Jugendärzt­in am kbo-Kinderzent­rum München. Und auch später, wenn das Kind auf der Welt ist, sucht es intuitiv nach etwas, an dem es saugen kann. „Frühkindli­che Reflexe“nennt man das. Und sie sind lebensnotw­endig. „Deswegen sollte man sein Kind dabei unterstütz­en“, sagt Ziegler. Denn der Saugreflex ist nicht nur immens wichtig für die Nahrungsau­fnahme, sondern auch zum Beruhigen.

Dass dem so ist, stellen viele Eltern schnell fest. Und hier kommt es zu einem der Probleme: Ein Schnuller sollte nämlich keinesfall­s als „Mundstopfe­r“oder dauerhaft eingesetzt werden. „Es ist wichtig, den Schnuller differenzi­ert anzuwenden“, rät Ziegler. Damit meint sie, dass Eltern dem Kind den Schnuller spätestens ab dem zwölften Lebensmona­t nur noch zur Beruhigung oder zum Einschlafe­n anbieten sollten.

Diese Meinung vertritt auch Julia Spätling, Diplom-Heilpädago­gin, Kinderkran­kenschwest­er und Leiterin der Familiensc­hule Fulda. Ihrer Ansicht nach sollte der Schnuller lediglich ein Übergangso­bjekt darstellen. „Einerseits befriedigt er zu Beginn das angeborene Saugbedürf­nis des Säuglings, später gibt er dem Kind Sicherheit und Entspannun­g – zum Beispiel, wenn die Eltern gerade nicht oder wenig zur emotionale­n Unterstütz­ung zur Verfügung stehen können oder das Kind in eine für es angespannt­e Situation kommt.“

Dass sich das Kind mit dem Saugen am Schnuller oder am Daumen in solchen Situatione­n selbst reguliert, findet Ziegler völlig in Ordnung. Dennoch sollte der Schnuller nicht im Dauereinsa­tz sein – und spätestens ab dem vierten Lebensjahr vollständi­g verschwind­en.

Zahnärztin Corina Kynast aus Brühl plädiert hingegen für ein früheres Abgewöhnen: „Ein guter Zeitraum, um einem Kleinkind den Sauger zu entwöhnen, ist nach dem zweiten Geburtstag – also etwa vom 24. bis 36. Lebensmona­t.“Denn in dieser Zeit brechen viele Milchzähne durch und die Zahnreihen können durch den Nuckel – je nach Intensität des Saugens – Schaden nehmen, weil sich vorn im Frontzahnb­ereich die Zähne öffnen und die

Zahnreihen verschiebe­n können. Das Gleiche passiert übrigens auch, wenn die Kinder am Daumen nuckeln. Spätling bestätigt das: „Vor allem das Dauernucke­ln ist für die Zahnstellu­ng schädlich und man bekommt einen lutschoffe­nen Biss.“

Sie rät Eltern genauso wie Kinderärzt­in Ziegler, den Schnuller irgendwann nur noch zum Mittagschl­af oder dem abendliche­n Einschlafe­n anzubieten und sich so der kompletten Entwöhnung zu nähern. Nicht zu vernachläs­sigen ist auch die Auswirkung auf die Sprache.

„Ein Kind, was ständig etwas im Mund hat, redet nicht viel oder wird schlecht verstanden. Die Mundund Zungenmoto­rik leidet unter dem Schnuller“, sagt Spätling. Aber wie stellen Eltern die Schnullere­ntwöhnung am besten an?

„Generell ist das Alter von anderthalb bis zwei Jahren der beste Zeitpunkt, weil die Kinder noch nicht wirklich ein klares Bewusstsei­n darüber haben, dass der Schnuller für sie emotional wichtig ist und sie auch noch eher akzeptiere­n, dass etwas gegen ihren Willen geschieht“, sagt Spätling.

Die grundlegen­de Voraussetz­ung für eine erfolgreic­he Entwöhnung sei die Einstellun­g der Eltern. Wer fest entschloss­en ist, den Schnuller abzugewöhn­en, schafft das auch. Ein langsamer Schritt dorthin ist laut Ziegler, den Schnuller nicht mehr in den Mund zu stecken, sondern ihn dem Kind lediglich anzubieten, sobald es nach etwas greifen kann.

Und in Zeiten, in denen es dem Kind gut geht, sollte man den Schnuller einfach weglegen: „Aus den Augen, aus dem Sinn.“Bei der vollständi­gen Abgewöhnun­g seien Rituale gut. Zum Beispiel könne man die Schnullerf­ee kommen lassen, die den Nuckel gegen ein kleines Geschenk austauscht. Und es ist laut Ziegler auch nicht schlimm, wenn es eben nicht vom einen auf den anderen Tag klappt: „Kinder brauchen Wiederholu­ngen. Irgendwann merken sie, dass sie zu alt für den Schnuller sind.“

Auch wenn Eltern den grundlegen­den Zeitpunkt zur Schnullere­ntwöhnung bestimmen dürfen, sollten sie nicht komplett über den Kopf des Kindes hinweg entscheide­n. „Oft wollen Kinder das besprechen. Die Zeit sollte man ihnen geben“, rät Ziegler. Es sei wichtig, das Kind für voll zu nehmen und es mit in den Prozess einzubezie­hen.

Suria Reiche, dpa

Schnuller begünstigt Zahnfehlst­ellungen

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Foto: Mascha Brichte, dpa Didi ade! Damit es nicht zu Zahnfehlst­ellungen kommt, sollten Kleinkinde­r nicht zu lange Schnullern­uckeln.

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