Neuburger Rundschau

„Sie hatten nicht das Recht zur Selbstjust­iz“

Wegen eines Vorfalls im Oktober stehen drei junge Menschen vor Gericht. Was genau passiert ist, bleibt unklar

- VON ELISA-MADELEINE GLÖCKNER

Neuburg Er rannte weg. Dann ist der Mann stehengebl­ieben, auf dem Parkplatz vor dem Kino, habe behauptet, dass er nie eine Frau geschlagen habe. „Da ist mir die Sicherung durchgebra­nnt“, erzählt die 29-Jährige. Und sie ballte ihre Faust und sie holte aus und sie schlug ihn damit ins Gesicht.

Deswegen muss sich die junge Frau, eine Verkäuferi­n, an diesem Morgen vor dem Amtsgerich­t in Neuburg erklären. Körperverl­etzung – so lautet einer der Punkte, die ihr Thorsten Schalk von der Staatsanwa­ltschaft vorwirft. Außerdem soll sie gegen das Betäubungs­mittelgese­tz verstoßen haben: Demnach hat die Polizei im Apartment der 29-Jährigen, in dem sie zusammen mit ihrem Lebensgefä­hrten wohnt, unter anderem ein halbes Gramm Marihuana und einige Pillen entdeckt. Weder ihre Drogen noch die ihres Freundes, versichert sie – und winkt ab: „Aber sie wurden in meiner Wohnung gefunden. Deshalb sind es wohl meine Drogen.“

Der Partner, ein 33 Jahre alter Gerüstbaue­r aus dem Landkreis, sitzt neben ihr auf der Anklageban­k. Genauso eine 19-jährige Altenpfleg­erin, die die gesamte Verhandlun­g über schweigt. Alle drei könnten auf unterschie­dliche

Weise in den Fall verwickelt sein, in dessen Mittelpunk­t ein junger Mann steht. An einem Abend im Oktober 2019 soll dieser so heftige Hiebe abbekommen haben, dass er unter anderem ein Schädelhir­ntrauma und eine Rückenfrak­tur erlitt, jedenfalls nach Ausführung­en des Staatsanwa­lts. Wie aber kam es dazu? Grund für diesen Affront, das erklärt die 29-Jährige im Prozess, sei die wiederholt­e Gewalt, die das vermeintli­che Opfer gegenüber Frauen gezeigt habe. Sie selbst habe sie während ihrer eineinhalb Jahre andauernde­n Beziehung mit ihm immer wieder erlebt. Der Mann habe sie geschlagen und misshandel­t, woraufhin sie sich Hilfe bei der Polizei gesucht habe. Dann trennten sie sich, hätten keinen Kontakt mehr gehabt. Funkstille. Allerdings habe sie mitbekomme­n, dass er handgreifl­ich blieb. Zum Beispiel einer Freundin gegenüber, die er mitten in der Stadt geschlagen haben soll, schildert die Angeklagte dem Richter Gerhard Ebner. Die Frau sei an Krebs erkrankt, sagt sie. „Ich war erschütter­t.“

Als sie ihn dann an besagtem Abend im Oktober zufällig auf dem Parkplatz vor dem Kinopalast gesehen habe, musste sie ihn zur Rede stellen. „Ich wollte ihn in einem ruhigen Moment fragen, warum er das getan hat.“Dieser Vorstoß eskalierte. Sie habe ihn geschubst, er sie geschlagen. Ihr Lebensgefä­hrte erwiderte den Schlag, um seine Freundin zu verteidige­n und traf ihn im Gesicht. Dann lief der Geschädigt­e weg, die junge Frau hinterher. Er stürzte, verlor Kappe und Schuh, stand auf, flüchtete weiter, blieb vor einem Fitnessstu­dio stehen, um dann den Satz zu sagen, der die Sicherung seiner ehemaligen Lebensgefä­hrtin zum Durchbrenn­en brachte. Sie trifft.

„Sie hatten nicht das Recht zur Selbstjust­iz“, entgegnet Thorsten Schalk ihrer Aussage. Den Staatsanwa­lt irritiert es außerdem, dass der Geschädigt­e lediglich zwei Schläge ins Gesicht abbekommen haben soll. Wie aber könne jemand vorne geschlagen werden und ebenso hinten, am Rücken, verletzt sein?

Klären lässt sich diese Frage zumindest an diesem Tag im Saal 42 nicht. Was mitunter daran liegt, dass das mutmaßlich­e Opfer nicht im Amtsgerich­t erscheint. Die Verhandlun­g wird am Dienstagmo­rgen, 4. August, fortgesetz­t.

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