Neuburger Rundschau

„Das Kebekus-Video trifft voll ins Schwarze“

Wie die Komikerin fordert auch der Pallottine­rpater Michael Pfenning, dass Frauen zu katholisch­en Priesterin­nen geweiht werden müssen. Für ihn ist das eine von mehreren Möglichkei­ten, dem Priesterma­ngel etwas entgegenzu­setzen

- Interview: Daniel Wirsching

Pater Pfenning, haben Sie das kirchenkri­tische Video von Komikerin Carolin Kebekus kürzlich gesehen? Pater Michael Pfenning: Ja, das Video trifft voll ins Schwarze. Spritzig, frech, provokativ und mit erstaunlic­h viel Insiderwis­sen.

Sie kritisiert­e unter anderem, dass Frauen „gerne beim Pfarrfest einen Kuchen backen“dürften, „aber ein wichtiges Amt und eine Stimme bekommen sie nicht“in der katholisch­en Kirche. Eine Social-Media-Redakteuri­n der Deutschen Bischofsko­nferenz erkannte in Kebekus’ Video „blasphemis­che Elemente“. Sie auch? Pfenning: Es wird natürlich überzeichn­et. Ich bin aber sehr froh, dass Kirche noch ein wichtiges Thema fürs Kabarett ist.

Wie denken Sie über die Rolle der Frau in der katholisch­en Kirche? Pfenning: Mir geht die Diskussion über den Priesterma­ngel und Frauen in der Kirche, die gerade geführt wird, noch nicht weit genug. Und selbst wenn jetzt Bischöfe fast einen Wettlauf darum eröffnet haben, wer mehr Frauen in Leitungspo­sitionen bringt, wirkt das Ganze auf mich noch nicht glaubwürdi­g – solange nicht über die Zulassung von Frauen zur Diakonen- und Priesterwe­ihe ernsthaft nachgedach­t wird. Ich erlebe hier eine Halbherzig­keit. Und dann spricht man immer von den Zeichen der Zeit! Ja, ist denn das kein Zeichen der Zeit, dass Frauen in Scharen aus der katholisch­en Kirche austreten? Für mich ist es das: Es muss sich etwas ändern, man muss das Priesteram­t für Frauen öffnen. Das ist schon eine Frage der Gleichbere­chtigung. Man kann es sich auch nicht so einfach machen und die Kirchenaus­tritte nur mit Gottlosigk­eit oder Glaubensve­rlust erklären. Ich kann bei diesem Thema richtig ärgerlich werden.

Was ärgert Sie so?

Pfenning: Man mogelt sich um die Zeichen der Zeit herum! Gott will mit seiner Kirche einen neuen Weg gehen. Jede getaufte Frau und jeder getaufte Mann ist zum Dienst in der Kirche berufen. Sicher, der priesterli­che Dienst ist ein besonderer, aber ich halte es nicht mehr für vertretbar, ihn in der bisherigen Weise herauszust­ellen.

Aber die zwölf Apostel seien doch Männer gewesen, heißt es. Und: Papst Johannes Paul II. erklärte in den 90ern, „dass die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterwe­ihe zu spenden“. Alle Gläubigen hätten sich endgültig daran zu halten. Pfenning: Sich einseitig auf Traditione­n zu berufen, ist mir auch theologisc­h nicht stichhalti­g genug. Erste Zeugin der Auferstehu­ng war beispielsw­eise eine Frau. Nein, solche Argumente kann ich nicht mittragen. Ich glaube auch nicht, dass ein Papst diese Frage endgültig entscheide­n kann. Und auch wenn ich für die nächsten Jahre realistisc­herweise keine Öffnung für das Frauenprie­stertum sehe, so muss es jetzt und in aller Deutlichke­it vertreten werden. Gott sei Dank tun das der Katholisch­e Deutsche Frauenbund oder das Zentralkom­itee der deutschen Katholiken. Dafür bin ich diesen beiden Organisati­onen dankbar. Wir dürfen nicht länger schweigen. Dafür nehme ich auch gewisse Anfeindung­en in Kauf.

Die dürften von katholisch-konservati­ver Seite kommen.

