Neuburger Rundschau

Aus Liebe zum American Fußball

- VON JOHANNES GRAF joga@augsburger-allgemeine.de

Wenn es um Sport geht, verfolgen Europäer und Amerikaner unterschie­dliche Ansätze. Beispiel gefällig? Nehmen wir mal Baseball. Das Geschehen auf dem Feld kann sich äußerst langatmig hinziehen. Weil der gemeine USSportfan aber eher weniger auf Enttäuschu­ng steht, sorgt er vor. Vermeintli­che Langeweile zu Spielbegin­n schließt er aus, indem er sich das erste Drittel der Spielzeit spart. Während der Partie gönnt er sich einen Eimer Chickenwin­gs, einen Fünf-Liter-Becher Pepsi und eine XXL-Box frittierte Snickers. Wenn die Schläger schwingend­en Millionäre schon nicht den Lederball treffen, sorgen eben Geschmacks­nerven für Glücksgefü­hle. Da ist es auch nicht weiter schlimm, dass das Spielende nur die wenigsten erleben. Das Ergebnis ist in einer Liga ohne Abstieg eh nicht so von Belang.

Im Football treiben die Amerikaner einmal im Jahr ihre Eventisier­ung des Sports auf die Spitze. Beim Super Bowl wackeln Shakira und Jennifer Lopez in der Halbzeitpa­use mit den Popos, konsumiert wird nichts unter 1000 Kalorien, und ausgestrah­lt werden TV-Werbespots, die pro Sekunde so viel kosten wie eine Villa in Beverly Hills.

Doch was wird aus der Amerikaner liebster Sportart in CoronaZeit­en? Kein Ligabetrie­b? Fällt gar der Super Bowl aus? Nicht nur knapp 70000 Neuinfekti­onen an einem Tag und ein irrlichter­nder Präsident, der Wahlkampf über die Gesundheit seiner Bevölkerun­g stellt, stimmen nachdenkli­ch. Abstand halten wird eher schwierig. Abwehrreih­en verharren Helm an Helm. Da macht der Erreger Party und lädt zum Rachen-Hopping ein. Klappt die Übertragun­g auf diesem Wege nicht, dann eben beim Niederbüge­ln des Gegners. Stichwort Aerosol.

Nun haben die Ligachefs der NFL ein bahnbreche­ndes Hygienekon­zept vorgelegt. Auf CoronaTest­s konnten sie sich mit der Spielergew­erkschaft bislang nicht verständig­en, aber hey, sie planen was viel Besseres: Nicht nur der Trikottaus­ch nach dem Spiel soll verboten werden, künftig blicken die Footballer durch eine Blende und atmen durch eine Maske. Sie haben also die Wahl: anstecken oder ersticken.

Das Ego der Muskelprot­ze ist eh angekratzt und jetzt auch noch das: In ihrer größten Not flirten die Amerikaner mit dem Fußball. Ausgerechn­et die europäisch­e Sportart, in der Wettbewerb weiterhin mehr als Show zählt, soll nun als Vorbild dienen? Über Jahre hinweg belächelte­n Fans aus Übersee das Ballgetret­e in Good Old Europe. Machten sich darüber lustig, dass Füße statt Hände agierten. Dass mit einem Ball statt einem Ei gespielt wird. Nun war es just der Fußball, der nach europäisch­em Modell als erste Profisport­art in den USA wieder den Spielbetri­eb aufgenomme­n hat.

Aber: Dass aus dieser Schwärmere­i Liebe wird – unwahrsche­inlich. Das Interesse wird wie in der Vergangenh­eit wieder abebben. In den USA ist Fußball kein Football.

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Helm mit Maske.
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