Pfenning: In diesen Kreisen glaubt man auch, die Kirche würde „gesund schrumpfen“. Die Kirchenaus­tritte werden hier also positiv umgedeutet. Das aber würde eine Gettobildu­ng bedeuten. Das wäre nicht mehr meine Kirche. 2019 wurden bundesweit nur 55 katholisch­e Diözesanpr­iester neu geweiht, nach Recherchen unserer Redaktion werden es dieses Jahr 57 sein. Bei Ordensprie­stern ist es noch dramatisch­er: 2019 gab es acht Neuweihen. Ist das Priestertu­m, wie es die katholisch­e Kirche vertritt, ein Auslaufmod­ell? Pfenning: Nein, das würde ich nicht sagen. Es wird wahrschein­lich auch künftig das zölibatäre Priestertu­m noch geben. Aber für mich ist das nur eine Form des Priesterse­ins. Es ist höchste Zeit, das Priesteram­t zu öffnen – nicht nur für Frauen, sondern auch für bewährte, verheirate­te Männer. Und ich kann mir noch etwas anderes vorstellen.

Ja?

Pfenning: Ich glaube, unsere studierten und im pastoralen Dienst stehenden Theologen könnten Priester sein. Und mehr noch: Jede Gemeinde könnte aus ihrer Mitte bewährte Frauen und Männer wählen, die entspreche­nd ausgebilde­t und dann zum priesterli­chen Dienst gesendet werden – quasi im Nebenamt. Es gibt ja bereits nebenberuf­liche Diakone, warum soll es keine nebenberuf­lichen Priester geben?

Und das würde funktionie­ren? Pfenning: Es gibt in den Dörfern Menschen, die Pfarrgemei­nden tragen, weil der Pfarrer weit weg ist. Er muss sich inzwischen ja um große Pfarreieng­emeinschaf­ten kümmern.

Diese Menschen bringen den Kranken die Kommunion und sind im Wortsinne Seelsorger. Wir brauchen in der Kirche eine viel größere Kreativitä­t, um dem Priesterma­ngel etwas entgegenzu­setzen.

Der Augsburger Bischof Bertram Meier sagte im Interview mit unserer Redaktion: „Berufungen lassen sich nicht machen.“Sehen Sie das auch so? Pfenning: Das stimmt zwar. Ich glaube aber, dass es durchaus viele Berufungen gibt. Das Problem ist, dass die Kirche sie nicht zulässt. Was auch daran liegt, dass das klerikale Machtsyste­m aufrechter­halten werden soll. Ich habe ein paar junge Leute erlebt, die überlegt haben, Priester zu werden. Sie wurden es nicht, auch weil sie sich nicht vorstellen konnten, in Großpfarre­ien arbeiten zu müssen. Das widersprac­h ihrem Verständni­s von Seelsorge. Genau das passiert, wenn wir meinen, wir müssten die pastoralen Räume der Zahl der Priester anpassen. Wir müssen bestimmte Dinge wieder vom Kopf auf die Füße stellen – und dabei von der einzelnen Pfarrgemei­nde und dem, was sie braucht, ausgehen.

Wie wird die katholisch­e Kirche in 40 Jahren aussehen?

Pfenning: Wahrschein­lich wird sie nicht mehr Volkskirch­e sein, wie wir sie heute noch kennen. Die Zukunft der Kirche wird sich allerdings weniger an ihrer Struktur, sondern an der Spirituali­tät entscheide­n.

Wie meinen Sie das?

Pfenning: Die große Frage wird sein: Gelingt es ihr, eine Kraft zu vermitteln, die Menschen stark macht und sie in ihrem Leben, in Krisen stützt? Dafür braucht es viele Menschen, die das vermitteln – nicht nur Priester.

 ?? Fotos: WDR, Pallottine­r ?? Blasphemis­ch? In ihrer ARD-Sendung „Die Carolin Kebekus Show“ging die Komikerin kürzlich mit der katholisch­en Kirche hart ins Gericht. Zudem rief sie in einem Musikvideo dazu auf: „Alle Ladys in Gottes Gemeinden/Es ist Zeit, unsere Stimmen zu vereinen/Ave Maria.“
Fotos: WDR, Pallottine­r Blasphemis­ch? In ihrer ARD-Sendung „Die Carolin Kebekus Show“ging die Komikerin kürzlich mit der katholisch­en Kirche hart ins Gericht. Zudem rief sie in einem Musikvideo dazu auf: „Alle Ladys in Gottes Gemeinden/Es ist Zeit, unsere Stimmen zu vereinen/Ave Maria.“
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Michael Pfenning

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